Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.Das Erbe der alten Welt. dieses Gesetz wiederum aus ganz praktischen Gründen, nämlich, umGottes Zorn nicht auf sich zu laden und um seine historische Zu- kunft zu sichern, befolgte, der Jude beurteilte eine Erscheinung wie die Christi rein geschichtlich, und musste mit Recht rasend werden, wenn das ihm verheissene Königreich, um dessen Erhaltung er Jahr- hunderte lang gelitten und geduldet, um dessen Besitz er sich von allen Menschen der Erde geschieden hatte und allen verhasst und ver- ächtlich geworden war, wenn dieses Königreich, wo er alle Nationen in Ketten und alle Fürsten auf den Knieen "staubleckend" vor sich zu erblicken hoffte, nun auf einmal aus einem irdischen umgewandelt werden sollte in ein Reich "nicht von dieser Welt". Jahve hatte seinem Volke oft versprochen, er werde es "nicht betrügen"; dem Juden musste das aber Betrug dünken. Nicht Einen bloss, Viele haben sie hingerichtet, weil sie für den versprochenen Messias gehalten wurden, oder sich dafür ausgaben. Und mit Recht, denn der Zukunftsglaube war eben so sehr eine Säule ihrer Volksidee wie der Vergangenheitsglaube. Und nun gar diese galiläische Irrlehre! Auf der altgeweihten Stätte des hartnäckigsten Materialismus die Fahne des Idealismus aufzupflanzen! den Gott der Rache und des Krieges in einen Gott der Liebe und des Friedens umzuzaubern! dem stürmischen Willen, der beide Hände nach allem Gold der Erde ausstreckte, zu lehren, er solle das, was er besitze, wegwerfen und im eigenen Innern den vergrabenen Schatz suchen! -- -- -- Das jüdische Synedrium hat tiefer geblickt als Pilatus (und als viele Tausende von christlichen Theologen). Mit vollem Bewusstsein nicht, gewiss nicht, aber mit jenem unfehlbaren Instinkt, den reine Rasse verleiht, ergriff es den, der die historische Grundlage des jüdischen Lebens untergrub, indem er lehrte: "Sorget nicht für den morgigen Tag", der in einem jeden seiner Worte und Thaten das Judentum in sein Gegenteil verklärte, -- und liess es ihn nicht wieder aus den Händen, bis er seine Seele aus- gehaucht hatte. Und so nur, durch den Tod, war das Schicksal er- füllt, das Beispiel gegeben. Durch Lehren konnte kein neuer Glaube gestiftet werden; an edlen weisen Sittenlehrern fehlte es damals nicht, keiner hat über die Menschen etwas vermocht; es musste ein Leben gelebt, und dieses Leben sofort als weltgeschichtliche That in die grosse bestehende Weltgeschichte eingereiht werden. Einzig eine jüdische Umgebung entsprach diesen Bedingungen. Und gerade so wie das Leben Christi nur mit Zuhilfenahme des Judentums gelebt werden konnte, trotzdem es seine Verleugnung war, ebenso entwickelte die Das Erbe der alten Welt. dieses Gesetz wiederum aus ganz praktischen Gründen, nämlich, umGottes Zorn nicht auf sich zu laden und um seine historische Zu- kunft zu sichern, befolgte, der Jude beurteilte eine Erscheinung wie die Christi rein geschichtlich, und musste mit Recht rasend werden, wenn das ihm verheissene Königreich, um dessen Erhaltung er Jahr- hunderte lang gelitten und geduldet, um dessen Besitz er sich von allen Menschen der Erde geschieden hatte und allen verhasst und ver- ächtlich geworden war, wenn dieses Königreich, wo er alle Nationen in Ketten und alle Fürsten auf den Knieen »staubleckend« vor sich zu erblicken hoffte, nun auf einmal aus einem irdischen umgewandelt werden sollte in ein Reich »nicht von dieser Welt«. Jahve hatte seinem Volke oft versprochen, er werde es »nicht betrügen«; dem Juden musste das aber Betrug dünken. Nicht Einen bloss, Viele haben sie hingerichtet, weil sie für den versprochenen Messias gehalten wurden, oder sich dafür ausgaben. Und mit Recht, denn der Zukunftsglaube war eben so sehr eine Säule ihrer Volksidee wie der Vergangenheitsglaube. Und nun gar diese galiläische Irrlehre! Auf der altgeweihten Stätte des hartnäckigsten Materialismus die Fahne des Idealismus aufzupflanzen! den Gott der Rache und des Krieges in einen Gott der Liebe und des Friedens umzuzaubern! dem stürmischen Willen, der beide Hände nach allem Gold der Erde ausstreckte, zu lehren, er solle das, was er besitze, wegwerfen und im eigenen Innern den vergrabenen Schatz suchen! — — — Das jüdische Synedrium hat tiefer geblickt als Pilatus (und als viele Tausende von christlichen Theologen). Mit vollem Bewusstsein nicht, gewiss nicht, aber mit jenem unfehlbaren Instinkt, den reine Rasse verleiht, ergriff es den, der die historische Grundlage des jüdischen Lebens untergrub, indem er lehrte: »Sorget nicht für den morgigen Tag«, der in einem jeden seiner Worte und Thaten das Judentum in sein Gegenteil verklärte, — und liess es ihn nicht wieder aus den Händen, bis er seine Seele aus- gehaucht hatte. Und so nur, durch den Tod, war das Schicksal er- füllt, das Beispiel gegeben. Durch Lehren konnte kein neuer Glaube gestiftet werden; an edlen weisen Sittenlehrern fehlte es damals nicht, keiner hat über die Menschen etwas vermocht; es musste ein Leben gelebt, und dieses Leben sofort als weltgeschichtliche That in die grosse bestehende Weltgeschichte eingereiht werden. Einzig eine jüdische Umgebung entsprach diesen Bedingungen. 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Jahve hatte<lb/> seinem Volke oft versprochen, er werde es »nicht betrügen«; dem<lb/> Juden musste das aber Betrug dünken. Nicht Einen bloss, Viele<lb/> haben sie hingerichtet, weil sie für den versprochenen Messias<lb/> gehalten wurden, oder sich dafür ausgaben. Und mit Recht, denn<lb/> der Zukunftsglaube war eben so sehr eine Säule ihrer Volksidee wie<lb/> der Vergangenheitsglaube. Und nun gar diese galiläische Irrlehre!<lb/> Auf der altgeweihten Stätte des hartnäckigsten Materialismus die Fahne<lb/> des Idealismus aufzupflanzen! den Gott der Rache und des Krieges in<lb/> einen Gott der Liebe und des Friedens umzuzaubern! dem stürmischen<lb/> Willen, der beide Hände nach allem Gold der Erde ausstreckte, zu<lb/> lehren, er solle das, was er besitze, wegwerfen und im eigenen Innern<lb/> den vergrabenen Schatz suchen! — — — Das jüdische Synedrium<lb/> hat tiefer geblickt als Pilatus (und als viele Tausende von christlichen<lb/> Theologen). 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Das Erbe der alten Welt.
dieses Gesetz wiederum aus ganz praktischen Gründen, nämlich, um
Gottes Zorn nicht auf sich zu laden und um seine historische Zu-
kunft zu sichern, befolgte, der Jude beurteilte eine Erscheinung wie
die Christi rein geschichtlich, und musste mit Recht rasend werden,
wenn das ihm verheissene Königreich, um dessen Erhaltung er Jahr-
hunderte lang gelitten und geduldet, um dessen Besitz er sich von
allen Menschen der Erde geschieden hatte und allen verhasst und ver-
ächtlich geworden war, wenn dieses Königreich, wo er alle Nationen
in Ketten und alle Fürsten auf den Knieen »staubleckend« vor sich zu
erblicken hoffte, nun auf einmal aus einem irdischen umgewandelt
werden sollte in ein Reich »nicht von dieser Welt«. Jahve hatte
seinem Volke oft versprochen, er werde es »nicht betrügen«; dem
Juden musste das aber Betrug dünken. Nicht Einen bloss, Viele
haben sie hingerichtet, weil sie für den versprochenen Messias
gehalten wurden, oder sich dafür ausgaben. Und mit Recht, denn
der Zukunftsglaube war eben so sehr eine Säule ihrer Volksidee wie
der Vergangenheitsglaube. Und nun gar diese galiläische Irrlehre!
Auf der altgeweihten Stätte des hartnäckigsten Materialismus die Fahne
des Idealismus aufzupflanzen! den Gott der Rache und des Krieges in
einen Gott der Liebe und des Friedens umzuzaubern! dem stürmischen
Willen, der beide Hände nach allem Gold der Erde ausstreckte, zu
lehren, er solle das, was er besitze, wegwerfen und im eigenen Innern
den vergrabenen Schatz suchen! — — — Das jüdische Synedrium
hat tiefer geblickt als Pilatus (und als viele Tausende von christlichen
Theologen). Mit vollem Bewusstsein nicht, gewiss nicht, aber mit
jenem unfehlbaren Instinkt, den reine Rasse verleiht, ergriff es den,
der die historische Grundlage des jüdischen Lebens untergrub, indem
er lehrte: »Sorget nicht für den morgigen Tag«, der in einem jeden
seiner Worte und Thaten das Judentum in sein Gegenteil verklärte, —
und liess es ihn nicht wieder aus den Händen, bis er seine Seele aus-
gehaucht hatte. Und so nur, durch den Tod, war das Schicksal er-
füllt, das Beispiel gegeben. Durch Lehren konnte kein neuer Glaube
gestiftet werden; an edlen weisen Sittenlehrern fehlte es damals nicht,
keiner hat über die Menschen etwas vermocht; es musste ein Leben
gelebt, und dieses Leben sofort als weltgeschichtliche That in die grosse
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Umgebung entsprach diesen Bedingungen. Und gerade so wie das
Leben Christi nur mit Zuhilfenahme des Judentums gelebt werden
konnte, trotzdem es seine Verleugnung war, ebenso entwickelte die
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