Familie, Ordnung, Classe, ja nicht einmal Art und Gattung, -- die- sem Allen ist es wohl zuzuschreiben, daß die Urtheile über das System des Aristoteles, ob überhaupt eins und welches er denn aufgestellt habe, so außerordentlich auseinandergehen.
Es würde eine unnütze Wiederholung sein, wenn die Stellen aus den zoologischen Schriften des Aristoteles noch einmal hier neben ein- ander abgedruckt werden sollten, aus welchen hervorgeht, daß derselbe nicht bloß die Fehler einer dichotomischen Eintheilung und des Benutzens einzelner Merkmale ausdrücklich als solche bezeichnete und vor denselben warnte, sondern daß er in der That ein natürliches System zu Grunde legte, welches in den Hauptzügen als Ausgangspunkt der jetzigen na- türlichen Systeme anzusehen ist. J. B. Meyer hat diesen Gegenstand in einer so erschöpfenden Art behandelt95), daß nur auf seine Dar- stellung verwiesen zu werden braucht. Es ist indeß nicht ohne Interesse für die spätern Untersuchungen, hier in Kürze die Hauptzüge des Ari- stotelischen Systems zu schildern.
Zunächst ist mit Rücksicht auf häufig dem Aristoteles gemachte Vorwürfe hervorzuheben, daß er solche Ausdrücke wie Blutthiere und Blutlose, Landthiere und Wasserthiere, Lebendiggebärende und Eier- legende u. s. f. nicht als Bezeichnungen für seine großen "Gattungen", d. i. seine größten systematischen Abtheilungen anwendet, sondern sie nur als Unterschiede auffaßt, wie sie als wesentliche oder unwesentlichere Merkmale zur näheren Charakterisirung jener "Gattungen" benutzt werden können. Bereits Meyer hat überzeugend nachgewiesen, daß die so häufig (ohne selbständige Prüfung) wiederholte Angabe, Aristo- teles habe das Thierreich in Blutthiere und Blutlose eingetheilt, ent- sprechend der spätern Eintheilung in Wirbelthiere und Wirbellose, ent- schieden unrichtig ist. Mit demselben Rechte könnte man behaupten, er habe die Thiere in Flugthiere, Landthiere, Wasserthiere u. s. w. ein- getheilt. Derartige Bezeichnungen braucht er indeß nur, um die in ge- wissen Eigenthümlichkeiten übereinstimmenden Gattungen gemeinsam zu
95)J. B. Meyer's wiederholt angeführtes Werk enthält im ersten Theile auch eine Geschichte der Ansichten über Aristotelische Systematik.
Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums.
Familie, Ordnung, Claſſe, ja nicht einmal Art und Gattung, — die- ſem Allen iſt es wohl zuzuſchreiben, daß die Urtheile über das Syſtem des Ariſtoteles, ob überhaupt eins und welches er denn aufgeſtellt habe, ſo außerordentlich auseinandergehen.
Es würde eine unnütze Wiederholung ſein, wenn die Stellen aus den zoologiſchen Schriften des Ariſtoteles noch einmal hier neben ein- ander abgedruckt werden ſollten, aus welchen hervorgeht, daß derſelbe nicht bloß die Fehler einer dichotomiſchen Eintheilung und des Benutzens einzelner Merkmale ausdrücklich als ſolche bezeichnete und vor denſelben warnte, ſondern daß er in der That ein natürliches Syſtem zu Grunde legte, welches in den Hauptzügen als Ausgangspunkt der jetzigen na- türlichen Syſteme anzuſehen iſt. J. B. Meyer hat dieſen Gegenſtand in einer ſo erſchöpfenden Art behandelt95), daß nur auf ſeine Dar- ſtellung verwieſen zu werden braucht. Es iſt indeß nicht ohne Intereſſe für die ſpätern Unterſuchungen, hier in Kürze die Hauptzüge des Ari- ſtoteliſchen Syſtems zu ſchildern.
Zunächſt iſt mit Rückſicht auf häufig dem Ariſtoteles gemachte Vorwürfe hervorzuheben, daß er ſolche Ausdrücke wie Blutthiere und Blutloſe, Landthiere und Waſſerthiere, Lebendiggebärende und Eier- legende u. ſ. f. nicht als Bezeichnungen für ſeine großen „Gattungen“, d. i. ſeine größten ſyſtematiſchen Abtheilungen anwendet, ſondern ſie nur als Unterſchiede auffaßt, wie ſie als weſentliche oder unweſentlichere Merkmale zur näheren Charakteriſirung jener „Gattungen“ benutzt werden können. Bereits Meyer hat überzeugend nachgewieſen, daß die ſo häufig (ohne ſelbſtändige Prüfung) wiederholte Angabe, Ariſto- teles habe das Thierreich in Blutthiere und Blutloſe eingetheilt, ent- ſprechend der ſpätern Eintheilung in Wirbelthiere und Wirbelloſe, ent- ſchieden unrichtig iſt. Mit demſelben Rechte könnte man behaupten, er habe die Thiere in Flugthiere, Landthiere, Waſſerthiere u. ſ. w. ein- getheilt. Derartige Bezeichnungen braucht er indeß nur, um die in ge- wiſſen Eigenthümlichkeiten übereinſtimmenden Gattungen gemeinſam zu
95)J. B. Meyer's wiederholt angeführtes Werk enthält im erſten Theile auch eine Geſchichte der Anſichten über Ariſtoteliſche Syſtematik.
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Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums.
Familie, Ordnung, Claſſe, ja nicht einmal Art und Gattung, — die-
ſem Allen iſt es wohl zuzuſchreiben, daß die Urtheile über das Syſtem
des Ariſtoteles, ob überhaupt eins und welches er denn aufgeſtellt
habe, ſo außerordentlich auseinandergehen.
Es würde eine unnütze Wiederholung ſein, wenn die Stellen aus
den zoologiſchen Schriften des Ariſtoteles noch einmal hier neben ein-
ander abgedruckt werden ſollten, aus welchen hervorgeht, daß derſelbe
nicht bloß die Fehler einer dichotomiſchen Eintheilung und des Benutzens
einzelner Merkmale ausdrücklich als ſolche bezeichnete und vor denſelben
warnte, ſondern daß er in der That ein natürliches Syſtem zu Grunde
legte, welches in den Hauptzügen als Ausgangspunkt der jetzigen na-
türlichen Syſteme anzuſehen iſt. J. B. Meyer hat dieſen Gegenſtand
in einer ſo erſchöpfenden Art behandelt 95), daß nur
auf ſeine Dar-
ſtellung verwieſen zu werden braucht. Es iſt indeß nicht ohne Intereſſe
für die ſpätern Unterſuchungen, hier in Kürze die Hauptzüge des Ari-
ſtoteliſchen Syſtems zu ſchildern.
Zunächſt iſt mit Rückſicht auf häufig dem Ariſtoteles gemachte
Vorwürfe hervorzuheben, daß er ſolche Ausdrücke wie Blutthiere und
Blutloſe, Landthiere und Waſſerthiere, Lebendiggebärende und Eier-
legende u. ſ. f. nicht als Bezeichnungen für ſeine großen
„Gattungen“,
d. i. ſeine größten ſyſtematiſchen Abtheilungen anwendet, ſondern ſie
nur als Unterſchiede auffaßt, wie ſie als weſentliche oder unweſentlichere
Merkmale zur näheren Charakteriſirung jener „Gattungen“ benutzt
werden können. Bereits Meyer hat überzeugend nachgewieſen, daß
die ſo häufig (ohne ſelbſtändige Prüfung) wiederholte Angabe, Ariſto-
teles habe das Thierreich in Blutthiere und Blutloſe eingetheilt, ent-
ſprechend der ſpätern Eintheilung in Wirbelthiere und Wirbelloſe, ent-
ſchieden unrichtig iſt. Mit demſelben Rechte könnte man behaupten,
er habe die Thiere in Flugthiere, Landthiere, Waſſerthiere u. ſ. w. ein-
getheilt. Derartige Bezeichnungen braucht er indeß nur, um die in ge-
wiſſen Eigenthümlichkeiten übereinſtimmenden Gattungen gemeinſam zu
95) J. B. Meyer's
wiederholt angeführtes Werk enthält im erſten Theile
auch eine Geſchichte der Anſichten über Ariſtoteliſche Syſtematik.
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/89>, abgerufen am 27.11.2024.
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