Gegenüber den Fortschritten, welche die Kenntniß der lebenden und ausgestorbenen Thiere gemacht hat, und verglichen mit der Zu- gänglichkeit der Thierwelt, welche in so vielen Fällen gestattet, etwaige Zweifel bald zu lösen, falls sie nach dem jeweiligen Stande der Beob- achtungsmittel überhaupt zu lösen sind, tritt das Interesse an den Aussprüchen über Thiere vorzüglich alter Schriftsteller wohl etwas in den Hintergrund. Und doch ist die Kenntniß derselben nicht bloß von culturhistorischer Bedeutung. Zunächst war es allerdings wohl das exegetische Bedürfniß, welches zu der Aufgabe führte, die von den Au- toren erwähnten Thiere zu bestimmen. Mit welchen eigenthümlichen Schwierigkeiten dies verbunden ist, wurde früher angedeutet. Weiter kann aber eine Vergleichung dessen, was man vor tausend und zwei- tausend Jahren über gewisse Thiere gesagt hat, vorausgesetzt daß die Wiedererkennung derselben sicher ist, mit den Thieren selbst, wie sie jetzt erscheinen, Licht auf die im Laufe der Zeit etwa möglichen Ver- änderungen derselben werfen. In den einleitenden Abschnitten dieses Buches ist reichlich Gelegenheit geboten worden, auf die mancherlei Fragen aufmerksam zu machen, welche sich an die Verfolgung der von einzelnen Thieren handelnden Notizen durch die Litteratur des Alter- thums und Mittelalters knüpfen. Es kann daher hier nicht davon Ab- stand genommen werden, kurz auf die Theilnahme hinzuweisen, welche derartige Untersuchungen in der neuern Zeit sowohl bei Zoologen als Philologen und Historikern gefunden haben (wobei indessen nur auf selbständige Specialarbeiten Bezug genommen werden kann, da eine Durchmusterung der ganzen exegetischen Litteratur zu weit abführen würde).
Was zunächst die Versuche betrifft, fabelhafte Thiere zu deuten, so verdienen (außer den früher angezogenen Werken) die Traditions terato- logiques von Berger de Xivrey (1836) Erwähnung. In ihnen wird u. A. ein Tractat de monstris et belluis behandelt, wie einen solchen neuerdings Mor. Haupt herausgegeben und, freilich ohne Be- rücksichtigung der verwandten mittelalterlichen Litteratur, kurz commen-
Hiſtoriſche Zoologie.
Hiſtoriſche Zoologie.
Gegenüber den Fortſchritten, welche die Kenntniß der lebenden und ausgeſtorbenen Thiere gemacht hat, und verglichen mit der Zu- gänglichkeit der Thierwelt, welche in ſo vielen Fällen geſtattet, etwaige Zweifel bald zu löſen, falls ſie nach dem jeweiligen Stande der Beob- achtungsmittel überhaupt zu löſen ſind, tritt das Intereſſe an den Ausſprüchen über Thiere vorzüglich alter Schriftſteller wohl etwas in den Hintergrund. Und doch iſt die Kenntniß derſelben nicht bloß von culturhiſtoriſcher Bedeutung. Zunächſt war es allerdings wohl das exegetiſche Bedürfniß, welches zu der Aufgabe führte, die von den Au- toren erwähnten Thiere zu beſtimmen. Mit welchen eigenthümlichen Schwierigkeiten dies verbunden iſt, wurde früher angedeutet. Weiter kann aber eine Vergleichung deſſen, was man vor tauſend und zwei- tauſend Jahren über gewiſſe Thiere geſagt hat, vorausgeſetzt daß die Wiedererkennung derſelben ſicher iſt, mit den Thieren ſelbſt, wie ſie jetzt erſcheinen, Licht auf die im Laufe der Zeit etwa möglichen Ver- änderungen derſelben werfen. In den einleitenden Abſchnitten dieſes Buches iſt reichlich Gelegenheit geboten worden, auf die mancherlei Fragen aufmerkſam zu machen, welche ſich an die Verfolgung der von einzelnen Thieren handelnden Notizen durch die Litteratur des Alter- thums und Mittelalters knüpfen. Es kann daher hier nicht davon Ab- ſtand genommen werden, kurz auf die Theilnahme hinzuweiſen, welche derartige Unterſuchungen in der neuern Zeit ſowohl bei Zoologen als Philologen und Hiſtorikern gefunden haben (wobei indeſſen nur auf ſelbſtändige Specialarbeiten Bezug genommen werden kann, da eine Durchmuſterung der ganzen exegetiſchen Litteratur zu weit abführen würde).
Was zunächſt die Verſuche betrifft, fabelhafte Thiere zu deuten, ſo verdienen (außer den früher angezogenen Werken) die Traditions térato- logiques von Berger de Xivrey (1836) Erwähnung. In ihnen wird u. A. ein Tractat de monstris et belluis behandelt, wie einen ſolchen neuerdings Mor. Haupt herausgegeben und, freilich ohne Be- rückſichtigung der verwandten mittelalterlichen Litteratur, kurz commen-
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Hiſtoriſche Zoologie.
Hiſtoriſche Zoologie.
Gegenüber den Fortſchritten, welche die Kenntniß der lebenden
und ausgeſtorbenen Thiere gemacht hat, und verglichen mit der Zu-
gänglichkeit der Thierwelt, welche in ſo vielen Fällen geſtattet, etwaige
Zweifel bald zu löſen, falls ſie nach dem jeweiligen Stande der Beob-
achtungsmittel überhaupt zu löſen ſind, tritt das Intereſſe an den
Ausſprüchen über Thiere vorzüglich alter Schriftſteller wohl etwas in
den Hintergrund. Und doch iſt die Kenntniß derſelben nicht bloß von
culturhiſtoriſcher Bedeutung. Zunächſt war es allerdings wohl das
exegetiſche Bedürfniß, welches zu der Aufgabe führte, die von den Au-
toren erwähnten Thiere zu beſtimmen. Mit welchen eigenthümlichen
Schwierigkeiten dies verbunden iſt, wurde früher angedeutet. Weiter
kann aber eine Vergleichung deſſen, was man vor tauſend und zwei-
tauſend Jahren über gewiſſe Thiere geſagt hat, vorausgeſetzt daß die
Wiedererkennung derſelben ſicher iſt, mit den Thieren ſelbſt, wie ſie
jetzt erſcheinen, Licht auf die im Laufe der Zeit etwa möglichen Ver-
änderungen derſelben werfen. In den einleitenden Abſchnitten dieſes
Buches iſt reichlich Gelegenheit geboten worden, auf die mancherlei
Fragen aufmerkſam zu machen, welche ſich an die Verfolgung der von
einzelnen Thieren handelnden Notizen durch die Litteratur des Alter-
thums und Mittelalters knüpfen. Es kann daher hier nicht davon Ab-
ſtand genommen werden, kurz auf die Theilnahme hinzuweiſen, welche
derartige Unterſuchungen in der neuern Zeit ſowohl bei Zoologen als
Philologen und Hiſtorikern gefunden haben (wobei indeſſen nur auf
ſelbſtändige Specialarbeiten Bezug genommen werden kann, da eine
Durchmuſterung der ganzen exegetiſchen Litteratur zu weit abführen
würde).
Was zunächſt die Verſuche betrifft, fabelhafte Thiere zu deuten, ſo
verdienen (außer den früher angezogenen Werken) die Traditions térato-
logiques von Berger de Xivrey (1836) Erwähnung. In ihnen
wird u. A. ein Tractat de monstris et belluis behandelt, wie einen
ſolchen neuerdings Mor. Haupt herausgegeben und, freilich ohne Be-
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 717. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/728>, abgerufen am 22.11.2024.
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