Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Kenntniß der Würmer. lichen Gruppe entsprach. Daß schon Pallas verschiedene Formen hiererkannte, und wie das Bestreben der neueren Systematik darauf gerich- tet war, besonders in dieser großen Classe aufzuräumen, wurde oben gezeigt. Nach Entfernung der bereits besprochenen drei Gruppen blie- ben Thiere, welche ziemlich genau der jetzt mit dem Namen der Würmer belegten Abtheilung entsprechen. Auch hier that Cuvier den ersten Schritt zu einer naturgemäßen Anordnung, dem er selbst jedoch nicht treu blieb. Während nämlich Linne die hierher gehörigen Formen theils in seine Ordnung der Intestina, theils aber zu den Schalthieren und Mollusken gebracht hatte, vereinigte Cuvier 1798 (im Tableau elem.) sämmtliche Würmer zu einer mit den Arthropoden nahe verbundenen Classe und stellte darin die eigentlichen Würmer den Vers intestins gegenüber. Für die ersteren führt er das Vorhandensein von Blutgefäßen (1803 von rothem Blute) als charakteristisches Zeichen an; sie wurden von Lamarck, welcher in seinem System der wirbellosen Thiere (1801) Cuvier folgte, später Anneliden genannt. In den Vorlesungen über vergleichende Anatomie stellt zwar Cuvier beide Gruppen noch zusam- men (1800), fügt aber bei den Intestinen hinzu, daß sie noch nicht hin- reichend bekannt seien, um über ihre Stellung bei den übrigen Würmern oder bei den Zoophyten entscheiden zu können. Dies entschied Const. Dumeril 1806 (in der analytischen Zoologie) so, daß er die Einge- weidewürmer zu den Zoophyten brachte, worin ihm sowohl Cuvier als Lamarck (dessen apathische Thiere den Zoophyten völlig entsprechen) folgten, wie später auch Goldfuß, Schweigger, Latreille, Wiegmann, anfangs selbst noch van der Hoeven. Die weitere Anordnung der Wür- mer hieng nun zum großen Theile davon ab, wie man die Eingeweide- würmer beurtheilte. Schon Rudolph sagte, daß diese Gruppe nach Art einer Fauna die Thiere mit bestimmtem Wohnorte innerhalb anderer Thiere umfasse; auch von Baer verneint die Selbständigkeit derselben. Blainville stellte den Borstenwürmern (seinen Chaetopoden) die Fußlosen gegenüber, zu welchen er die Blutegel und Eingeweidewürmer rechnete, erkannte aber das Unnatürliche der letzten Gruppe an. Am weitesten mit der Einordnung der Helminthen in andre Abtheilungen gieng F. S. Leuckart, welcher Polypen-, Akalephen-, Trematoden-, V. Carus, Gesch. d. Zool. 44
Kenntniß der Würmer. lichen Gruppe entſprach. Daß ſchon Pallas verſchiedene Formen hiererkannte, und wie das Beſtreben der neueren Syſtematik darauf gerich- tet war, beſonders in dieſer großen Claſſe aufzuräumen, wurde oben gezeigt. Nach Entfernung der bereits beſprochenen drei Gruppen blie- ben Thiere, welche ziemlich genau der jetzt mit dem Namen der Würmer belegten Abtheilung entſprechen. Auch hier that Cuvier den erſten Schritt zu einer naturgemäßen Anordnung, dem er ſelbſt jedoch nicht treu blieb. Während nämlich Linné die hierher gehörigen Formen theils in ſeine Ordnung der Intestina, theils aber zu den Schalthieren und Mollusken gebracht hatte, vereinigte Cuvier 1798 (im Tableau élém.) ſämmtliche Würmer zu einer mit den Arthropoden nahe verbundenen Claſſe und ſtellte darin die eigentlichen Würmer den Vers intestins gegenüber. Für die erſteren führt er das Vorhandenſein von Blutgefäßen (1803 von rothem Blute) als charakteriſtiſches Zeichen an; ſie wurden von Lamarck, welcher in ſeinem Syſtem der wirbelloſen Thiere (1801) Cuvier folgte, ſpäter Anneliden genannt. In den Vorleſungen über vergleichende Anatomie ſtellt zwar Cuvier beide Gruppen noch zuſam- men (1800), fügt aber bei den Inteſtinen hinzu, daß ſie noch nicht hin- reichend bekannt ſeien, um über ihre Stellung bei den übrigen Würmern oder bei den Zoophyten entſcheiden zu können. Dies entſchied Conſt. Duméril 1806 (in der analytiſchen Zoologie) ſo, daß er die Einge- weidewürmer zu den Zoophyten brachte, worin ihm ſowohl Cuvier als Lamarck (deſſen apathiſche Thiere den Zoophyten völlig entſprechen) folgten, wie ſpäter auch Goldfuß, Schweigger, Latreille, Wiegmann, anfangs ſelbſt noch van der Hoeven. Die weitere Anordnung der Wür- mer hieng nun zum großen Theile davon ab, wie man die Eingeweide- würmer beurtheilte. Schon Rudolph ſagte, daß dieſe Gruppe nach Art einer Fauna die Thiere mit beſtimmtem Wohnorte innerhalb anderer Thiere umfaſſe; auch von Baer verneint die Selbſtändigkeit derſelben. Blainville ſtellte den Borſtenwürmern (ſeinen Chaetopoden) die Fußloſen gegenüber, zu welchen er die Blutegel und Eingeweidewürmer rechnete, erkannte aber das Unnatürliche der letzten Gruppe an. Am weiteſten mit der Einordnung der Helminthen in andre Abtheilungen gieng F. S. Leuckart, welcher Polypen-, Akalephen-, Trematoden-, V. Carus, Geſch. d. Zool. 44
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0700" n="689"/><fw place="top" type="header">Kenntniß der Würmer.</fw><lb/> lichen Gruppe entſprach. Daß ſchon <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118591371">Pallas</persName> verſchiedene Formen hier<lb/> erkannte, und wie das Beſtreben der neueren Syſtematik darauf gerich-<lb/> tet war, beſonders in dieſer großen Claſſe aufzuräumen, wurde oben<lb/> gezeigt. Nach Entfernung der bereits beſprochenen drei Gruppen blie-<lb/> ben Thiere, welche ziemlich genau der jetzt mit dem Namen der Würmer<lb/> belegten Abtheilung entſprechen. Auch hier that <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118677578">Cuvier</persName></hi> den erſten<lb/> Schritt zu einer naturgemäßen Anordnung, dem er ſelbſt jedoch nicht<lb/> treu blieb. Während nämlich <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118573349">Linné</persName> die hierher gehörigen Formen theils<lb/> in ſeine Ordnung der <hi rendition="#aq">Intestina,</hi> theils aber zu den Schalthieren und<lb/> Mollusken gebracht hatte, vereinigte <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118677578">Cuvier</persName> 1798 (im <hi rendition="#aq">Tableau élém.</hi>)<lb/> ſämmtliche Würmer zu einer mit den Arthropoden nahe verbundenen Claſſe<lb/> und ſtellte darin die eigentlichen Würmer den <hi rendition="#aq">Vers intestins</hi> gegenüber.<lb/> Für die erſteren führt er das Vorhandenſein von Blutgefäßen (1803<lb/> von rothem Blute) als charakteriſtiſches Zeichen an; ſie wurden von<lb/><hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118726048">Lamarck</persName></hi>, welcher in ſeinem Syſtem der wirbelloſen Thiere (1801)<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118677578">Cuvier</persName> folgte, ſpäter Anneliden genannt. In den Vorleſungen über<lb/> vergleichende Anatomie ſtellt zwar <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118677578">Cuvier</persName> beide Gruppen noch zuſam-<lb/> men (1800), fügt aber bei den Inteſtinen hinzu, daß ſie noch nicht hin-<lb/> reichend bekannt ſeien, um über ihre Stellung bei den übrigen Würmern<lb/> oder bei den Zoophyten entſcheiden zu können. Dies entſchied <persName ref="http://d-nb.info/gnd/117661287">Conſt.<lb/><hi rendition="#g">Duméril</hi></persName> 1806 (in der analytiſchen Zoologie) ſo, daß er die Einge-<lb/> weidewürmer zu den Zoophyten brachte, worin ihm ſowohl <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118677578">Cuvier</persName> als<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118726048">Lamarck</persName> (deſſen apathiſche Thiere den Zoophyten völlig entſprechen)<lb/> folgten, wie ſpäter auch <persName ref="http://d-nb.info/gnd/100151310">Goldfuß</persName>, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/117397601">Schweigger</persName>, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/116862831">Latreille</persName>, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/117361291">Wiegmann</persName>,<lb/> anfangs ſelbſt noch <persName ref="http://d-nb.info/gnd/116933496">van der Hoeven</persName>. Die weitere Anordnung der Wür-<lb/> mer hieng nun zum großen Theile davon ab, wie man die Eingeweide-<lb/> würmer beurtheilte. Schon <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/115526641">Rudolph</persName></hi> ſagte, daß dieſe Gruppe nach<lb/> Art einer Fauna die Thiere mit beſtimmtem Wohnorte innerhalb anderer<lb/> Thiere umfaſſe; auch <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118505831">von Baer</persName></hi> verneint die Selbſtändigkeit derſelben.<lb/><hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/116234563">Blainville</persName></hi> ſtellte den Borſtenwürmern (ſeinen Chaetopoden) die<lb/> Fußloſen gegenüber, zu welchen er die Blutegel und Eingeweidewürmer<lb/> rechnete, erkannte aber das Unnatürliche der letzten Gruppe an. Am<lb/> weiteſten mit der Einordnung der Helminthen in andre Abtheilungen<lb/> gieng <persName ref="http://d-nb.info/gnd/100188605">F. S.<hi rendition="#g"> Leuckart</hi></persName>, welcher Polypen-, Akalephen-, Trematoden-,<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/104288647">V. <hi rendition="#g"> Carus</hi></persName>, Geſch. d. Zool. 44</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [689/0700]
Kenntniß der Würmer.
lichen Gruppe entſprach. Daß ſchon Pallas verſchiedene Formen hier
erkannte, und wie das Beſtreben der neueren Syſtematik darauf gerich-
tet war, beſonders in dieſer großen Claſſe aufzuräumen, wurde oben
gezeigt. Nach Entfernung der bereits beſprochenen drei Gruppen blie-
ben Thiere, welche ziemlich genau der jetzt mit dem Namen der Würmer
belegten Abtheilung entſprechen. Auch hier that Cuvier den erſten
Schritt zu einer naturgemäßen Anordnung, dem er ſelbſt jedoch nicht
treu blieb. Während nämlich Linné die hierher gehörigen Formen theils
in ſeine Ordnung der Intestina, theils aber zu den Schalthieren und
Mollusken gebracht hatte, vereinigte Cuvier 1798 (im Tableau élém.)
ſämmtliche Würmer zu einer mit den Arthropoden nahe verbundenen Claſſe
und ſtellte darin die eigentlichen Würmer den Vers intestins gegenüber.
Für die erſteren führt er das Vorhandenſein von Blutgefäßen (1803
von rothem Blute) als charakteriſtiſches Zeichen an; ſie wurden von
Lamarck, welcher in ſeinem Syſtem der wirbelloſen Thiere (1801)
Cuvier folgte, ſpäter Anneliden genannt. In den Vorleſungen über
vergleichende Anatomie ſtellt zwar Cuvier beide Gruppen noch zuſam-
men (1800), fügt aber bei den Inteſtinen hinzu, daß ſie noch nicht hin-
reichend bekannt ſeien, um über ihre Stellung bei den übrigen Würmern
oder bei den Zoophyten entſcheiden zu können. Dies entſchied Conſt.
Duméril 1806 (in der analytiſchen Zoologie) ſo, daß er die Einge-
weidewürmer zu den Zoophyten brachte, worin ihm ſowohl Cuvier als
Lamarck (deſſen apathiſche Thiere den Zoophyten völlig entſprechen)
folgten, wie ſpäter auch Goldfuß, Schweigger, Latreille, Wiegmann,
anfangs ſelbſt noch van der Hoeven. Die weitere Anordnung der Wür-
mer hieng nun zum großen Theile davon ab, wie man die Eingeweide-
würmer beurtheilte. Schon Rudolph ſagte, daß dieſe Gruppe nach
Art einer Fauna die Thiere mit beſtimmtem Wohnorte innerhalb anderer
Thiere umfaſſe; auch von Baer verneint die Selbſtändigkeit derſelben.
Blainville ſtellte den Borſtenwürmern (ſeinen Chaetopoden) die
Fußloſen gegenüber, zu welchen er die Blutegel und Eingeweidewürmer
rechnete, erkannte aber das Unnatürliche der letzten Gruppe an. Am
weiteſten mit der Einordnung der Helminthen in andre Abtheilungen
gieng F. S. Leuckart, welcher Polypen-, Akalephen-, Trematoden-,
V. Carus, Geſch. d. Zool. 44
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |