Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

Bild:
<< vorherige Seite

Kenntniß der Coelenteraten.
geblieben ist. Um die Systematik derselben hat sich Ehrenberg große
Verdienste erworben, indem er zuerst auf die Organisation der Thiere,
namentlich auch auf die Zahlenverhältnisse der Tentakeln aufmerksam
machte. Die früheren Eintheilungen von Jean Vict. Fel. Lamou-
roux
(1779-1825) und von Lamarck gründeten sich auf Anwesen-
heit oder Fehlen, Beschaffenheit und Form von Hartgebilden sowie auf
Mangel oder Besitz freier Beweglichkeit (mit letzterer sind nach ihm,
nach Abzug der hierher gezognen Rotatorien, die Pennatuliden begabt,
welche deshalb von ihm Schwimmpolypen, Polypi natantes genannt
werden). Aehnlichen Grundsätzen mit geringen Modificationen folgte
Schweigger (1819). Die Systeme von G. Johnston (1842),
welcher die brittischen, und von Jam. Dwight Dana, welcher die
Polypen der nordamerikanischen Erdumsegelung bearbeitete, gehn zwar
auch theilweise von der Form und dem Bau des Korallenstocks aus,
berücksichtigen aber auch den Bau der Thiere. Auf letzteren, namentlich
auf die Eibildung hatte auch Rapp Gewicht gelegt. Neuerdings hat
H. Milne Edwards mit seinem leider früh verstorbenen Schüler Jul.
Haime
(1824-1856) die ganze Classe mit Einschluß der fossilen
Formen bearbeitet. -- Ehrenberg hat in seinen Korallenarbeiten
auch die Natur des Korallenstocks aufgeklärt und dadurch den Ansichten
über die Bildung der Koralleninseln und -riffe eine sicherere Grundlage
gegeben. Während der ältere Forster, Flinders, Peron die Po-
lypen ihren Bau aus sehr großen Tiefen beginnen ließen, in welcher
Annahme ihnen noch Chamisso folgte, der nur die richtige Beobach-
tung machte, daß die stärkeren Polypen an der Außenseite der Riffe
bauen, sprachen zuerst Quoy und Gaimard die Meinung aus, daß
die Polypen nur in einer bestimmten Tiefe leben können. Ehrenberg
machte auf das äußerst langsame Wachsen der Korallen aufmerksam
und glaubte, daß sie nie Lager von beträchtlicher Mächtigkeit bilden
könnten. Es ist das große Verdienst Ch. Darwin's, die Bildung
der Riffe und Inseln mit den geologischen Verhältnissen des Grundes,
auf dem die Polypen bauen, in Verbindung gebracht zu haben. An
seine Untersuchungen schließen sich dann die neueren von J. D. Dana
an. -- Die anatomische Kenntniß der Medusen hatte Cuvier schon

Kenntniß der Coelenteraten.
geblieben iſt. Um die Syſtematik derſelben hat ſich Ehrenberg große
Verdienſte erworben, indem er zuerſt auf die Organiſation der Thiere,
namentlich auch auf die Zahlenverhältniſſe der Tentakeln aufmerkſam
machte. Die früheren Eintheilungen von Jean Vict. Fel. Lamou-
roux
(1779-1825) und von Lamarck gründeten ſich auf Anweſen-
heit oder Fehlen, Beſchaffenheit und Form von Hartgebilden ſowie auf
Mangel oder Beſitz freier Beweglichkeit (mit letzterer ſind nach ihm,
nach Abzug der hierher gezognen Rotatorien, die Pennatuliden begabt,
welche deshalb von ihm Schwimmpolypen, Polypi natantes genannt
werden). Aehnlichen Grundſätzen mit geringen Modificationen folgte
Schweigger (1819). Die Syſteme von G. Johnſton (1842),
welcher die brittiſchen, und von Jam. Dwight Dana, welcher die
Polypen der nordamerikaniſchen Erdumſegelung bearbeitete, gehn zwar
auch theilweiſe von der Form und dem Bau des Korallenſtocks aus,
berückſichtigen aber auch den Bau der Thiere. Auf letzteren, namentlich
auf die Eibildung hatte auch Rapp Gewicht gelegt. Neuerdings hat
H. Milne Edwards mit ſeinem leider früh verſtorbenen Schüler Jul.
Haime
(1824-1856) die ganze Claſſe mit Einſchluß der foſſilen
Formen bearbeitet. — Ehrenberg hat in ſeinen Korallenarbeiten
auch die Natur des Korallenſtocks aufgeklärt und dadurch den Anſichten
über die Bildung der Koralleninſeln und -riffe eine ſicherere Grundlage
gegeben. Während der ältere Forſter, Flinders, Péron die Po-
lypen ihren Bau aus ſehr großen Tiefen beginnen ließen, in welcher
Annahme ihnen noch Chamiſſo folgte, der nur die richtige Beobach-
tung machte, daß die ſtärkeren Polypen an der Außenſeite der Riffe
bauen, ſprachen zuerſt Quoy und Gaimard die Meinung aus, daß
die Polypen nur in einer beſtimmten Tiefe leben können. Ehrenberg
machte auf das äußerſt langſame Wachſen der Korallen aufmerkſam
und glaubte, daß ſie nie Lager von beträchtlicher Mächtigkeit bilden
könnten. Es iſt das große Verdienſt Ch. Darwin's, die Bildung
der Riffe und Inſeln mit den geologiſchen Verhältniſſen des Grundes,
auf dem die Polypen bauen, in Verbindung gebracht zu haben. An
ſeine Unterſuchungen ſchließen ſich dann die neueren von J. D. Dana
an. — Die anatomiſche Kenntniß der Meduſen hatte Cuvier ſchon

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0696" n="685"/><fw place="top" type="header">Kenntniß der Coelenteraten.</fw><lb/>
geblieben i&#x017F;t. Um die Sy&#x017F;tematik der&#x017F;elben hat &#x017F;ich <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118529250">Ehrenberg</persName></hi> große<lb/>
Verdien&#x017F;te erworben, indem er zuer&#x017F;t auf die Organi&#x017F;ation der Thiere,<lb/>
namentlich auch auf die Zahlenverhältni&#x017F;&#x017F;e der Tentakeln aufmerk&#x017F;am<lb/>
machte. Die früheren Eintheilungen von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/117574600">Jean Vict. Fel. <hi rendition="#g">Lamou-<lb/>
roux</hi></persName> (1779-1825) und von <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118726048">Lamarck</persName></hi> gründeten &#x017F;ich auf Anwe&#x017F;en-<lb/>
heit oder Fehlen, Be&#x017F;chaffenheit und Form von Hartgebilden &#x017F;owie auf<lb/>
Mangel oder Be&#x017F;itz freier Beweglichkeit (mit letzterer &#x017F;ind nach ihm,<lb/>
nach Abzug der hierher gezognen Rotatorien, die Pennatuliden begabt,<lb/>
welche deshalb von ihm Schwimmpolypen, <hi rendition="#aq">Polypi natantes</hi> genannt<lb/>
werden). Aehnlichen Grund&#x017F;ätzen mit geringen Modificationen folgte<lb/><hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/117397601">Schweigger</persName></hi> (1819). Die Sy&#x017F;teme von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/117655139">G. <hi rendition="#g">John&#x017F;ton</hi></persName> (1842),<lb/>
welcher die britti&#x017F;chen, und von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/116020849">Jam. Dwight <hi rendition="#g">Dana</hi></persName>, welcher die<lb/>
Polypen der nordamerikani&#x017F;chen Erdum&#x017F;egelung bearbeitete, gehn zwar<lb/>
auch theilwei&#x017F;e von der Form und dem Bau des Korallen&#x017F;tocks aus,<lb/>
berück&#x017F;ichtigen aber auch den Bau der Thiere. Auf letzteren, namentlich<lb/>
auf die Eibildung hatte auch <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/11633472X">Rapp</persName></hi> Gewicht gelegt. Neuerdings hat<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/116356839">H. Milne <hi rendition="#g">Edwards</hi></persName> mit &#x017F;einem leider früh ver&#x017F;torbenen Schüler <persName ref="http://d-nb.info/gnd/117378135">Jul.<lb/><hi rendition="#g">Haime</hi></persName> (1824-1856) die ganze Cla&#x017F;&#x017F;e mit Ein&#x017F;chluß der fo&#x017F;&#x017F;ilen<lb/>
Formen bearbeitet. &#x2014; <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118529250">Ehrenberg</persName></hi> hat in &#x017F;einen Korallenarbeiten<lb/>
auch die Natur des Korallen&#x017F;tocks aufgeklärt und dadurch den An&#x017F;ichten<lb/>
über die Bildung der Korallenin&#x017F;eln und -riffe eine &#x017F;icherere Grundlage<lb/>
gegeben. Während der ältere <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118534432">For&#x017F;ter</persName></hi>, <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118691856">Flinders</persName></hi>, <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118936530">Péron</persName></hi> die Po-<lb/>
lypen ihren Bau aus &#x017F;ehr großen Tiefen beginnen ließen, in welcher<lb/>
Annahme ihnen noch <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118520040">Chami&#x017F;&#x017F;o</persName></hi> folgte, der nur die richtige Beobach-<lb/>
tung machte, daß die &#x017F;tärkeren Polypen an der Außen&#x017F;eite der Riffe<lb/>
bauen, &#x017F;prachen zuer&#x017F;t <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/117684090">Quoy</persName></hi> und <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/119543729">Gaimard</persName></hi> die Meinung aus, daß<lb/>
die Polypen nur in einer be&#x017F;timmten Tiefe leben können. <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118529250">Ehrenberg</persName></hi><lb/>
machte auf das äußer&#x017F;t lang&#x017F;ame Wach&#x017F;en der Korallen aufmerk&#x017F;am<lb/>
und glaubte, daß &#x017F;ie nie Lager von beträchtlicher Mächtigkeit bilden<lb/>
könnten. Es i&#x017F;t das große Verdien&#x017F;t Ch. <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118523813">Darwin</persName></hi>'s, die Bildung<lb/>
der Riffe und In&#x017F;eln mit den geologi&#x017F;chen Verhältni&#x017F;&#x017F;en des Grundes,<lb/>
auf dem die Polypen bauen, in Verbindung gebracht zu haben. An<lb/>
&#x017F;eine Unter&#x017F;uchungen &#x017F;chließen &#x017F;ich dann die neueren von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/116020849">J. D. <hi rendition="#g">Dana</hi></persName><lb/>
an. &#x2014; Die anatomi&#x017F;che Kenntniß der Medu&#x017F;en hatte <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118677578">Cuvier</persName></hi> &#x017F;chon<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[685/0696] Kenntniß der Coelenteraten. geblieben iſt. Um die Syſtematik derſelben hat ſich Ehrenberg große Verdienſte erworben, indem er zuerſt auf die Organiſation der Thiere, namentlich auch auf die Zahlenverhältniſſe der Tentakeln aufmerkſam machte. Die früheren Eintheilungen von Jean Vict. Fel. Lamou- roux (1779-1825) und von Lamarck gründeten ſich auf Anweſen- heit oder Fehlen, Beſchaffenheit und Form von Hartgebilden ſowie auf Mangel oder Beſitz freier Beweglichkeit (mit letzterer ſind nach ihm, nach Abzug der hierher gezognen Rotatorien, die Pennatuliden begabt, welche deshalb von ihm Schwimmpolypen, Polypi natantes genannt werden). Aehnlichen Grundſätzen mit geringen Modificationen folgte Schweigger (1819). Die Syſteme von G. Johnſton (1842), welcher die brittiſchen, und von Jam. Dwight Dana, welcher die Polypen der nordamerikaniſchen Erdumſegelung bearbeitete, gehn zwar auch theilweiſe von der Form und dem Bau des Korallenſtocks aus, berückſichtigen aber auch den Bau der Thiere. Auf letzteren, namentlich auf die Eibildung hatte auch Rapp Gewicht gelegt. Neuerdings hat H. Milne Edwards mit ſeinem leider früh verſtorbenen Schüler Jul. Haime (1824-1856) die ganze Claſſe mit Einſchluß der foſſilen Formen bearbeitet. — Ehrenberg hat in ſeinen Korallenarbeiten auch die Natur des Korallenſtocks aufgeklärt und dadurch den Anſichten über die Bildung der Koralleninſeln und -riffe eine ſicherere Grundlage gegeben. Während der ältere Forſter, Flinders, Péron die Po- lypen ihren Bau aus ſehr großen Tiefen beginnen ließen, in welcher Annahme ihnen noch Chamiſſo folgte, der nur die richtige Beobach- tung machte, daß die ſtärkeren Polypen an der Außenſeite der Riffe bauen, ſprachen zuerſt Quoy und Gaimard die Meinung aus, daß die Polypen nur in einer beſtimmten Tiefe leben können. Ehrenberg machte auf das äußerſt langſame Wachſen der Korallen aufmerkſam und glaubte, daß ſie nie Lager von beträchtlicher Mächtigkeit bilden könnten. Es iſt das große Verdienſt Ch. Darwin's, die Bildung der Riffe und Inſeln mit den geologiſchen Verhältniſſen des Grundes, auf dem die Polypen bauen, in Verbindung gebracht zu haben. An ſeine Unterſuchungen ſchließen ſich dann die neueren von J. D. Dana an. — Die anatomiſche Kenntniß der Meduſen hatte Cuvier ſchon

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/696
Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 685. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/696>, abgerufen am 22.11.2024.