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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Zoologische Kenntnisse des Alterthums.
ihrer allgemeinen naturphilosophischen Systeme benutzt. Ihnen dahin-
ein zu folgen verbietet der Ort. Es gewinnt aber auch die Geschichte
der Zootomie wenig durch Erklärung ihrer Mittheilungen aus jenen
Systemen. Da sich das von diesen Männern Erhaltene höchstens auf
Fragmente beschränkt, von denen Aristoteles selbst eine ziemliche Zahl
aufbewahrt hat, soll hier nur in Kürze auf einige Thatsachen hingewie-
sen werden.

Der älteste Forscher, von dem nicht bloß erzählt wird, daß er sich
mit Zergliederung von Thieren beschäftigt habe, sondern von welchem
auch Aristoteles einzelne Meinungen in seinen zoologischen Schriften
anführt, ist Alkmaeon von Kroton (um 520 v. Chr.). Das von
ihm Ueberlieferte ist aber zu unbedeutend, als daß es möglich wäre, ein
zutreffendes Bild seiner Ansichten über den thierischen Bau und dessen
Leistungen zu geben. Er setzt den Unterschied der menschlichen Seele
von dem allgemeinen Lebensprincip in die Fähigkeit, das sinnlich
Wahrgenommene zu verstehen (Theophr. de sensu)72). Bei Erwäh-
nung der Zeit, in welcher die Geschlechtseigenthümlichkeiten auftreten,
führt Aristoteles an, daß Alkmaeon darauf hingewiesen habe, wie auch
die Pflanzen erst blühen, wenn sie Samen zu tragen im Begriff seien.
Eine Angabe Alkmaeon's, daß die Ziegen durch die Ohren athmen
(eine Meinung, welche Plinius ohne sie zu widerlegen dem Archelaos
zuschreibt, Hist. nat. VIII, 50. 76)73), weist Aristoteles als unrichtig
zurück (Hist. anim. I, 11. 45). In ähnlicher Weise glaubt aber Ari-
stoteles
auch den Alkmaeon berichtigen zu müssen, wenn dieser an-
giebt74), in den Eiern entspreche das Weiße der Milch, d. h. der den
jungen Thieren mitgegebenen Nahrung. Schon nach diesen verschiedenen
Seiten des thierischen Lebens angehörigen Beobachtungen läßt sich an-
nehmen, daß Alkmaeon in ziemlicher Ausdehnung Erfahrungen zu sam-
meln versucht habe.


72) Theophrasti Opera. ed J. G. Schneider T. I. p. 657. 25.
73) Dieselbe Ansicht kommt wieder bei Origenes vor; Philosophumena,
lib. IV, cap. 31. (p. 67. ed. Miller)
: Aigon de kan epipase tis kerote tas
akoas phasi thneskein met oligon anapnein koluomenas. Odon gar autais
tauten einai legousi tou di anapnoes elkomenou pneumatos.
74) Aristoteles, de generat. anim. III, 2. 33.

Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums.
ihrer allgemeinen naturphiloſophiſchen Syſteme benutzt. Ihnen dahin-
ein zu folgen verbietet der Ort. Es gewinnt aber auch die Geſchichte
der Zootomie wenig durch Erklärung ihrer Mittheilungen aus jenen
Syſtemen. Da ſich das von dieſen Männern Erhaltene höchſtens auf
Fragmente beſchränkt, von denen Ariſtoteles ſelbſt eine ziemliche Zahl
aufbewahrt hat, ſoll hier nur in Kürze auf einige Thatſachen hingewie-
ſen werden.

Der älteſte Forſcher, von dem nicht bloß erzählt wird, daß er ſich
mit Zergliederung von Thieren beſchäftigt habe, ſondern von welchem
auch Ariſtoteles einzelne Meinungen in ſeinen zoologiſchen Schriften
anführt, iſt Alkmaeon von Kroton (um 520 v. Chr.). Das von
ihm Ueberlieferte iſt aber zu unbedeutend, als daß es möglich wäre, ein
zutreffendes Bild ſeiner Anſichten über den thieriſchen Bau und deſſen
Leiſtungen zu geben. Er ſetzt den Unterſchied der menſchlichen Seele
von dem allgemeinen Lebensprincip in die Fähigkeit, das ſinnlich
Wahrgenommene zu verſtehen (Theophr. de sensu)72). Bei Erwäh-
nung der Zeit, in welcher die Geſchlechtseigenthümlichkeiten auftreten,
führt Ariſtoteles an, daß Alkmaeon darauf hingewieſen habe, wie auch
die Pflanzen erſt blühen, wenn ſie Samen zu tragen im Begriff ſeien.
Eine Angabe Alkmaeon's, daß die Ziegen durch die Ohren athmen
(eine Meinung, welche Plinius ohne ſie zu widerlegen dem Archelaos
zuſchreibt, Hist. nat. VIII, 50. 76)73), weiſt Ariſtoteles als unrichtig
zurück (Hist. anim. I, 11. 45). In ähnlicher Weiſe glaubt aber Ari-
ſtoteles
auch den Alkmaeon berichtigen zu müſſen, wenn dieſer an-
giebt74), in den Eiern entſpreche das Weiße der Milch, d. h. der den
jungen Thieren mitgegebenen Nahrung. Schon nach dieſen verſchiedenen
Seiten des thieriſchen Lebens angehörigen Beobachtungen läßt ſich an-
nehmen, daß Alkmaeon in ziemlicher Ausdehnung Erfahrungen zu ſam-
meln verſucht habe.


72) Theophrasti Opera. ed J. G. Schneider T. I. p. 657. 25.
73) Dieſelbe Anſicht kommt wieder bei Origenes vor; Philosophumena,
lib. IV, cap. 31. (p. 67. ed. Miller)
: Αἰγῶν δὲ κἂν ἐπιπάσῃ τις κηρωτῇ τὰς
ἀκόας φασὶ θνησκειν μετ̕ ὀλίγον ἀναπνεῖν κωλυομένας. Ὁδὸν γὰρ αὐταῖς
ταύτην εἶναι λέγουσι τοῦ δἰ ἀναπνοῆς ἑλκομένου πνεύματος.
74) Ariſtoteles, de generat. anim. III, 2. 33.
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[58/0069] Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums. ihrer allgemeinen naturphiloſophiſchen Syſteme benutzt. Ihnen dahin- ein zu folgen verbietet der Ort. Es gewinnt aber auch die Geſchichte der Zootomie wenig durch Erklärung ihrer Mittheilungen aus jenen Syſtemen. Da ſich das von dieſen Männern Erhaltene höchſtens auf Fragmente beſchränkt, von denen Ariſtoteles ſelbſt eine ziemliche Zahl aufbewahrt hat, ſoll hier nur in Kürze auf einige Thatſachen hingewie- ſen werden. Der älteſte Forſcher, von dem nicht bloß erzählt wird, daß er ſich mit Zergliederung von Thieren beſchäftigt habe, ſondern von welchem auch Ariſtoteles einzelne Meinungen in ſeinen zoologiſchen Schriften anführt, iſt Alkmaeon von Kroton (um 520 v. Chr.). Das von ihm Ueberlieferte iſt aber zu unbedeutend, als daß es möglich wäre, ein zutreffendes Bild ſeiner Anſichten über den thieriſchen Bau und deſſen Leiſtungen zu geben. Er ſetzt den Unterſchied der menſchlichen Seele von dem allgemeinen Lebensprincip in die Fähigkeit, das ſinnlich Wahrgenommene zu verſtehen (Theophr. de sensu) 72). Bei Erwäh- nung der Zeit, in welcher die Geſchlechtseigenthümlichkeiten auftreten, führt Ariſtoteles an, daß Alkmaeon darauf hingewieſen habe, wie auch die Pflanzen erſt blühen, wenn ſie Samen zu tragen im Begriff ſeien. Eine Angabe Alkmaeon's, daß die Ziegen durch die Ohren athmen (eine Meinung, welche Plinius ohne ſie zu widerlegen dem Archelaos zuſchreibt, Hist. nat. VIII, 50. 76) 73), weiſt Ariſtoteles als unrichtig zurück (Hist. anim. I, 11. 45). In ähnlicher Weiſe glaubt aber Ari- ſtoteles auch den Alkmaeon berichtigen zu müſſen, wenn dieſer an- giebt 74), in den Eiern entſpreche das Weiße der Milch, d. h. der den jungen Thieren mitgegebenen Nahrung. Schon nach dieſen verſchiedenen Seiten des thieriſchen Lebens angehörigen Beobachtungen läßt ſich an- nehmen, daß Alkmaeon in ziemlicher Ausdehnung Erfahrungen zu ſam- meln verſucht habe. 72) Theophrasti Opera. ed J. G. Schneider T. I. p. 657. 25. 73) Dieſelbe Anſicht kommt wieder bei Origenes vor; Philosophumena, lib. IV, cap. 31. (p. 67. ed. Miller): Αἰγῶν δὲ κἂν ἐπιπάσῃ τις κηρωτῇ τὰς ἀκόας φασὶ θνησκειν μετ̕ ὀλίγον ἀναπνεῖν κωλυομένας. Ὁδὸν γὰρ αὐταῖς ταύτην εἶναι λέγουσι τοῦ δἰ ἀναπνοῆς ἑλκομένου πνεύματος. 74) Ariſtoteles, de generat. anim. III, 2. 33.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/69>, abgerufen am 27.11.2024.