Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

Bild:
<< vorherige Seite

Zoologische Kenntnisse des Alterthums.
achtung, vielmehr vorzüglich einer großen Belesenheit entspringen, noch
methodisch weiter verwendet werden.

3. Versuche zur Systematik.

Es wurde schon früher darauf hingewiesen, wie in dem natürlichen
Hergang der volksthümlichen Namengebung allmählich Ausdrücke ent-
standen, welche kleinere oder größere Gruppen von Thieren bezeichne-
ten. War nun auch die Anzahl der den Alten bekannt gewordenen
Thiere nicht so groß, daß sie allein hätte dazu drängen können, auf
irgend welche künstliche Weise Ordnung in die Anschauungen zu brin-
gen, so trat doch einmal mit den Anregungen einer immer schärfer
beobachtenden und unterscheidenden Naturbetrachtung das Bedürfniß
hervor, das mehreren Thieren Gemeinsame zur Scheidung dieser von
andern zu benutzen. Aber selbst abgesehen von dieser im Gegenstand
liegenden Nöthigung zu einer Aufstellung bestimmter Gruppen, welche
dann wieder in der Sprache eine größere Leichtigkeit und freiere Bewe-
gung gestatteten, lag schon in der formalen Richtung der Philosophie
ein Beweggrund, die Gegenstände, welche den realen Inhalt der ein-
zelnen Gebiete ausmachten, zu definiren und zu classificiren.

Es macht sich der Unterschied zwischen der Systematik der Alten,
auch des Aristoteles, und der der Jetztzeit zunächst darin geltend, daß
die letztere nicht sowohl ein fein logisch gegliedertes Gebäude, sondern
die Form ist, in welcher die Kenntniß der Thiere, welche so unendlich
an Zahl zugenommen haben, am übersichtlichsten geordnet und am be-
quemsten dargestellt werden kann, mit andern Worten, daß das Sy-
stem gewissermaßen den Gesammtausdruck von dem darstellt, was man
von den Thieren weiß; während die Systematik der Naturforscher des
Alterthums mehr oder weniger nichts anderes ist, als ein besonderer
Theil einer angewandten Logik. Nur im Anschluß hieran ist es zu deu-
ten, wenn Aristoteles z. B. sich über gewisse Principien der Einthei-
lung kritisch äußert. Es sollte damit nicht sowohl auf die besondern
Eigenthümlichkeiten der einzutheilenden Gegenstände hingewiesen wer-
den (wie man es jetzt vielleicht thun würde), sondern auf die logische
Berechtigung zu einer bestimmten Eintheilungsart.


Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums.
achtung, vielmehr vorzüglich einer großen Beleſenheit entſpringen, noch
methodiſch weiter verwendet werden.

3. Verſuche zur Syſtematik.

Es wurde ſchon früher darauf hingewieſen, wie in dem natürlichen
Hergang der volksthümlichen Namengebung allmählich Ausdrücke ent-
ſtanden, welche kleinere oder größere Gruppen von Thieren bezeichne-
ten. War nun auch die Anzahl der den Alten bekannt gewordenen
Thiere nicht ſo groß, daß ſie allein hätte dazu drängen können, auf
irgend welche künſtliche Weiſe Ordnung in die Anſchauungen zu brin-
gen, ſo trat doch einmal mit den Anregungen einer immer ſchärfer
beobachtenden und unterſcheidenden Naturbetrachtung das Bedürfniß
hervor, das mehreren Thieren Gemeinſame zur Scheidung dieſer von
andern zu benutzen. Aber ſelbſt abgeſehen von dieſer im Gegenſtand
liegenden Nöthigung zu einer Aufſtellung beſtimmter Gruppen, welche
dann wieder in der Sprache eine größere Leichtigkeit und freiere Bewe-
gung geſtatteten, lag ſchon in der formalen Richtung der Philoſophie
ein Beweggrund, die Gegenſtände, welche den realen Inhalt der ein-
zelnen Gebiete ausmachten, zu definiren und zu claſſificiren.

Es macht ſich der Unterſchied zwiſchen der Syſtematik der Alten,
auch des Ariſtoteles, und der der Jetztzeit zunächſt darin geltend, daß
die letztere nicht ſowohl ein fein logiſch gegliedertes Gebäude, ſondern
die Form iſt, in welcher die Kenntniß der Thiere, welche ſo unendlich
an Zahl zugenommen haben, am überſichtlichſten geordnet und am be-
quemſten dargeſtellt werden kann, mit andern Worten, daß das Sy-
ſtem gewiſſermaßen den Geſammtausdruck von dem darſtellt, was man
von den Thieren weiß; während die Syſtematik der Naturforſcher des
Alterthums mehr oder weniger nichts anderes iſt, als ein beſonderer
Theil einer angewandten Logik. Nur im Anſchluß hieran iſt es zu deu-
ten, wenn Ariſtoteles z. B. ſich über gewiſſe Principien der Einthei-
lung kritiſch äußert. Es ſollte damit nicht ſowohl auf die beſondern
Eigenthümlichkeiten der einzutheilenden Gegenſtände hingewieſen wer-
den (wie man es jetzt vielleicht thun würde), ſondern auf die logiſche
Berechtigung zu einer beſtimmten Eintheilungsart.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0087" n="76"/><fw place="top" type="header">Zoologi&#x017F;che Kenntni&#x017F;&#x017F;e des Alterthums.</fw><lb/>
achtung, vielmehr vorzüglich einer großen Bele&#x017F;enheit ent&#x017F;pringen, noch<lb/>
methodi&#x017F;ch weiter verwendet werden.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">3. Ver&#x017F;uche zur Sy&#x017F;tematik.</hi> </head><lb/>
            <p>Es wurde &#x017F;chon früher darauf hingewie&#x017F;en, wie in dem natürlichen<lb/>
Hergang der volksthümlichen Namengebung allmählich Ausdrücke ent-<lb/>
&#x017F;tanden, welche kleinere oder größere Gruppen von Thieren bezeichne-<lb/>
ten. War nun auch die Anzahl der den Alten bekannt gewordenen<lb/>
Thiere nicht &#x017F;o groß, daß &#x017F;ie allein hätte dazu drängen können, auf<lb/>
irgend welche kün&#x017F;tliche Wei&#x017F;e Ordnung in die An&#x017F;chauungen zu brin-<lb/>
gen, &#x017F;o trat doch einmal mit den Anregungen einer immer &#x017F;chärfer<lb/>
beobachtenden und unter&#x017F;cheidenden Naturbetrachtung das Bedürfniß<lb/>
hervor, das mehreren Thieren Gemein&#x017F;ame zur Scheidung die&#x017F;er von<lb/>
andern zu benutzen. Aber &#x017F;elb&#x017F;t abge&#x017F;ehen von die&#x017F;er im Gegen&#x017F;tand<lb/>
liegenden Nöthigung zu einer Auf&#x017F;tellung be&#x017F;timmter Gruppen, welche<lb/>
dann wieder in der Sprache eine größere Leichtigkeit und freiere Bewe-<lb/>
gung ge&#x017F;tatteten, lag &#x017F;chon in der formalen Richtung der Philo&#x017F;ophie<lb/>
ein Beweggrund, die Gegen&#x017F;tände, welche den realen Inhalt der ein-<lb/>
zelnen Gebiete ausmachten, zu definiren und zu cla&#x017F;&#x017F;ificiren.</p><lb/>
            <p>Es macht &#x017F;ich der Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen der Sy&#x017F;tematik der Alten,<lb/>
auch des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ari&#x017F;toteles</persName>, und der der Jetztzeit zunäch&#x017F;t darin geltend, daß<lb/>
die letztere nicht &#x017F;owohl ein fein logi&#x017F;ch gegliedertes Gebäude, &#x017F;ondern<lb/>
die Form i&#x017F;t, in welcher die Kenntniß der Thiere, welche &#x017F;o unendlich<lb/>
an Zahl zugenommen haben, am über&#x017F;ichtlich&#x017F;ten geordnet und am be-<lb/>
quem&#x017F;ten darge&#x017F;tellt werden kann, mit andern Worten, daß das Sy-<lb/>
&#x017F;tem gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen den Ge&#x017F;ammtausdruck von dem dar&#x017F;tellt, was man<lb/>
von den Thieren weiß; während die Sy&#x017F;tematik der Naturfor&#x017F;cher des<lb/>
Alterthums mehr oder weniger nichts anderes i&#x017F;t, als ein be&#x017F;onderer<lb/>
Theil einer angewandten Logik. Nur im An&#x017F;chluß hieran i&#x017F;t es zu deu-<lb/>
ten, wenn <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ari&#x017F;toteles</persName> z. B. &#x017F;ich über gewi&#x017F;&#x017F;e Principien der Einthei-<lb/>
lung kriti&#x017F;ch äußert. Es &#x017F;ollte damit nicht &#x017F;owohl auf die be&#x017F;ondern<lb/>
Eigenthümlichkeiten der einzutheilenden Gegen&#x017F;tände hingewie&#x017F;en wer-<lb/>
den (wie man es jetzt vielleicht thun würde), &#x017F;ondern auf die logi&#x017F;che<lb/>
Berechtigung zu einer be&#x017F;timmten Eintheilungsart.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0087] Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums. achtung, vielmehr vorzüglich einer großen Beleſenheit entſpringen, noch methodiſch weiter verwendet werden. 3. Verſuche zur Syſtematik. Es wurde ſchon früher darauf hingewieſen, wie in dem natürlichen Hergang der volksthümlichen Namengebung allmählich Ausdrücke ent- ſtanden, welche kleinere oder größere Gruppen von Thieren bezeichne- ten. War nun auch die Anzahl der den Alten bekannt gewordenen Thiere nicht ſo groß, daß ſie allein hätte dazu drängen können, auf irgend welche künſtliche Weiſe Ordnung in die Anſchauungen zu brin- gen, ſo trat doch einmal mit den Anregungen einer immer ſchärfer beobachtenden und unterſcheidenden Naturbetrachtung das Bedürfniß hervor, das mehreren Thieren Gemeinſame zur Scheidung dieſer von andern zu benutzen. Aber ſelbſt abgeſehen von dieſer im Gegenſtand liegenden Nöthigung zu einer Aufſtellung beſtimmter Gruppen, welche dann wieder in der Sprache eine größere Leichtigkeit und freiere Bewe- gung geſtatteten, lag ſchon in der formalen Richtung der Philoſophie ein Beweggrund, die Gegenſtände, welche den realen Inhalt der ein- zelnen Gebiete ausmachten, zu definiren und zu claſſificiren. Es macht ſich der Unterſchied zwiſchen der Syſtematik der Alten, auch des Ariſtoteles, und der der Jetztzeit zunächſt darin geltend, daß die letztere nicht ſowohl ein fein logiſch gegliedertes Gebäude, ſondern die Form iſt, in welcher die Kenntniß der Thiere, welche ſo unendlich an Zahl zugenommen haben, am überſichtlichſten geordnet und am be- quemſten dargeſtellt werden kann, mit andern Worten, daß das Sy- ſtem gewiſſermaßen den Geſammtausdruck von dem darſtellt, was man von den Thieren weiß; während die Syſtematik der Naturforſcher des Alterthums mehr oder weniger nichts anderes iſt, als ein beſonderer Theil einer angewandten Logik. Nur im Anſchluß hieran iſt es zu deu- ten, wenn Ariſtoteles z. B. ſich über gewiſſe Principien der Einthei- lung kritiſch äußert. Es ſollte damit nicht ſowohl auf die beſondern Eigenthümlichkeiten der einzutheilenden Gegenſtände hingewieſen wer- den (wie man es jetzt vielleicht thun würde), ſondern auf die logiſche Berechtigung zu einer beſtimmten Eintheilungsart.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/87
Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/87>, abgerufen am 24.11.2024.