Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Periode der Morphologie. den Fortschritt zu hemmen als zu fördern gedient. Es kann nicht nach-drücklich genug betont werden, daß die Aufstellung der Typen zwar einen ungeheuren Fortschritt bezeichnet, daß die Typen aber doch nichts anderes enthalten, als eine Umschreibung der sich in dem übereinstim- menden Bau gewisser Thiergruppen offenbarenden Thatsachen oder als ein Einordnen derselben unter gewisse allgemeine Collectivbezeichnungen. Aufgabe der Wissenschaft ist es, die Thatsachen zu erklären, d. h. ihre sie mit Nothwendigkeit bedingenden Ursachen nachzuweisen. Die An- nahme der Typen thut dies nicht, wenn man sich nicht bei jener rheto- rischen Form der gesetzgebenden Kraft eines Typus beruhigen will. Um auf den schon früher einmal angezogenen Vergleich zurückzukommen: die Aufstellung der Typen entspricht der Auffindung der Keppler'schen Gesetze, d. h. mit den Typen wurde, wie bei letztern die Form der Bahnen, so hier die Form der Erscheinungen im Thierreiche bestimmt. In beiden Fällen liegt die Erklärung jenseits dieser Aufstellung. Das Bei- spiel ist aber nicht streng weiterzuführen. Man kann wohl Cuvier den Keppler der Zoologie nennen, aber Darwin nicht in vollem Umfange ihren Newton. Doch beginnt mit seiner Theorie, deren Vorläufer die Geschichte der Wissenschaft immerhin dankbar zu ehren hat, eine neue Periode, in welcher sowohl durch das klare Erkennen der Aufgabe als durch das, was Darwin selbst zur näherungsweisen Lösung derselben beigetragen hat, die Zoologie aus dem Kreise der bloß beschreibenden Wissenschaften heraus und in den der erklärenden eintritt. Periode der Morphologie. den Fortſchritt zu hemmen als zu fördern gedient. Es kann nicht nach-drücklich genug betont werden, daß die Aufſtellung der Typen zwar einen ungeheuren Fortſchritt bezeichnet, daß die Typen aber doch nichts anderes enthalten, als eine Umſchreibung der ſich in dem übereinſtim- menden Bau gewiſſer Thiergruppen offenbarenden Thatſachen oder als ein Einordnen derſelben unter gewiſſe allgemeine Collectivbezeichnungen. Aufgabe der Wiſſenſchaft iſt es, die Thatſachen zu erklären, d. h. ihre ſie mit Nothwendigkeit bedingenden Urſachen nachzuweiſen. Die An- nahme der Typen thut dies nicht, wenn man ſich nicht bei jener rheto- riſchen Form der geſetzgebenden Kraft eines Typus beruhigen will. Um auf den ſchon früher einmal angezogenen Vergleich zurückzukommen: die Aufſtellung der Typen entſpricht der Auffindung der Keppler'ſchen Geſetze, d. h. mit den Typen wurde, wie bei letztern die Form der Bahnen, ſo hier die Form der Erſcheinungen im Thierreiche beſtimmt. In beiden Fällen liegt die Erklärung jenſeits dieſer Aufſtellung. Das Bei- ſpiel iſt aber nicht ſtreng weiterzuführen. Man kann wohl Cuvier den Keppler der Zoologie nennen, aber Darwin nicht in vollem Umfange ihren Newton. Doch beginnt mit ſeiner Theorie, deren Vorläufer die Geſchichte der Wiſſenſchaft immerhin dankbar zu ehren hat, eine neue Periode, in welcher ſowohl durch das klare Erkennen der Aufgabe als durch das, was Darwin ſelbſt zur näherungsweiſen Löſung derſelben beigetragen hat, die Zoologie aus dem Kreiſe der bloß beſchreibenden Wiſſenſchaften heraus und in den der erklärenden eintritt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0739" n="728"/><fw place="top" type="header">Periode der Morphologie.</fw><lb/> den Fortſchritt zu hemmen als zu fördern gedient. 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Periode der Morphologie.
den Fortſchritt zu hemmen als zu fördern gedient. Es kann nicht nach-
drücklich genug betont werden, daß die Aufſtellung der Typen zwar
einen ungeheuren Fortſchritt bezeichnet, daß die Typen aber doch nichts
anderes enthalten, als eine Umſchreibung der ſich in dem übereinſtim-
menden Bau gewiſſer Thiergruppen offenbarenden Thatſachen oder als
ein Einordnen derſelben unter gewiſſe allgemeine Collectivbezeichnungen.
Aufgabe der Wiſſenſchaft iſt es, die Thatſachen zu erklären, d. h. ihre
ſie mit Nothwendigkeit bedingenden Urſachen nachzuweiſen. Die An-
nahme der Typen thut dies nicht, wenn man ſich nicht bei jener rheto-
riſchen Form der geſetzgebenden Kraft eines Typus beruhigen will.
Um auf den ſchon früher einmal angezogenen Vergleich zurückzukommen:
die Aufſtellung der Typen entſpricht der Auffindung der Keppler'ſchen
Geſetze, d. h. mit den Typen wurde, wie bei letztern die Form der
Bahnen, ſo hier die Form der Erſcheinungen im Thierreiche beſtimmt. In
beiden Fällen liegt die Erklärung jenſeits dieſer Aufſtellung. Das Bei-
ſpiel iſt aber nicht ſtreng weiterzuführen. Man kann wohl Cuvier den
Keppler der Zoologie nennen, aber Darwin nicht in vollem Umfange
ihren Newton. Doch beginnt mit ſeiner Theorie, deren Vorläufer die
Geſchichte der Wiſſenſchaft immerhin dankbar zu ehren hat, eine neue
Periode, in welcher ſowohl durch das klare Erkennen der Aufgabe als
durch das, was Darwin ſelbſt zur näherungsweiſen Löſung derſelben
beigetragen hat, die Zoologie aus dem Kreiſe der bloß beſchreibenden
Wiſſenſchaften heraus und in den der erklärenden eintritt.
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