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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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2. Kenntniß des thierischen Baues.
ist"78). Bezeichnend ist es, daß schon Demokrit zwar die Organe in
Bezug auf ihre Functionen betrachtet und wie geeignet sie für letztere
seien bewundert, aber doch nur materielle Erklärungsgründe zuläßt.
Es beklagt sich daher Aristoteles (de generat. anim. V, 8, 101) dar-
über, daß Demokrit die Zweckursache (das to ou eneka) außer Acht
gelassen habe und Alles was die Natur gebrauche auf die Nothwendig-
keit zurückführe. Dies tritt z. B. speciell bei den Entwickelungsvorgän-
gen entgegen; hier behauptet Aristoteles, die unteren Körpertheile seien
um der oberen willen (Kopf, Augen), welche anfangs so viel größer
seien, da, während Demokrit betont, daß der Stoff unbegrenzt und an-
fangslos, also auch grundlos sei (Aristot. a. a. O. II, 6.80). Demo-
krit
, welcher starb, als Aristoteles vierzehn Jahre alt war (370 v. Chr.)
hat den Ueberlieferungen zufolge Thierzergliederungen vorgenommen
(wie ja noch Severino ihm zu Ehren sein Buch Zootomia Democritea
nannte). Aristoteles citirt ihn verhältnißmäßig öfter als andere. Von
dem auf diese Weise Erhaltenen spricht Manches für eine klare Einsicht,
Anderes dagegen ruht auf unvollständiger Beobachtung und auf irrigen
Voraussetzungen. Folgende, dem Aristoteles entnommene Bemerkungen
werden ihn für vorliegenden Zweck hinreichend kennzeichnen. Er glaubt,
daß bei den Blutlosen die Eingeweide (vorzüglich Leber, Milz, Niere)
nur der Kleinheit der Thiere wegen nicht wahrnehmbar seien, während
Aristoteles ausdrücklich sagt: "von den Blutlosen hat keines ein Einge-
weide". Bei der Entwickelung bilden sich ihm zufolge erst die äußeren,
dann die inneren Theile. Das Gewebe der Spinnen entsteht wie ein
Ausscheidungsstoff von innen heraus. Aristoteles glaubt hier, es löse
sich das Gewebe von der Haut wie eine Rinde oder wie die Stacheln
des Stachelschweins, welches ja bekanntlich einer ziemlich verbreiteten
Mythe zufolge die Fähigkeit haben sollte, seine Stacheln wie Pfeile fort-
zuschleudern. Die Unfruchtbarkeit der Maulesel hängt davon ab, daß
die Canäle in der Gebärmutter des Maulesels verdorben seien (also
doch ein Versuch zu einer Erklärung aus fehlerhafter oder mangelhafter

78) L. Strümpell, Geschichte der griechischen Philosophie. 1. Abth. Leipzig,
1854. S. 69 u. 70.

2. Kenntniß des thieriſchen Baues.
iſt“78). Bezeichnend iſt es, daß ſchon Demokrit zwar die Organe in
Bezug auf ihre Functionen betrachtet und wie geeignet ſie für letztere
ſeien bewundert, aber doch nur materielle Erklärungsgründe zuläßt.
Es beklagt ſich daher Ariſtoteles (de generat. anim. V, 8, 101) dar-
über, daß Demokrit die Zweckurſache (das τὸ οὗ ἕνεκα) außer Acht
gelaſſen habe und Alles was die Natur gebrauche auf die Nothwendig-
keit zurückführe. Dies tritt z. B. ſpeciell bei den Entwickelungsvorgän-
gen entgegen; hier behauptet Ariſtoteles, die unteren Körpertheile ſeien
um der oberen willen (Kopf, Augen), welche anfangs ſo viel größer
ſeien, da, während Demokrit betont, daß der Stoff unbegrenzt und an-
fangslos, alſo auch grundlos ſei (Ariſtot. a. a. O. II, 6.80). Demo-
krit
, welcher ſtarb, als Ariſtoteles vierzehn Jahre alt war (370 v. Chr.)
hat den Ueberlieferungen zufolge Thierzergliederungen vorgenommen
(wie ja noch Severino ihm zu Ehren ſein Buch Zootomia Democritea
nannte). Ariſtoteles citirt ihn verhältnißmäßig öfter als andere. Von
dem auf dieſe Weiſe Erhaltenen ſpricht Manches für eine klare Einſicht,
Anderes dagegen ruht auf unvollſtändiger Beobachtung und auf irrigen
Vorausſetzungen. Folgende, dem Ariſtoteles entnommene Bemerkungen
werden ihn für vorliegenden Zweck hinreichend kennzeichnen. Er glaubt,
daß bei den Blutloſen die Eingeweide (vorzüglich Leber, Milz, Niere)
nur der Kleinheit der Thiere wegen nicht wahrnehmbar ſeien, während
Ariſtoteles ausdrücklich ſagt: „von den Blutloſen hat keines ein Einge-
weide“. Bei der Entwickelung bilden ſich ihm zufolge erſt die äußeren,
dann die inneren Theile. Das Gewebe der Spinnen entſteht wie ein
Ausſcheidungsſtoff von innen heraus. Ariſtoteles glaubt hier, es löſe
ſich das Gewebe von der Haut wie eine Rinde oder wie die Stacheln
des Stachelſchweins, welches ja bekanntlich einer ziemlich verbreiteten
Mythe zufolge die Fähigkeit haben ſollte, ſeine Stacheln wie Pfeile fort-
zuſchleudern. Die Unfruchtbarkeit der Mauleſel hängt davon ab, daß
die Canäle in der Gebärmutter des Mauleſels verdorben ſeien (alſo
doch ein Verſuch zu einer Erklärung aus fehlerhafter oder mangelhafter

78) L. Strümpell, Geſchichte der griechiſchen Philoſophie. 1. Abth. Leipzig,
1854. S. 69 u. 70.
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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/72>, abgerufen am 24.11.2024.