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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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3. Versuche zur Systematik.
bezeichnen. Er nennt diese Abtheilungen, welche sich nach solchen Ge-
sichtspunkten ergeben, nie Gattungen, höchstens im Sinne einer rein
formalen Co- oder Subordination (wie oben erörtert wurde) und ver-
wechselt niemals Ausdrücke, wie Fisch und Vogel mit Wasserthier oder
Flugthier96). Mit Recht hat bereits Cuvier hervorgehoben, daß in
der Thiergeschichte des Aristoteles keine Darstellung des Systems gege-
ben werden sollte, sondern eine Schilderung des Baues und der Ver-
richtungen der Thiere. Hier konnten also neben den systematischen Na-
men einzelner Gruppen Ausdrücke nicht entbehrt werden, welche die,
der Eintheilung selbst gegenüber mehr zufällige Uebereinstimmung meh-
rerer solcher Gruppen in gewissen Merkmalen bezeichnen sollten.

Eines ferneren Einwandes gegen die Wissenschaftlichkeit des Ari-
stotelischen Systems ist noch zu gedenken, der Misdeutungen nämlich,
welchen gewissermaßen die speciellen Anwendungen des eben geschilderten
Verfahrens ausgesetzt gewesen sind. Man hört gar nicht selten behaup-
ten, Aristoteles habe die Walthiere zu den Fischen, die Fledermäuse zu
den Vögeln gestellt u. a. dergl. Es läßt sich aber auch hier mit Sicher-
heit aus dem über diese Gruppen Gesagten nachweisen, daß Aristoteles
nicht bloß genau gewußt hat, was die Walthiere von den Fischen, die
Fledermäuse von den Vögeln trennt und was sie mit beiden gemeinsam
haben, sondern daß er auch über ihre systematische Stellung nicht im
Unklaren war. Die Fledermaus ist ihm geradezu ein Säugethier, wel-
ches auch in seiner Hauptdefinition der letztern, als lebendiggebärende
Vierfüßer, sich vollständig der Gruppe anschließt. Da dieses Merkmal
den Walthieren fehlt, werden sie von Aristoteles, nicht etwa zu den
Fischen, sondern als besondere selbständige "Gattung" neben die eigent-
lichen (vierfüßigen) Säugethiere hingestellt.

Nach den von Aristoteles hervorgehobenen Grundsätzen, besonders

96) So sagt er von der Fledermaus, sie habe gewisse Merkmale gemeinsam
mit andern "Flugthieren", aber nicht mit "Vögeln". Die in letzterer Bezeichnung
liegende Verwechselung war sicher volksthümlich. Antigonus Carystius führt von
der Fledermaus an, sie habe allein unter den Vögeln (monon ton orneon) Zähne.
So braucht ferner Plinius (IX, 28, 44) den Ausdruck piscis als gleichbedeutend mit
Wasserthier, wogegen Aristoteles niemals ikhthus mit enudron verwechselt.

3. Verſuche zur Syſtematik.
bezeichnen. Er nennt dieſe Abtheilungen, welche ſich nach ſolchen Ge-
ſichtspunkten ergeben, nie Gattungen, höchſtens im Sinne einer rein
formalen Co- oder Subordination (wie oben erörtert wurde) und ver-
wechſelt niemals Ausdrücke, wie Fiſch und Vogel mit Waſſerthier oder
Flugthier96). Mit Recht hat bereits Cuvier hervorgehoben, daß in
der Thiergeſchichte des Ariſtoteles keine Darſtellung des Syſtems gege-
ben werden ſollte, ſondern eine Schilderung des Baues und der Ver-
richtungen der Thiere. Hier konnten alſo neben den ſyſtematiſchen Na-
men einzelner Gruppen Ausdrücke nicht entbehrt werden, welche die,
der Eintheilung ſelbſt gegenüber mehr zufällige Uebereinſtimmung meh-
rerer ſolcher Gruppen in gewiſſen Merkmalen bezeichnen ſollten.

Eines ferneren Einwandes gegen die Wiſſenſchaftlichkeit des Ari-
ſtoteliſchen Syſtems iſt noch zu gedenken, der Misdeutungen nämlich,
welchen gewiſſermaßen die ſpeciellen Anwendungen des eben geſchilderten
Verfahrens ausgeſetzt geweſen ſind. Man hört gar nicht ſelten behaup-
ten, Ariſtoteles habe die Walthiere zu den Fiſchen, die Fledermäuſe zu
den Vögeln geſtellt u. a. dergl. Es läßt ſich aber auch hier mit Sicher-
heit aus dem über dieſe Gruppen Geſagten nachweiſen, daß Ariſtoteles
nicht bloß genau gewußt hat, was die Walthiere von den Fiſchen, die
Fledermäuſe von den Vögeln trennt und was ſie mit beiden gemeinſam
haben, ſondern daß er auch über ihre ſyſtematiſche Stellung nicht im
Unklaren war. Die Fledermaus iſt ihm geradezu ein Säugethier, wel-
ches auch in ſeiner Hauptdefinition der letztern, als lebendiggebärende
Vierfüßer, ſich vollſtändig der Gruppe anſchließt. Da dieſes Merkmal
den Walthieren fehlt, werden ſie von Ariſtoteles, nicht etwa zu den
Fiſchen, ſondern als beſondere ſelbſtändige „Gattung“ neben die eigent-
lichen (vierfüßigen) Säugethiere hingeſtellt.

Nach den von Ariſtoteles hervorgehobenen Grundſätzen, beſonders

96) So ſagt er von der Fledermaus, ſie habe gewiſſe Merkmale gemeinſam
mit andern „Flugthieren“, aber nicht mit „Vögeln“. Die in letzterer Bezeichnung
liegende Verwechſelung war ſicher volksthümlich. Antigonus Caryſtius führt von
der Fledermaus an, ſie habe allein unter den Vögeln (μόνον τῶν ὀρνέων) Zähne.
So braucht ferner Plinius (IX, 28, 44) den Ausdruck piscis als gleichbedeutend mit
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[79/0090] 3. Verſuche zur Syſtematik. bezeichnen. Er nennt dieſe Abtheilungen, welche ſich nach ſolchen Ge- ſichtspunkten ergeben, nie Gattungen, höchſtens im Sinne einer rein formalen Co- oder Subordination (wie oben erörtert wurde) und ver- wechſelt niemals Ausdrücke, wie Fiſch und Vogel mit Waſſerthier oder Flugthier 96). Mit Recht hat bereits Cuvier hervorgehoben, daß in der Thiergeſchichte des Ariſtoteles keine Darſtellung des Syſtems gege- ben werden ſollte, ſondern eine Schilderung des Baues und der Ver- richtungen der Thiere. Hier konnten alſo neben den ſyſtematiſchen Na- men einzelner Gruppen Ausdrücke nicht entbehrt werden, welche die, der Eintheilung ſelbſt gegenüber mehr zufällige Uebereinſtimmung meh- rerer ſolcher Gruppen in gewiſſen Merkmalen bezeichnen ſollten. Eines ferneren Einwandes gegen die Wiſſenſchaftlichkeit des Ari- ſtoteliſchen Syſtems iſt noch zu gedenken, der Misdeutungen nämlich, welchen gewiſſermaßen die ſpeciellen Anwendungen des eben geſchilderten Verfahrens ausgeſetzt geweſen ſind. Man hört gar nicht ſelten behaup- ten, Ariſtoteles habe die Walthiere zu den Fiſchen, die Fledermäuſe zu den Vögeln geſtellt u. a. dergl. Es läßt ſich aber auch hier mit Sicher- heit aus dem über dieſe Gruppen Geſagten nachweiſen, daß Ariſtoteles nicht bloß genau gewußt hat, was die Walthiere von den Fiſchen, die Fledermäuſe von den Vögeln trennt und was ſie mit beiden gemeinſam haben, ſondern daß er auch über ihre ſyſtematiſche Stellung nicht im Unklaren war. Die Fledermaus iſt ihm geradezu ein Säugethier, wel- ches auch in ſeiner Hauptdefinition der letztern, als lebendiggebärende Vierfüßer, ſich vollſtändig der Gruppe anſchließt. Da dieſes Merkmal den Walthieren fehlt, werden ſie von Ariſtoteles, nicht etwa zu den Fiſchen, ſondern als beſondere ſelbſtändige „Gattung“ neben die eigent- lichen (vierfüßigen) Säugethiere hingeſtellt. Nach den von Ariſtoteles hervorgehobenen Grundſätzen, beſonders 96) So ſagt er von der Fledermaus, ſie habe gewiſſe Merkmale gemeinſam mit andern „Flugthieren“, aber nicht mit „Vögeln“. Die in letzterer Bezeichnung liegende Verwechſelung war ſicher volksthümlich. Antigonus Caryſtius führt von der Fledermaus an, ſie habe allein unter den Vögeln (μόνον τῶν ὀρνέων) Zähne. So braucht ferner Plinius (IX, 28, 44) den Ausdruck piscis als gleichbedeutend mit Waſſerthier, wogegen Ariſtoteles niemals ἰχθύς mit ἔνυδρον verwechſelt.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/90>, abgerufen am 24.11.2024.