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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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3. Versuche zur Systematik.
der spätern Römerzeit erhob sich die Beschäftigung mit der Natur nur
äußerst vereinzelt bis zum Ernst wissenschaftlicher Forschung. Appu-
lejus
ist verloren gegangen, nur Plinius blieb erhalten.

Liest man den rühmenden Bericht von Fee über Plinius101)
oder Cuvier's Schilderung seiner Verdienste102), selbst die ihn betref-
fenden Stellen bei Spix103), so möchte man glauben, es hier mit einem
Manne zu thun zu haben, der mit genialem Blick das Gebiet des gan-
zen menschlichen Wissens umfassend überall Bahn brach, überall ord-
nete und schuf und namentlich für die Zoologie einen nachhaltigen Ab-
schluß mit seinen Arbeiten bewirkte. Unter seinen Zeitgenossen und
näheren Angehörigen (man vergleiche den Brief seines Neffen, des
jüngern Plinius, über ihn an Macer) mag es allerdings Aufsehen ge-
macht haben, wie er, ein römischer Ritter, oft in Kriegs- und Staats-
diensten verwendet, in stetem Drange öffentlicher Geschäfte, zuletzt Flot-
tencapitain, nicht bloß die Idee fassen, eine Encyklopädie des mensch-
lichen Wissens zu schreiben, sondern sie auch ausführen konnte. Wie
man aber jetzt noch sagen kann, daß ein Verlust seiner Schriften ein
unersetzlicher Verlust für die ganze menschliche Gesellschaft wäre, ist
schwer zu begreifen. Es würde dem Geschichtsfreunde Manches über
den Stand der damaligen Kenntnisse entgehen, weil bei Beurtheilung
damaliger culturhistorischer Zustände erleichterndes Detail fehlt. Han-
delt es sich aber um genaue Untersuchung über den Stand irgend einer
besondern Wissenschaft, so kann man nicht einmal behaupten, daß Pli-
nius
wirklich die Wissenschaft so dargestellt hätte, daß man sicher an-
nehmen könne, wie weit ihre Entwickelung zu seiner Zeit vorgeschritten
sei. Zu bewundern ist allerdings, wie er seine Zeit zu benutzen verstand,
wie er aus Allem für sein Vorhaben Nutzen zog, wie er so viel lesen, so
viele Notizen machen konnte. In der Dedication und dem Inhaltsverzeich-
niß seiner Naturgeschichte hat er genau angegeben, wie viel Autoren er

101) A. L. A. Fee, Eloge de Pline le Naturaliste. 2. ed. Lille, 1827.
102) Cuvier, Histoire des sciences naturelles. T. I. p. 223 flgde.
Cuvier spricht sich im Ganzen noch richtiger über Plinius aus.
103) I. Spix, Geschichte und Beurtheilung aller Systeme in der Zoologie.
Nürnberg 1811.

3. Verſuche zur Syſtematik.
der ſpätern Römerzeit erhob ſich die Beſchäftigung mit der Natur nur
äußerſt vereinzelt bis zum Ernſt wiſſenſchaftlicher Forſchung. Appu-
lejus
iſt verloren gegangen, nur Plinius blieb erhalten.

Lieſt man den rühmenden Bericht von Fée über Plinius101)
oder Cuvier's Schilderung ſeiner Verdienſte102), ſelbſt die ihn betref-
fenden Stellen bei Spix103), ſo möchte man glauben, es hier mit einem
Manne zu thun zu haben, der mit genialem Blick das Gebiet des gan-
zen menſchlichen Wiſſens umfaſſend überall Bahn brach, überall ord-
nete und ſchuf und namentlich für die Zoologie einen nachhaltigen Ab-
ſchluß mit ſeinen Arbeiten bewirkte. Unter ſeinen Zeitgenoſſen und
näheren Angehörigen (man vergleiche den Brief ſeines Neffen, des
jüngern Plinius, über ihn an Macer) mag es allerdings Aufſehen ge-
macht haben, wie er, ein römiſcher Ritter, oft in Kriegs- und Staats-
dienſten verwendet, in ſtetem Drange öffentlicher Geſchäfte, zuletzt Flot-
tencapitain, nicht bloß die Idee faſſen, eine Encyklopädie des menſch-
lichen Wiſſens zu ſchreiben, ſondern ſie auch ausführen konnte. Wie
man aber jetzt noch ſagen kann, daß ein Verluſt ſeiner Schriften ein
unerſetzlicher Verluſt für die ganze menſchliche Geſellſchaft wäre, iſt
ſchwer zu begreifen. Es würde dem Geſchichtsfreunde Manches über
den Stand der damaligen Kenntniſſe entgehen, weil bei Beurtheilung
damaliger culturhiſtoriſcher Zuſtände erleichterndes Detail fehlt. Han-
delt es ſich aber um genaue Unterſuchung über den Stand irgend einer
beſondern Wiſſenſchaft, ſo kann man nicht einmal behaupten, daß Pli-
nius
wirklich die Wiſſenſchaft ſo dargeſtellt hätte, daß man ſicher an-
nehmen könne, wie weit ihre Entwickelung zu ſeiner Zeit vorgeſchritten
ſei. Zu bewundern iſt allerdings, wie er ſeine Zeit zu benutzen verſtand,
wie er aus Allem für ſein Vorhaben Nutzen zog, wie er ſo viel leſen, ſo
viele Notizen machen konnte. In der Dedication und dem Inhaltsverzeich-
niß ſeiner Naturgeſchichte hat er genau angegeben, wie viel Autoren er

101) A. L. A. Fée, Éloge de Pline le Naturaliste. 2. éd. Lille, 1827.
102) Cuvier, Histoire des sciences naturelles. T. I. p. 223 flgde.
Cuvier ſpricht ſich im Ganzen noch richtiger über Plinius aus.
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[85/0096] 3. Verſuche zur Syſtematik. der ſpätern Römerzeit erhob ſich die Beſchäftigung mit der Natur nur äußerſt vereinzelt bis zum Ernſt wiſſenſchaftlicher Forſchung. Appu- lejus iſt verloren gegangen, nur Plinius blieb erhalten. Lieſt man den rühmenden Bericht von Fée über Plinius 101) oder Cuvier's Schilderung ſeiner Verdienſte 102), ſelbſt die ihn betref- fenden Stellen bei Spix 103), ſo möchte man glauben, es hier mit einem Manne zu thun zu haben, der mit genialem Blick das Gebiet des gan- zen menſchlichen Wiſſens umfaſſend überall Bahn brach, überall ord- nete und ſchuf und namentlich für die Zoologie einen nachhaltigen Ab- ſchluß mit ſeinen Arbeiten bewirkte. Unter ſeinen Zeitgenoſſen und näheren Angehörigen (man vergleiche den Brief ſeines Neffen, des jüngern Plinius, über ihn an Macer) mag es allerdings Aufſehen ge- macht haben, wie er, ein römiſcher Ritter, oft in Kriegs- und Staats- dienſten verwendet, in ſtetem Drange öffentlicher Geſchäfte, zuletzt Flot- tencapitain, nicht bloß die Idee faſſen, eine Encyklopädie des menſch- lichen Wiſſens zu ſchreiben, ſondern ſie auch ausführen konnte. Wie man aber jetzt noch ſagen kann, daß ein Verluſt ſeiner Schriften ein unerſetzlicher Verluſt für die ganze menſchliche Geſellſchaft wäre, iſt ſchwer zu begreifen. Es würde dem Geſchichtsfreunde Manches über den Stand der damaligen Kenntniſſe entgehen, weil bei Beurtheilung damaliger culturhiſtoriſcher Zuſtände erleichterndes Detail fehlt. Han- delt es ſich aber um genaue Unterſuchung über den Stand irgend einer beſondern Wiſſenſchaft, ſo kann man nicht einmal behaupten, daß Pli- nius wirklich die Wiſſenſchaft ſo dargeſtellt hätte, daß man ſicher an- nehmen könne, wie weit ihre Entwickelung zu ſeiner Zeit vorgeſchritten ſei. Zu bewundern iſt allerdings, wie er ſeine Zeit zu benutzen verſtand, wie er aus Allem für ſein Vorhaben Nutzen zog, wie er ſo viel leſen, ſo viele Notizen machen konnte. In der Dedication und dem Inhaltsverzeich- niß ſeiner Naturgeſchichte hat er genau angegeben, wie viel Autoren er 101) A. L. A. Fée, Éloge de Pline le Naturaliste. 2. éd. Lille, 1827. 102) Cuvier, Histoire des sciences naturelles. T. I. p. 223 flgde. Cuvier ſpricht ſich im Ganzen noch richtiger über Plinius aus. 103) I. Spix, Geſchichte und Beurtheilung aller Syſteme in der Zoologie. Nürnberg 1811.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/96>, abgerufen am 24.11.2024.