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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Kenntniß der Protozoen.
mikroskopischen Organismen, der Forschung einen neuen Grund gelegt.
Verdankt die Wissenschaft Ehrenberg den größten Theil der Formen-
kenntniß auf dem Gebiete der Infusorien, so fehlte derselbe leider darin,
daß er von einer vorgefaßten Meinung beeinflußt wie allen Thieren
so auch den Infusorien eine gleich hohe Organisation zuschrieb. Die von
Dutrochet angeregte Trennung der Räderthiere von den Infusorien behielt
er zwar zum Theil bei, schrieb aber den letztern einen ähnlich zusammenge-
setzten Bau zu mit Magen, Drüsen u. s. f. und schied sie nur nach dem
Fehlen oder Vorhandensein eines Darmes und Afters in Anentera und
Enterodela. Außer den vorzüglich aus dem süßen Wasser bekannten
Infusorien war aber seit langer Zeit noch eine große Zahl anderer mikros-
kopischer Organismen beschrieben, Glieder der von Breyn Polythalamien
genannten Thiergruppe. Man kannte zwar nur ihre Gehäuse, schloß
aber nach der Form dieser auf eine Organisation, welche die Thiere in
die Nähe der ähnliche Schalen besitzenden Cephalopoden bringen würde.
Schon Blainville bezweifelte dies (1825); da er aber nichts Andres an
die Stelle des geleugneten Baues setzen konnte, wurde er nicht beachtet.
1826 gab A. d'Orbigny diesen Formen den Namen Foraminiferen
nach ihrer meist fein durchlöcherten Schale und stellte sie als Ordnung
den übrigen Cephalopoden gegenüber. Nach einem außerordentlich reichen
in Europa und Amerika gesammelten Materiale gab er die erste aus-
führliche systematische Schilderung der Gruppe. Erst 1835 trat eine
Wendung zur richtigeren Erkenntniß der Protozoen ein. Hier beobach-
tete Felix Dujardin (geb. in Rennes, gest. 1860) lebende Foramini-
feren, sah, daß ihr Körper nur aus einer homogenen contractilen Sub-
stanz bestehe, in welcher keinerlei Organe geschieden sind und welche er
Sarcode nannte, und gab der Abtheilung (nach Zurückziehung der auf
mehrkammerige Formen gegründeten Bezeichnung Symplectomeren)
den Namen Rhizopoden. Dujardin beseitigte aber mit seiner Darstel-
lung des Rhizopodenbaues nicht bloß die irrige Ansicht über die ver-
meintliche Cephalopodennatur dieser Wesen, sondern wies auch auf die
Unhaltbarkeit der Ehrenberg'schen Angaben über die Polygastrie der
Infusorien hin. Gieng er auch anfangs zu weit, darin, daß er allen
Infusorien einen Mund absprach, so ist doch der erste Schritt zur Ein-

Kenntniß der Protozoen.
mikroſkopiſchen Organismen, der Forſchung einen neuen Grund gelegt.
Verdankt die Wiſſenſchaft Ehrenberg den größten Theil der Formen-
kenntniß auf dem Gebiete der Infuſorien, ſo fehlte derſelbe leider darin,
daß er von einer vorgefaßten Meinung beeinflußt wie allen Thieren
ſo auch den Infuſorien eine gleich hohe Organiſation zuſchrieb. Die von
Dutrochet angeregte Trennung der Räderthiere von den Infuſorien behielt
er zwar zum Theil bei, ſchrieb aber den letztern einen ähnlich zuſammenge-
ſetzten Bau zu mit Magen, Drüſen u. ſ. f. und ſchied ſie nur nach dem
Fehlen oder Vorhandenſein eines Darmes und Afters in Anentera und
Enterodela. Außer den vorzüglich aus dem ſüßen Waſſer bekannten
Infuſorien war aber ſeit langer Zeit noch eine große Zahl anderer mikroſ-
kopiſcher Organismen beſchrieben, Glieder der von Breyn Polythalamien
genannten Thiergruppe. Man kannte zwar nur ihre Gehäuſe, ſchloß
aber nach der Form dieſer auf eine Organiſation, welche die Thiere in
die Nähe der ähnliche Schalen beſitzenden Cephalopoden bringen würde.
Schon Blainville bezweifelte dies (1825); da er aber nichts Andres an
die Stelle des geleugneten Baues ſetzen konnte, wurde er nicht beachtet.
1826 gab A. d’Orbigny dieſen Formen den Namen Foraminiferen
nach ihrer meiſt fein durchlöcherten Schale und ſtellte ſie als Ordnung
den übrigen Cephalopoden gegenüber. Nach einem außerordentlich reichen
in Europa und Amerika geſammelten Materiale gab er die erſte aus-
führliche ſyſtematiſche Schilderung der Gruppe. Erſt 1835 trat eine
Wendung zur richtigeren Erkenntniß der Protozoen ein. Hier beobach-
tete Felix Dujardin (geb. in Rennes, geſt. 1860) lebende Foramini-
feren, ſah, daß ihr Körper nur aus einer homogenen contractilen Sub-
ſtanz beſtehe, in welcher keinerlei Organe geſchieden ſind und welche er
Sarcode nannte, und gab der Abtheilung (nach Zurückziehung der auf
mehrkammerige Formen gegründeten Bezeichnung Symplectomeren)
den Namen Rhizopoden. Dujardin beſeitigte aber mit ſeiner Darſtel-
lung des Rhizopodenbaues nicht bloß die irrige Anſicht über die ver-
meintliche Cephalopodennatur dieſer Weſen, ſondern wies auch auf die
Unhaltbarkeit der Ehrenberg'ſchen Angaben über die Polygaſtrie der
Infuſorien hin. Gieng er auch anfangs zu weit, darin, daß er allen
Infuſorien einen Mund abſprach, ſo iſt doch der erſte Schritt zur Ein-

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[681/0692] Kenntniß der Protozoen. mikroſkopiſchen Organismen, der Forſchung einen neuen Grund gelegt. Verdankt die Wiſſenſchaft Ehrenberg den größten Theil der Formen- kenntniß auf dem Gebiete der Infuſorien, ſo fehlte derſelbe leider darin, daß er von einer vorgefaßten Meinung beeinflußt wie allen Thieren ſo auch den Infuſorien eine gleich hohe Organiſation zuſchrieb. Die von Dutrochet angeregte Trennung der Räderthiere von den Infuſorien behielt er zwar zum Theil bei, ſchrieb aber den letztern einen ähnlich zuſammenge- ſetzten Bau zu mit Magen, Drüſen u. ſ. f. und ſchied ſie nur nach dem Fehlen oder Vorhandenſein eines Darmes und Afters in Anentera und Enterodela. Außer den vorzüglich aus dem ſüßen Waſſer bekannten Infuſorien war aber ſeit langer Zeit noch eine große Zahl anderer mikroſ- kopiſcher Organismen beſchrieben, Glieder der von Breyn Polythalamien genannten Thiergruppe. Man kannte zwar nur ihre Gehäuſe, ſchloß aber nach der Form dieſer auf eine Organiſation, welche die Thiere in die Nähe der ähnliche Schalen beſitzenden Cephalopoden bringen würde. Schon Blainville bezweifelte dies (1825); da er aber nichts Andres an die Stelle des geleugneten Baues ſetzen konnte, wurde er nicht beachtet. 1826 gab A. d’Orbigny dieſen Formen den Namen Foraminiferen nach ihrer meiſt fein durchlöcherten Schale und ſtellte ſie als Ordnung den übrigen Cephalopoden gegenüber. Nach einem außerordentlich reichen in Europa und Amerika geſammelten Materiale gab er die erſte aus- führliche ſyſtematiſche Schilderung der Gruppe. Erſt 1835 trat eine Wendung zur richtigeren Erkenntniß der Protozoen ein. Hier beobach- tete Felix Dujardin (geb. in Rennes, geſt. 1860) lebende Foramini- feren, ſah, daß ihr Körper nur aus einer homogenen contractilen Sub- ſtanz beſtehe, in welcher keinerlei Organe geſchieden ſind und welche er Sarcode nannte, und gab der Abtheilung (nach Zurückziehung der auf mehrkammerige Formen gegründeten Bezeichnung Symplectomeren) den Namen Rhizopoden. Dujardin beſeitigte aber mit ſeiner Darſtel- lung des Rhizopodenbaues nicht bloß die irrige Anſicht über die ver- meintliche Cephalopodennatur dieſer Weſen, ſondern wies auch auf die Unhaltbarkeit der Ehrenberg'ſchen Angaben über die Polygaſtrie der Infuſorien hin. Gieng er auch anfangs zu weit, darin, daß er allen Infuſorien einen Mund abſprach, ſo iſt doch der erſte Schritt zur Ein-

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 681. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/692>, abgerufen am 22.11.2024.