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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Zoologische Kenntnisse des Alterthums.
jetzt noch verbreitete Eintheilung aufgestellt. Mit Ausnahme der
Schlangen und Schildkröten bilden die andern Gruppen nur kleinere
Gattungen, denen Verwandtes zugestellt wird.

d) Die Walthiere. Sie werden geschildert als durch Lungen
luftathmend, lebendig gebärend, mit Milch und Zitzen, fußlos. Er
stellt sie den Fischen gegenüber; spricht er von beiden, so nennt er sie
zusammen Wasserthiere.

e) Die Fische. Sie sind eierlegend oder lebendiggebärend, ath-
men durch Kiemen, sind fußlos, haben dagegen meist (paarige)
Flossen98). Aristoteles theilte sie in Knorpel- und Grätenfische; unter
den ersteren verstand er die Selachier oder Plagiostomen, rechnete in-
deß, wie noch Linne, den Froschfisch, Lophius, zu ihnen. Unter den
Grätenfischen schilderte er mehrere kleine Gattungen, ohne jedoch auf
bestimmte Merkmalgruppen besonderes Gewicht zu legen.

Die bis jetzt aufgezählten fünf Classen oder "Gattungen" nennt
Aristoteles "blutführend". Daß damit keine Haupteintheilung des
Thierreichs geschaffen werden sollte, wurde bereits erwähnt. Die fol-
genden seiner Gattungen sind ihm "blutlos".

f) Die Weichthiere, die Cephalopoden der jetzigen Systeme.
Sie haben die Füße um den Kopf, entweder im Körper oder im Kopfe
etwas Hartes und haben einen Tintenbeutel. Nach der Form des ein-
gelagerten Skeletstückes, der Art der Füße, dem Vorhandensein zweier
längerer "Rüssel" außer den acht Füßen und flossenförmiger Anhänge
unterscheidet er die Gattungen der Sepien, Loliginen und Oktopoden.

g) Die vielfüßigen Weichschalthiere, den höheren Cru-
staceen entsprechend. Da es für die von ihm hierhergebrachten Formen
noch keinen gemeinschaftlichen Namen gab, schuf er einen und nennt sie
Malakostraka (Hist. anim. I, 6, 32). Die weiche Masse ihres Körpers

98) Aristoteles scheint doch schon die Flossen als Extremitäten, homolog den
Füßen, Flügeln u. s. w. aufgefaßt zu haben, er wendet den Ausdruck "Fuß" nur
für eine Form des Bewegungsorgans an (s. de incessu anim. cap. V. 706a,
26-32
). Er sagt von den Fischen: (de partibus VI, 13. 695b): epei d enaima
esti kata ten ousian, dia men to neustika einai pterugia ekhei, dia de to
me pezeuein ouk ekhei podas. Zu vergleichen ist auch Hist. anim. I, 5, 31.

Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums.
jetzt noch verbreitete Eintheilung aufgeſtellt. Mit Ausnahme der
Schlangen und Schildkröten bilden die andern Gruppen nur kleinere
Gattungen, denen Verwandtes zugeſtellt wird.

d) Die Walthiere. Sie werden geſchildert als durch Lungen
luftathmend, lebendig gebärend, mit Milch und Zitzen, fußlos. Er
ſtellt ſie den Fiſchen gegenüber; ſpricht er von beiden, ſo nennt er ſie
zuſammen Waſſerthiere.

e) Die Fiſche. Sie ſind eierlegend oder lebendiggebärend, ath-
men durch Kiemen, ſind fußlos, haben dagegen meiſt (paarige)
Floſſen98). Ariſtoteles theilte ſie in Knorpel- und Grätenfiſche; unter
den erſteren verſtand er die Selachier oder Plagioſtomen, rechnete in-
deß, wie noch Linné, den Froſchfiſch, Lophius, zu ihnen. Unter den
Grätenfiſchen ſchilderte er mehrere kleine Gattungen, ohne jedoch auf
beſtimmte Merkmalgruppen beſonderes Gewicht zu legen.

Die bis jetzt aufgezählten fünf Claſſen oder „Gattungen“ nennt
Ariſtoteles „blutführend“. Daß damit keine Haupteintheilung des
Thierreichs geſchaffen werden ſollte, wurde bereits erwähnt. Die fol-
genden ſeiner Gattungen ſind ihm „blutlos“.

f) Die Weichthiere, die Cephalopoden der jetzigen Syſteme.
Sie haben die Füße um den Kopf, entweder im Körper oder im Kopfe
etwas Hartes und haben einen Tintenbeutel. Nach der Form des ein-
gelagerten Skeletſtückes, der Art der Füße, dem Vorhandenſein zweier
längerer „Rüſſel“ außer den acht Füßen und floſſenförmiger Anhänge
unterſcheidet er die Gattungen der Sepien, Loliginen und Oktopoden.

g) Die vielfüßigen Weichſchalthiere, den höheren Cru-
ſtaceen entſprechend. Da es für die von ihm hierhergebrachten Formen
noch keinen gemeinſchaftlichen Namen gab, ſchuf er einen und nennt ſie
Malakoſtraka (Hist. anim. I, 6, 32). Die weiche Maſſe ihres Körpers

98) Ariſtoteles ſcheint doch ſchon die Floſſen als Extremitäten, homolog den
Füßen, Flügeln u. ſ. w. aufgefaßt zu haben, er wendet den Ausdruck „Fuß“ nur
für eine Form des Bewegungsorgans an (ſ. de incessu anim. cap. V. 706a,
26-32
). Er ſagt von den Fiſchen: (de partibus VI, 13. 695b): ἐπεὶ δ̕ ἔναιμα
ἐστι κατὰ τὴν οὐσίαν, διὰ μὲν τὸ νευστικὰ εἶναι πτερύγια ἔχει, διὰ δὲ τὸ
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[82/0093] Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums. jetzt noch verbreitete Eintheilung aufgeſtellt. Mit Ausnahme der Schlangen und Schildkröten bilden die andern Gruppen nur kleinere Gattungen, denen Verwandtes zugeſtellt wird. d) Die Walthiere. Sie werden geſchildert als durch Lungen luftathmend, lebendig gebärend, mit Milch und Zitzen, fußlos. Er ſtellt ſie den Fiſchen gegenüber; ſpricht er von beiden, ſo nennt er ſie zuſammen Waſſerthiere. e) Die Fiſche. Sie ſind eierlegend oder lebendiggebärend, ath- men durch Kiemen, ſind fußlos, haben dagegen meiſt (paarige) Floſſen 98). Ariſtoteles theilte ſie in Knorpel- und Grätenfiſche; unter den erſteren verſtand er die Selachier oder Plagioſtomen, rechnete in- deß, wie noch Linné, den Froſchfiſch, Lophius, zu ihnen. Unter den Grätenfiſchen ſchilderte er mehrere kleine Gattungen, ohne jedoch auf beſtimmte Merkmalgruppen beſonderes Gewicht zu legen. Die bis jetzt aufgezählten fünf Claſſen oder „Gattungen“ nennt Ariſtoteles „blutführend“. Daß damit keine Haupteintheilung des Thierreichs geſchaffen werden ſollte, wurde bereits erwähnt. Die fol- genden ſeiner Gattungen ſind ihm „blutlos“. f) Die Weichthiere, die Cephalopoden der jetzigen Syſteme. Sie haben die Füße um den Kopf, entweder im Körper oder im Kopfe etwas Hartes und haben einen Tintenbeutel. Nach der Form des ein- gelagerten Skeletſtückes, der Art der Füße, dem Vorhandenſein zweier längerer „Rüſſel“ außer den acht Füßen und floſſenförmiger Anhänge unterſcheidet er die Gattungen der Sepien, Loliginen und Oktopoden. g) Die vielfüßigen Weichſchalthiere, den höheren Cru- ſtaceen entſprechend. Da es für die von ihm hierhergebrachten Formen noch keinen gemeinſchaftlichen Namen gab, ſchuf er einen und nennt ſie Malakoſtraka (Hist. anim. I, 6, 32). Die weiche Maſſe ihres Körpers 98) Ariſtoteles ſcheint doch ſchon die Floſſen als Extremitäten, homolog den Füßen, Flügeln u. ſ. w. aufgefaßt zu haben, er wendet den Ausdruck „Fuß“ nur für eine Form des Bewegungsorgans an (ſ. de incessu anim. cap. V. 706a, 26-32). Er ſagt von den Fiſchen: (de partibus VI, 13. 695b): ἐπεὶ δ̕ ἔναιμα ἐστι κατὰ τὴν οὐσίαν, διὰ μὲν τὸ νευστικὰ εἶναι πτερύγια ἔχει, διὰ δὲ τὸ μὴ πεζεύειν οὐκ ἔχει πόδας. Zu vergleichen iſt auch Hist. anim. I, 5, 31.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/93>, abgerufen am 24.11.2024.