aller Eigentums- und Forderungsrechte des Hausvaters (welcher allein ein Vermögensrecht besass und eine persona sui juris, d. h. eine freie, juristische Person war) -- -- -- durch alle diese Dinge und noch manche andere, wurde in Rom die Familie zu einer unerschütter- lich festen, unzersetzlichen Einheit, und diese Einheiten sind es, denen man im letzten Grunde die besondere Gestaltung des römischen Staates und des römischen Rechtes zu verdanken hat. Man begreift unschwer, wie eine so strenge Auffassung der Familie auf das gesamte Leben zurückwirken musste: auf die Moral der Männer, auf die Beschaffen- heit der Kinder, auf die Sorge, das Erworbene zu erhalten und zu vererben, auf die Vaterlandsliebe, die nicht, wie in Griechenland, künstlich geschürt zu werden brauchte, kämpfte doch der Bürger für das dauernd gesicherte Eigene, für sein heiliges Heim, für Frieden und Ordnung.
Die Ehe.
Hiermit hängt natürlich die innerliche Auffassung der Ehe und die Stellung des Weibes in der Gesellschaft zusammen: dies ist offenbar das positive Element in der Gestaltung der römischen Familie, dasjenige, welches nicht durch Gesetze bestimmt werden konnte, welches dagegen die Gesetze bestimmt hat. Schon bei den alten Ariern wurde die Ehe als "eine göttliche Einrichtung" betrachtet, und wenn die junge Frau die Schwelle des neuen Heims betrat, wurde ihr zugerufen: "Ziehe hin ins Haus des Gatten, dass du Haus- herrin heissest; als Gebieterin schalte daselbst!" 1) Gerade in diesem Punkte zweigten Hellenen und Römer, sonst so vielfach verwandt, von einander ab. Zu Homer's Zeiten sehen wir allerdings das Weih von den Griechen noch hochgeachtet, die Genossin des Mannes; die nach Kleinasien ausgewanderten Ionier nahmen jedoch fremde Frauen, "die den hellenischen Mann nicht bei seinem Namen, sondern nur ,Herr' nennen durften, -- -- diese Entartung der kleinasiatischen Ionier hat auf Athen zurückgewirkt". 2) Der Römer dagegen "be- trachtete die Frau als seine ebenbürtige Genossin, seine Lebensgefährtin, die Alles mit ihm zu teilen hat: Göttliches wie Menschliches -- -- Die Ehefrau hat aber diese Stellung in Rom, nicht weil sie Ehefrau, sondern weil sie Weib ist, d. h. wegen der Achtung, welche der Römer dem weiblichen Geschlecht als solchem zollt. In allen Be- ziehungen, wo nicht der natürliche Unterschied des Geschlechts eine
1) Zimmer: Indisches Leben, S. 313 ff.
2) Etfried Müller: Dorier, 2. Ausg. I, 78, II, 282 (nach Leist citiert).
Das Erbe der alten Welt.
aller Eigentums- und Forderungsrechte des Hausvaters (welcher allein ein Vermögensrecht besass und eine persona sui juris, d. h. eine freie, juristische Person war) — — — durch alle diese Dinge und noch manche andere, wurde in Rom die Familie zu einer unerschütter- lich festen, unzersetzlichen Einheit, und diese Einheiten sind es, denen man im letzten Grunde die besondere Gestaltung des römischen Staates und des römischen Rechtes zu verdanken hat. Man begreift unschwer, wie eine so strenge Auffassung der Familie auf das gesamte Leben zurückwirken musste: auf die Moral der Männer, auf die Beschaffen- heit der Kinder, auf die Sorge, das Erworbene zu erhalten und zu vererben, auf die Vaterlandsliebe, die nicht, wie in Griechenland, künstlich geschürt zu werden brauchte, kämpfte doch der Bürger für das dauernd gesicherte Eigene, für sein heiliges Heim, für Frieden und Ordnung.
Die Ehe.
Hiermit hängt natürlich die innerliche Auffassung der Ehe und die Stellung des Weibes in der Gesellschaft zusammen: dies ist offenbar das positive Element in der Gestaltung der römischen Familie, dasjenige, welches nicht durch Gesetze bestimmt werden konnte, welches dagegen die Gesetze bestimmt hat. Schon bei den alten Ariern wurde die Ehe als »eine göttliche Einrichtung« betrachtet, und wenn die junge Frau die Schwelle des neuen Heims betrat, wurde ihr zugerufen: »Ziehe hin ins Haus des Gatten, dass du Haus- herrin heissest; als Gebieterin schalte daselbst!« 1) Gerade in diesem Punkte zweigten Hellenen und Römer, sonst so vielfach verwandt, von einander ab. Zu Homer’s Zeiten sehen wir allerdings das Weih von den Griechen noch hochgeachtet, die Genossin des Mannes; die nach Kleinasien ausgewanderten Ionier nahmen jedoch fremde Frauen, »die den hellenischen Mann nicht bei seinem Namen, sondern nur ‚Herr‛ nennen durften, — — diese Entartung der kleinasiatischen Ionier hat auf Athen zurückgewirkt«. 2) Der Römer dagegen »be- trachtete die Frau als seine ebenbürtige Genossin, seine Lebensgefährtin, die Alles mit ihm zu teilen hat: Göttliches wie Menschliches — — Die Ehefrau hat aber diese Stellung in Rom, nicht weil sie Ehefrau, sondern weil sie Weib ist, d. h. wegen der Achtung, welche der Römer dem weiblichen Geschlecht als solchem zollt. In allen Be- ziehungen, wo nicht der natürliche Unterschied des Geschlechts eine
1) Zimmer: Indisches Leben, S. 313 ff.
2) Etfried Müller: Dorier, 2. Ausg. I, 78, II, 282 (nach Leist citiert).
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Das Erbe der alten Welt.
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noch manche andere, wurde in Rom die Familie zu einer unerschütter-
lich festen, unzersetzlichen Einheit, und diese Einheiten sind es, denen
man im letzten Grunde die besondere Gestaltung des römischen Staates
und des römischen Rechtes zu verdanken hat. Man begreift unschwer,
wie eine so strenge Auffassung der Familie auf das gesamte Leben
zurückwirken musste: auf die Moral der Männer, auf die Beschaffen-
heit der Kinder, auf die Sorge, das Erworbene zu erhalten und zu
vererben, auf die Vaterlandsliebe, die nicht, wie in Griechenland,
künstlich geschürt zu werden brauchte, kämpfte doch der Bürger für
das dauernd gesicherte Eigene, für sein heiliges Heim, für Frieden
und Ordnung.
Hiermit hängt natürlich die innerliche Auffassung der Ehe
und die Stellung des Weibes in der Gesellschaft zusammen: dies
ist offenbar das positive Element in der Gestaltung der römischen
Familie, dasjenige, welches nicht durch Gesetze bestimmt werden
konnte, welches dagegen die Gesetze bestimmt hat. Schon bei den
alten Ariern wurde die Ehe als »eine göttliche Einrichtung« betrachtet,
und wenn die junge Frau die Schwelle des neuen Heims betrat,
wurde ihr zugerufen: »Ziehe hin ins Haus des Gatten, dass du Haus-
herrin heissest; als Gebieterin schalte daselbst!« 1) Gerade in diesem
Punkte zweigten Hellenen und Römer, sonst so vielfach verwandt,
von einander ab. Zu Homer’s Zeiten sehen wir allerdings das Weih
von den Griechen noch hochgeachtet, die Genossin des Mannes; die
nach Kleinasien ausgewanderten Ionier nahmen jedoch fremde Frauen,
»die den hellenischen Mann nicht bei seinem Namen, sondern nur
‚Herr‛ nennen durften, — — diese Entartung der kleinasiatischen
Ionier hat auf Athen zurückgewirkt«. 2) Der Römer dagegen »be-
trachtete die Frau als seine ebenbürtige Genossin, seine Lebensgefährtin,
die Alles mit ihm zu teilen hat: Göttliches wie Menschliches — —
Die Ehefrau hat aber diese Stellung in Rom, nicht weil sie Ehefrau,
sondern weil sie Weib ist, d. h. wegen der Achtung, welche der
Römer dem weiblichen Geschlecht als solchem zollt. In allen Be-
ziehungen, wo nicht der natürliche Unterschied des Geschlechts eine
1) Zimmer: Indisches Leben, S. 313 ff.
2) Etfried Müller: Dorier, 2. Ausg. I, 78, II, 282 (nach Leist citiert).
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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/199>, abgerufen am 02.08.2024.
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