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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

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Die Erscheinung Christi.

Auf diese Frage -- war Christus ein Jude der Rasse nach? --
habe ich geglaubt mit einiger Ausführlichkeit eingehen zu müssen,
weil ich in keinem einzigen Werke die hierhergehörigen Thatsachen
klar zusammengetragen gefunden habe. Selbst in einem objektiv-
wissenschaftlichen, von keinen theologischen Absichten beeinflussten
Werke, wie das Albert Reville's,1) des bekannten Professors der ver-
gleichenden Religionsforschung am College de France, wird das Wort
Jude bisweilen für die jüdische Rasse, bisweilen für die jüdische
Religion gebraucht. Wir lesen z. B. (I, 416): "Galiläa war zum
grössten Teil von Juden bewohnt, doch gab es auch syrische,
phönicische und griechische Heiden". Hier also bedeutet Jude Einer,
der den Landesgott Judäas verehrt, gleichviel, welcher Abstammung
er sich rühmt. Auf der nächstfolgenden Seite jedoch ist von einer
"arischen Rasse" die Rede, als Gegensatz zu einer "jüdischen Nation";
hier bezeichnet folglich Jude einen bestimmten, engbegrenzten, seit
Jahrhunderten rein erhaltenen Menschenstamm. Und nun folgt die
tiefsinnige Bemerkung: "Die Frage, ob Christus arischer Herkunft sei,
ist müssig. Ein Mann gehört der Nation an, in deren Mitte er auf-
gewachsen ist." Das nannte man "Wissenschaft" im Jahre des Heils 1896!
Am Schlusse des 19. Jahrhunderts durfte ein Gelehrter noch nicht
wissen, dass die Form des Kopfes und die Struktur des Gehirns auf
die Form und Struktur der Gedanken von ganz entscheidendem Ein-
fluss sind, so dass der Einfluss der Umgebung, wenn er noch so gross
angeschlagen wird, doch durch diese Initialthatsache der physischen
Anlagen an bestimmte Fähigkeiten und Möglichkeiten gebunden, mit
anderen Worten, bestimmte Wege gewiesen wird; er durfte nicht
wissen, dass gerade die Gestalt des Schädels zu jenen Charakteren
gehört, welche mit unausrottbarer Hartnäckigkeit vererbt werden, so
dass durch kraniologische Messungen Rassen unterschieden und aus ge-
mischten noch nach Jahrhunderten die atavistisch auftretenden ursprüng-
lichen Bestandteile dem Forscher offenbart werden; er durfte glauben,
dass die sogenannte Seele ausserhalb des Körpers ihren Sitz habe, und

findet man im Sanskrit sieben verschiedene Zungenlaute, im Hebräischen nur zwei.
Wie ungeheuer schwer es ist, solche vererbte sprachliche Rassenmerkmale ganz
zu verwischen, ist uns Allen durch das Beispiel der unter uns lebenden Juden gut
bekannt; die vollkommen fehlerlose Beherrschung unserer Zungenlaute ist ihnen
ebenso unmöglich, wie uns die Meisterschaft der Kehllaute.
1) Jesus de Nazareth, etudes critiques sur les antecedents de l'histoire evangelique
et la vie de Jesus
, 2. vol. 1897.
Die Erscheinung Christi.

Auf diese Frage — war Christus ein Jude der Rasse nach? —
habe ich geglaubt mit einiger Ausführlichkeit eingehen zu müssen,
weil ich in keinem einzigen Werke die hierhergehörigen Thatsachen
klar zusammengetragen gefunden habe. Selbst in einem objektiv-
wissenschaftlichen, von keinen theologischen Absichten beeinflussten
Werke, wie das Albert Réville’s,1) des bekannten Professors der ver-
gleichenden Religionsforschung am Collège de France, wird das Wort
Jude bisweilen für die jüdische Rasse, bisweilen für die jüdische
Religion gebraucht. Wir lesen z. B. (I, 416): »Galiläa war zum
grössten Teil von Juden bewohnt, doch gab es auch syrische,
phönicische und griechische Heiden«. Hier also bedeutet Jude Einer,
der den Landesgott Judäas verehrt, gleichviel, welcher Abstammung
er sich rühmt. Auf der nächstfolgenden Seite jedoch ist von einer
»arischen Rasse« die Rede, als Gegensatz zu einer »jüdischen Nation«;
hier bezeichnet folglich Jude einen bestimmten, engbegrenzten, seit
Jahrhunderten rein erhaltenen Menschenstamm. Und nun folgt die
tiefsinnige Bemerkung: »Die Frage, ob Christus arischer Herkunft sei,
ist müssig. Ein Mann gehört der Nation an, in deren Mitte er auf-
gewachsen ist.« Das nannte man »Wissenschaft« im Jahre des Heils 1896!
Am Schlusse des 19. Jahrhunderts durfte ein Gelehrter noch nicht
wissen, dass die Form des Kopfes und die Struktur des Gehirns auf
die Form und Struktur der Gedanken von ganz entscheidendem Ein-
fluss sind, so dass der Einfluss der Umgebung, wenn er noch so gross
angeschlagen wird, doch durch diese Initialthatsache der physischen
Anlagen an bestimmte Fähigkeiten und Möglichkeiten gebunden, mit
anderen Worten, bestimmte Wege gewiesen wird; er durfte nicht
wissen, dass gerade die Gestalt des Schädels zu jenen Charakteren
gehört, welche mit unausrottbarer Hartnäckigkeit vererbt werden, so
dass durch kraniologische Messungen Rassen unterschieden und aus ge-
mischten noch nach Jahrhunderten die atavistisch auftretenden ursprüng-
lichen Bestandteile dem Forscher offenbart werden; er durfte glauben,
dass die sogenannte Seele ausserhalb des Körpers ihren Sitz habe, und

findet man im Sanskrit sieben verschiedene Zungenlaute, im Hebräischen nur zwei.
Wie ungeheuer schwer es ist, solche vererbte sprachliche Rassenmerkmale ganz
zu verwischen, ist uns Allen durch das Beispiel der unter uns lebenden Juden gut
bekannt; die vollkommen fehlerlose Beherrschung unserer Zungenlaute ist ihnen
ebenso unmöglich, wie uns die Meisterschaft der Kehllaute.
1) Jésus de Nazareth, études critiques sur les antécédents de l’histoire évangélique
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[217/0240] Die Erscheinung Christi. Auf diese Frage — war Christus ein Jude der Rasse nach? — habe ich geglaubt mit einiger Ausführlichkeit eingehen zu müssen, weil ich in keinem einzigen Werke die hierhergehörigen Thatsachen klar zusammengetragen gefunden habe. Selbst in einem objektiv- wissenschaftlichen, von keinen theologischen Absichten beeinflussten Werke, wie das Albert Réville’s, 1) des bekannten Professors der ver- gleichenden Religionsforschung am Collège de France, wird das Wort Jude bisweilen für die jüdische Rasse, bisweilen für die jüdische Religion gebraucht. Wir lesen z. B. (I, 416): »Galiläa war zum grössten Teil von Juden bewohnt, doch gab es auch syrische, phönicische und griechische Heiden«. Hier also bedeutet Jude Einer, der den Landesgott Judäas verehrt, gleichviel, welcher Abstammung er sich rühmt. Auf der nächstfolgenden Seite jedoch ist von einer »arischen Rasse« die Rede, als Gegensatz zu einer »jüdischen Nation«; hier bezeichnet folglich Jude einen bestimmten, engbegrenzten, seit Jahrhunderten rein erhaltenen Menschenstamm. Und nun folgt die tiefsinnige Bemerkung: »Die Frage, ob Christus arischer Herkunft sei, ist müssig. Ein Mann gehört der Nation an, in deren Mitte er auf- gewachsen ist.« Das nannte man »Wissenschaft« im Jahre des Heils 1896! Am Schlusse des 19. Jahrhunderts durfte ein Gelehrter noch nicht wissen, dass die Form des Kopfes und die Struktur des Gehirns auf die Form und Struktur der Gedanken von ganz entscheidendem Ein- fluss sind, so dass der Einfluss der Umgebung, wenn er noch so gross angeschlagen wird, doch durch diese Initialthatsache der physischen Anlagen an bestimmte Fähigkeiten und Möglichkeiten gebunden, mit anderen Worten, bestimmte Wege gewiesen wird; er durfte nicht wissen, dass gerade die Gestalt des Schädels zu jenen Charakteren gehört, welche mit unausrottbarer Hartnäckigkeit vererbt werden, so dass durch kraniologische Messungen Rassen unterschieden und aus ge- mischten noch nach Jahrhunderten die atavistisch auftretenden ursprüng- lichen Bestandteile dem Forscher offenbart werden; er durfte glauben, dass die sogenannte Seele ausserhalb des Körpers ihren Sitz habe, und 3) 1) Jésus de Nazareth, études critiques sur les antécédents de l’histoire évangélique et la vie de Jésus, 2. vol. 1897. 3) findet man im Sanskrit sieben verschiedene Zungenlaute, im Hebräischen nur zwei. Wie ungeheuer schwer es ist, solche vererbte sprachliche Rassenmerkmale ganz zu verwischen, ist uns Allen durch das Beispiel der unter uns lebenden Juden gut bekannt; die vollkommen fehlerlose Beherrschung unserer Zungenlaute ist ihnen ebenso unmöglich, wie uns die Meisterschaft der Kehllaute.

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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 217. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/240>, abgerufen am 28.11.2024.