den kabbalistischen Spuk der Demiurgen und Engel und Dämonen, lauter Vorstellungen, die man im besten Falle als "luftigen Materialismus" bezeichnen könnte.1) Jenem Völkerchaos müssen wir also zunächst unsere Aufmerksamkeit schenken.
In seiner Mitte ragt, wie ein scharfgeschnittener Fels aus gestalt- losem Meere, ein einziges Volk empor, ein ganz kleines Völkchen, die Juden. Dieser eine einzige Stamm hat als Grundgesetz die Reinheit der Rasse aufgestellt; er allein besitzt daher Physiognomie und Charakter. Blickt man auf jene südlichen und östlichen Kultur- stätten des in Auflösung begriffenen Weltreiches, lässt man das prüfende Auge durch keine Sympathien und Antipathien irre- geleitet werden, so muss man sagen, als Nation verdient damals die jüdische allein Achtung. Wohl mögen wir auf dieses Volk das Wort Goethe's anwenden: "Glaube weit, eng der Gedanke". Im Ver- hältnis zu Rom und gar erst zu Hellas erscheint uns sein geistiger Horizont so eng, seine geistigen Fähigkeiten so beschränkt, dass wir eine durchaus andere Wesensgattung vor uns zu haben wähnen; was jedoch dem Gedanken an Weite und an schöpferischer Befähigung abgehen mag, wird durch die Gewalt des Glaubens reichlich auf- gewogen, eines Glaubens, den man zunächst sehr einfach bestimmen könnte: es ist der Glaube an sich. Und da dieser Glaube an sich den Glauben an ein höheres Wesen einschloss, so entbehrte er nicht einer ethischen Bedeutung. Wie armselig das jüdische "Gesetz" sich auch ausnehmen mag, wenn man es mit den religiösen Schöpfungen der verschiedenen indoeuropäischen Völker vergleicht, einen Vorzug besass es im damaligen verfallenen römischen Reich ganz allein: es war eben ein Gesetz; ein Gesetz, dem Menschen demütig gehorchten, und gerade dieser Gehorsam musste in einer Welt der Zügellosigkeit ethisch von grosser Wirkung sein. Hier wie überall werden wir finden, dass der Einfluss des Juden -- zum Guten und zum Bösen -- in seinem Charakter, nicht in seinen geistigen Leistungen begründet liegt.2) Gewisse Historiker unseres Jahrhunderts, sogar ein geistig so bedeutender wie Graf Gobineau, haben die Ansicht vertreten, das Judentum wirke stets lediglich auflösend auf alle Völker. Ich kann diese Überzeugung nicht teilen. Zwar, wo die Juden in einem fremden Lande sich stark vermehren, da mögen sie es sich angelegen sein
1) "Luftiges Gesindel", sagt Bürger in seiner "Leonore".
2) Siehe S. 241 fg.
Chamberlain, Grundlagen des XIX. Jahrhunderts. 17
Einleitendes.
den kabbalistischen Spuk der Demiurgen und Engel und Dämonen, lauter Vorstellungen, die man im besten Falle als »luftigen Materialismus« bezeichnen könnte.1) Jenem Völkerchaos müssen wir also zunächst unsere Aufmerksamkeit schenken.
In seiner Mitte ragt, wie ein scharfgeschnittener Fels aus gestalt- losem Meere, ein einziges Volk empor, ein ganz kleines Völkchen, die Juden. Dieser eine einzige Stamm hat als Grundgesetz die Reinheit der Rasse aufgestellt; er allein besitzt daher Physiognomie und Charakter. Blickt man auf jene südlichen und östlichen Kultur- stätten des in Auflösung begriffenen Weltreiches, lässt man das prüfende Auge durch keine Sympathien und Antipathien irre- geleitet werden, so muss man sagen, als Nation verdient damals die jüdische allein Achtung. Wohl mögen wir auf dieses Volk das Wort Goethe’s anwenden: »Glaube weit, eng der Gedanke«. Im Ver- hältnis zu Rom und gar erst zu Hellas erscheint uns sein geistiger Horizont so eng, seine geistigen Fähigkeiten so beschränkt, dass wir eine durchaus andere Wesensgattung vor uns zu haben wähnen; was jedoch dem Gedanken an Weite und an schöpferischer Befähigung abgehen mag, wird durch die Gewalt des Glaubens reichlich auf- gewogen, eines Glaubens, den man zunächst sehr einfach bestimmen könnte: es ist der Glaube an sich. Und da dieser Glaube an sich den Glauben an ein höheres Wesen einschloss, so entbehrte er nicht einer ethischen Bedeutung. Wie armselig das jüdische »Gesetz« sich auch ausnehmen mag, wenn man es mit den religiösen Schöpfungen der verschiedenen indoeuropäischen Völker vergleicht, einen Vorzug besass es im damaligen verfallenen römischen Reich ganz allein: es war eben ein Gesetz; ein Gesetz, dem Menschen demütig gehorchten, und gerade dieser Gehorsam musste in einer Welt der Zügellosigkeit ethisch von grosser Wirkung sein. Hier wie überall werden wir finden, dass der Einfluss des Juden — zum Guten und zum Bösen — in seinem Charakter, nicht in seinen geistigen Leistungen begründet liegt.2) Gewisse Historiker unseres Jahrhunderts, sogar ein geistig so bedeutender wie Graf Gobineau, haben die Ansicht vertreten, das Judentum wirke stets lediglich auflösend auf alle Völker. Ich kann diese Überzeugung nicht teilen. Zwar, wo die Juden in einem fremden Lande sich stark vermehren, da mögen sie es sich angelegen sein
1) »Luftiges Gesindel«, sagt Bürger in seiner »Leonore«.
2) Siehe S. 241 fg.
Chamberlain, Grundlagen des XIX. Jahrhunderts. 17
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0280"n="257"/><fwplace="top"type="header">Einleitendes.</fw><lb/>
den kabbalistischen Spuk der Demiurgen und Engel und Dämonen,<lb/>
lauter Vorstellungen, die man im besten Falle als »luftigen Materialismus«<lb/>
bezeichnen könnte.<noteplace="foot"n="1)">»Luftiges Gesindel«, sagt Bürger in seiner »Leonore«.</note> Jenem <hirendition="#g">Völkerchaos</hi> müssen wir also zunächst<lb/>
unsere Aufmerksamkeit schenken.</p><lb/><p>In seiner Mitte ragt, wie ein scharfgeschnittener Fels aus gestalt-<lb/>
losem Meere, ein einziges Volk empor, ein ganz kleines Völkchen,<lb/>
die Juden. Dieser eine einzige Stamm hat als Grundgesetz die Reinheit<lb/>
der Rasse aufgestellt; er allein besitzt daher Physiognomie und<lb/>
Charakter. Blickt man auf jene südlichen und östlichen Kultur-<lb/>
stätten des in Auflösung begriffenen Weltreiches, lässt man das<lb/>
prüfende Auge durch keine Sympathien und Antipathien irre-<lb/>
geleitet werden, so muss man sagen, als Nation verdient damals die<lb/>
jüdische allein Achtung. Wohl mögen wir auf dieses Volk das Wort<lb/>
Goethe’s anwenden: »Glaube weit, eng der Gedanke«. Im Ver-<lb/>
hältnis zu Rom und gar erst zu Hellas erscheint uns sein geistiger<lb/>
Horizont so eng, seine geistigen Fähigkeiten so beschränkt, dass wir<lb/>
eine durchaus andere Wesensgattung vor uns zu haben wähnen; was<lb/>
jedoch dem Gedanken an Weite und an schöpferischer Befähigung<lb/>
abgehen mag, wird durch die Gewalt des Glaubens reichlich auf-<lb/>
gewogen, eines Glaubens, den man zunächst sehr einfach bestimmen<lb/>
könnte: es ist der Glaube an sich. Und da dieser Glaube an sich<lb/>
den Glauben an ein höheres Wesen einschloss, so entbehrte er nicht<lb/>
einer ethischen Bedeutung. Wie armselig das jüdische »Gesetz« sich<lb/>
auch ausnehmen mag, wenn man es mit den religiösen Schöpfungen<lb/>
der verschiedenen indoeuropäischen Völker vergleicht, einen Vorzug<lb/>
besass es im damaligen verfallenen römischen Reich ganz allein: es<lb/>
war eben ein <hirendition="#g">Gesetz;</hi> ein Gesetz, dem Menschen demütig gehorchten,<lb/>
und gerade dieser Gehorsam musste in einer Welt der Zügellosigkeit<lb/>
ethisch von grosser Wirkung sein. Hier wie überall werden wir<lb/>
finden, dass der Einfluss des Juden — zum Guten und zum Bösen —<lb/>
in seinem Charakter, nicht in seinen geistigen Leistungen begründet<lb/>
liegt.<noteplace="foot"n="2)">Siehe S. 241 fg.</note> Gewisse Historiker unseres Jahrhunderts, sogar ein geistig so<lb/>
bedeutender wie Graf Gobineau, haben die Ansicht vertreten, das<lb/>
Judentum wirke stets lediglich auflösend auf alle Völker. Ich kann<lb/>
diese Überzeugung nicht teilen. Zwar, wo die Juden in einem fremden<lb/>
Lande sich stark vermehren, da mögen sie es sich angelegen sein<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Chamberlain, Grundlagen des XIX. Jahrhunderts. 17</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[257/0280]
Einleitendes.
den kabbalistischen Spuk der Demiurgen und Engel und Dämonen,
lauter Vorstellungen, die man im besten Falle als »luftigen Materialismus«
bezeichnen könnte. 1) Jenem Völkerchaos müssen wir also zunächst
unsere Aufmerksamkeit schenken.
In seiner Mitte ragt, wie ein scharfgeschnittener Fels aus gestalt-
losem Meere, ein einziges Volk empor, ein ganz kleines Völkchen,
die Juden. Dieser eine einzige Stamm hat als Grundgesetz die Reinheit
der Rasse aufgestellt; er allein besitzt daher Physiognomie und
Charakter. Blickt man auf jene südlichen und östlichen Kultur-
stätten des in Auflösung begriffenen Weltreiches, lässt man das
prüfende Auge durch keine Sympathien und Antipathien irre-
geleitet werden, so muss man sagen, als Nation verdient damals die
jüdische allein Achtung. Wohl mögen wir auf dieses Volk das Wort
Goethe’s anwenden: »Glaube weit, eng der Gedanke«. Im Ver-
hältnis zu Rom und gar erst zu Hellas erscheint uns sein geistiger
Horizont so eng, seine geistigen Fähigkeiten so beschränkt, dass wir
eine durchaus andere Wesensgattung vor uns zu haben wähnen; was
jedoch dem Gedanken an Weite und an schöpferischer Befähigung
abgehen mag, wird durch die Gewalt des Glaubens reichlich auf-
gewogen, eines Glaubens, den man zunächst sehr einfach bestimmen
könnte: es ist der Glaube an sich. Und da dieser Glaube an sich
den Glauben an ein höheres Wesen einschloss, so entbehrte er nicht
einer ethischen Bedeutung. Wie armselig das jüdische »Gesetz« sich
auch ausnehmen mag, wenn man es mit den religiösen Schöpfungen
der verschiedenen indoeuropäischen Völker vergleicht, einen Vorzug
besass es im damaligen verfallenen römischen Reich ganz allein: es
war eben ein Gesetz; ein Gesetz, dem Menschen demütig gehorchten,
und gerade dieser Gehorsam musste in einer Welt der Zügellosigkeit
ethisch von grosser Wirkung sein. Hier wie überall werden wir
finden, dass der Einfluss des Juden — zum Guten und zum Bösen —
in seinem Charakter, nicht in seinen geistigen Leistungen begründet
liegt. 2) Gewisse Historiker unseres Jahrhunderts, sogar ein geistig so
bedeutender wie Graf Gobineau, haben die Ansicht vertreten, das
Judentum wirke stets lediglich auflösend auf alle Völker. Ich kann
diese Überzeugung nicht teilen. Zwar, wo die Juden in einem fremden
Lande sich stark vermehren, da mögen sie es sich angelegen sein
1) »Luftiges Gesindel«, sagt Bürger in seiner »Leonore«.
2) Siehe S. 241 fg.
Chamberlain, Grundlagen des XIX. Jahrhunderts. 17
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/280>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.