Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.2. Kenntniß des thierischen Baues. seiner Rückkehr nach Athen fortgesetzt hat, zu einer Zeit also, wo Alex-ander noch nicht über Klein-Asien hinaus gekommen war. Und während des späteren Verlaufs des asiatischen Heerzuges kühlte sich das Ver- hältniß zwischen Aristoteles und Alexander bekanntlich ziemlich bald ab. Schon hiernach ist es kaum glaublich, daß Aristoteles planmäßig aus Asien viel Neues erhalten habe. Es wird nun noch eine andere Mei- nung angeführt, wonach Aristoteles anfangs den Alexander begleitet haben und erst 331 v. Chr. aus Aegypten "mit einem reichen Material zu seiner Thiergeschichte" nach Athen zurückgekommen sein soll84). Ab- gesehen aber davon, daß sich hierfür keine sichern historischen Angaben beibringen lassen, sprechen auch innere Gründe gegen die Wahrschein- lichkeit dieses Aufenthaltes, von welchem sofort zu reden sein wird. In Bezug auf die zweite jener Erzählungen wird allerdings an einer großen, wahrhaft königlichen Liberalität sowohl seitens des mit Aristo- teles befreundeten Philippus als Alexander's gegen Aristoteles nicht zu zweifeln sein. Aber einmal ist jene Summe entschieden zu hoch. Die Angabe des allgemein für zuverlässig gehaltenen Aristobulos (bei Plu- tarch), daß nach Beendigung der Rüstungen zum asiatischen Feldzug noch siebzig Talente im makedonischen Staatsschatz vorhanden gewesen seien, ist sicher nicht ganz zu vernachlässigen. Dann aber erscheint, selbst wenn man das überhaupt dem Aristoteles Gewährte um nur we- niges verkleinert, der Theil, welcher davon auf seine zoologischen Un- tersuchungen verwendet werden konnte, immer klein gegenüber den Ausgaben, welche seine andern Studien, besonders aber die Herbei- schaffung der damals so kostbaren Bücher in Anspruch nahmen85). Und daß er deren viele besaß, beweisen außer seiner Belesenheit alte Zeugnisse. 84) Fabricius, Bibliotheca graeca, Vol. III. p. 204, Anm. y, und Schöll, Geschichte der griech. Literatur, 2. Bd. S. 156; letzterer nennt im fran- zösischen Original (III, p. 258) diese Meinung sogar "plus vraisemblable", auf welche Angaben gestützt, hat er nicht angeführt. 85) Aristoteles soll die Schriften des Speusippus für drei Talente, Platon die des Philolaus für 100 Minen oder auch für drei Talente gekauft haben. s. Stahr, Aristotelia. 1. Bd. S. 116, 2. Bd. S. 289. 5*
2. Kenntniß des thieriſchen Baues. ſeiner Rückkehr nach Athen fortgeſetzt hat, zu einer Zeit alſo, wo Alex-ander noch nicht über Klein-Aſien hinaus gekommen war. Und während des ſpäteren Verlaufs des aſiatiſchen Heerzuges kühlte ſich das Ver- hältniß zwiſchen Ariſtoteles und Alexander bekanntlich ziemlich bald ab. Schon hiernach iſt es kaum glaublich, daß Ariſtoteles planmäßig aus Aſien viel Neues erhalten habe. Es wird nun noch eine andere Mei- nung angeführt, wonach Ariſtoteles anfangs den Alexander begleitet haben und erſt 331 v. Chr. aus Aegypten „mit einem reichen Material zu ſeiner Thiergeſchichte“ nach Athen zurückgekommen ſein ſoll84). Ab- geſehen aber davon, daß ſich hierfür keine ſichern hiſtoriſchen Angaben beibringen laſſen, ſprechen auch innere Gründe gegen die Wahrſchein- lichkeit dieſes Aufenthaltes, von welchem ſofort zu reden ſein wird. In Bezug auf die zweite jener Erzählungen wird allerdings an einer großen, wahrhaft königlichen Liberalität ſowohl ſeitens des mit Ariſto- teles befreundeten Philippus als Alexander's gegen Ariſtoteles nicht zu zweifeln ſein. Aber einmal iſt jene Summe entſchieden zu hoch. Die Angabe des allgemein für zuverläſſig gehaltenen Ariſtobulos (bei Plu- tarch), daß nach Beendigung der Rüſtungen zum aſiatiſchen Feldzug noch ſiebzig Talente im makedoniſchen Staatsſchatz vorhanden geweſen ſeien, iſt ſicher nicht ganz zu vernachläſſigen. Dann aber erſcheint, ſelbſt wenn man das überhaupt dem Ariſtoteles Gewährte um nur we- niges verkleinert, der Theil, welcher davon auf ſeine zoologiſchen Un- terſuchungen verwendet werden konnte, immer klein gegenüber den Ausgaben, welche ſeine andern Studien, beſonders aber die Herbei- ſchaffung der damals ſo koſtbaren Bücher in Anſpruch nahmen85). Und daß er deren viele beſaß, beweiſen außer ſeiner Beleſenheit alte Zeugniſſe. 84) Fabricius, Bibliotheca graeca, Vol. III. p. 204, Anm. y, und Schöll, Geſchichte der griech. Literatur, 2. Bd. S. 156; letzterer nennt im fran- zöſiſchen Original (III, p. 258) dieſe Meinung ſogar „plus vraisemblable“, auf welche Angaben geſtützt, hat er nicht angeführt. 85) Ariſtoteles ſoll die Schriften des Speuſippus für drei Talente, Platon die des Philolaus für 100 Minen oder auch für drei Talente gekauft haben. ſ. Stahr, Ariſtotelia. 1. Bd. S. 116, 2. Bd. S. 289. 5*
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2. Kenntniß des thieriſchen Baues.
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ander noch nicht über Klein-Aſien hinaus gekommen war. Und während
des ſpäteren Verlaufs des aſiatiſchen Heerzuges kühlte ſich das Ver-
hältniß zwiſchen Ariſtoteles und Alexander bekanntlich ziemlich bald ab.
Schon hiernach iſt es kaum glaublich, daß Ariſtoteles planmäßig aus
Aſien viel Neues erhalten habe. Es wird nun noch eine andere Mei-
nung angeführt, wonach Ariſtoteles anfangs den Alexander begleitet
haben und erſt 331 v. Chr. aus Aegypten „mit einem reichen Material
zu ſeiner Thiergeſchichte“ nach Athen zurückgekommen ſein ſoll 84). Ab-
geſehen aber davon, daß ſich hierfür keine ſichern hiſtoriſchen Angaben
beibringen laſſen, ſprechen auch innere Gründe gegen die Wahrſchein-
lichkeit dieſes Aufenthaltes, von welchem ſofort zu reden ſein wird. In
Bezug auf die zweite jener Erzählungen wird allerdings an einer
großen, wahrhaft königlichen Liberalität ſowohl ſeitens des mit Ariſto-
teles befreundeten Philippus als Alexander's gegen Ariſtoteles nicht zu
zweifeln ſein. Aber einmal iſt jene Summe entſchieden zu hoch. Die
Angabe des allgemein für zuverläſſig gehaltenen Ariſtobulos (bei Plu-
tarch), daß nach Beendigung der Rüſtungen zum aſiatiſchen Feldzug
noch ſiebzig Talente im makedoniſchen Staatsſchatz vorhanden geweſen
ſeien, iſt ſicher nicht ganz zu vernachläſſigen. Dann aber erſcheint,
ſelbſt wenn man das überhaupt dem Ariſtoteles Gewährte um nur we-
niges verkleinert, der Theil, welcher davon auf ſeine zoologiſchen Un-
terſuchungen verwendet werden konnte, immer klein gegenüber den
Ausgaben, welche ſeine andern Studien, beſonders aber die Herbei-
ſchaffung der damals ſo koſtbaren Bücher in Anſpruch nahmen 85).
Und daß er deren viele beſaß, beweiſen außer ſeiner Beleſenheit alte
Zeugniſſe.
84) Fabricius, Bibliotheca graeca, Vol. III. p. 204, Anm. y, und
Schöll, Geſchichte der griech. Literatur, 2. Bd. S. 156; letzterer nennt im fran-
zöſiſchen Original (III, p. 258) dieſe Meinung ſogar „plus vraisemblable“, auf
welche Angaben geſtützt, hat er nicht angeführt.
85) Ariſtoteles ſoll die Schriften des Speuſippus für drei Talente, Platon die
des Philolaus für 100 Minen oder auch für drei Talente gekauft haben. ſ. Stahr,
Ariſtotelia. 1. Bd. S. 116, 2. Bd. S. 289.
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