Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

Bild:
<< vorherige Seite

Uebersicht der den Alten bekannten Thierformen.
Grillen, Wanzen, Cicaden (Anakreon!), Fliegen vertreten andere In-
sectenordnungen. Daß Läuse und Flöhe bekannt waren, wurde bereits
erwähnt. Zu ersteren rechnete man auch die Schmarotzer der Fische,
von denen aber keine einzelnen Formen unterschieden werden. Auch das
Lackinsect war schon früh von Indien nach dem Westen verbreitet wor-
den. Spinnen, Phalangien, Skorpione, auch der kleine Bücherskorpion
finden sich erwähnt. Tausendfüße waren in mehreren Formen bekannt.
Weniger zahlreich sind die angeführten Formen von Krustern, unter
denen Hummer, Flußkrebs, Langusten, Squillen, mehrere Krabben her-
vortreten. Von den selbstverständlich noch nicht hierher gerechneten
Rankenfüßlern werden Meereicheln, Balanen, erwähnt. Die Aristote-
lischen Lepaden sind Napfschnecken, Patellen.

Ganz gering ist die Kenntniß der Alten von den Würmern ge-
wesen. Außer den Erdwürmern finden sich nur Angaben (zweifelhaft
über Meerwürmer und) über schmarotzende Band- und Rundwürmer.
Die Echinodermen sind im Thierschatze der Alten durch Holothu-
rien, Seeigel und Seesterne vertreten; doch war das, was man von
ihnen wußte, zu unbedeutend, als daß es hätte zur Unterscheidung be-
stimmter Formen verwendet werden können. Von Actinien und Me-
dusen kann man kaum mehr sagen, als daß einzelne Formen derselben
Aristoteles aufgefallen sind und ihn veranlaßt haben, sie sich einmal
anzusehen; in Bezug auf die Medusen ist dies sogar noch zweifelhaft.
Die Koralle kannte man wohl, war aber über ihre Natur nicht klar
(tempore durescit, mollis fuit herba sub undis. Ovid.). Auf die
zweifelhafte Stellung der Schwämme, von denen einzelne Formen an-
geführt werden, wird zwar hingewiesen; indeß natürlich ohne dieser
Frage die Bedeutung beizulegen, welche sie sachlich und formal in
neuerer Zeit erhalten hat.

Nach dieser flüchtigen Musterung der Formen, aus welchen sich
das Bild des Thierreichs bei den Alten zusammenstellte, bleibt nur noch
übrig, daran zu erinnern, daß trotz der Kritik, welche Aristoteles (frei-
lich auch nur er) falschen oder geradezu fabelhaften Erzählungen entge-
gengehalten hatte, derartige Ausschmückungen sonst vielleicht zu nüchtern
erscheinender Berichte sich lebendig erhielten und durch das ganze Alter-

Ueberſicht der den Alten bekannten Thierformen.
Grillen, Wanzen, Cicaden (Anakreon!), Fliegen vertreten andere In-
ſectenordnungen. Daß Läuſe und Flöhe bekannt waren, wurde bereits
erwähnt. Zu erſteren rechnete man auch die Schmarotzer der Fiſche,
von denen aber keine einzelnen Formen unterſchieden werden. Auch das
Lackinſect war ſchon früh von Indien nach dem Weſten verbreitet wor-
den. Spinnen, Phalangien, Skorpione, auch der kleine Bücherſkorpion
finden ſich erwähnt. Tauſendfüße waren in mehreren Formen bekannt.
Weniger zahlreich ſind die angeführten Formen von Kruſtern, unter
denen Hummer, Flußkrebs, Languſten, Squillen, mehrere Krabben her-
vortreten. Von den ſelbſtverſtändlich noch nicht hierher gerechneten
Rankenfüßlern werden Meereicheln, Balanen, erwähnt. Die Ariſtote-
liſchen Lepaden ſind Napfſchnecken, Patellen.

Ganz gering iſt die Kenntniß der Alten von den Würmern ge-
weſen. Außer den Erdwürmern finden ſich nur Angaben (zweifelhaft
über Meerwürmer und) über ſchmarotzende Band- und Rundwürmer.
Die Echinodermen ſind im Thierſchatze der Alten durch Holothu-
rien, Seeigel und Seeſterne vertreten; doch war das, was man von
ihnen wußte, zu unbedeutend, als daß es hätte zur Unterſcheidung be-
ſtimmter Formen verwendet werden können. Von Actinien und Me-
duſen kann man kaum mehr ſagen, als daß einzelne Formen derſelben
Ariſtoteles aufgefallen ſind und ihn veranlaßt haben, ſie ſich einmal
anzuſehen; in Bezug auf die Meduſen iſt dies ſogar noch zweifelhaft.
Die Koralle kannte man wohl, war aber über ihre Natur nicht klar
(tempore durescit, mollis fuit herba sub undis. Ovid.). Auf die
zweifelhafte Stellung der Schwämme, von denen einzelne Formen an-
geführt werden, wird zwar hingewieſen; indeß natürlich ohne dieſer
Frage die Bedeutung beizulegen, welche ſie ſachlich und formal in
neuerer Zeit erhalten hat.

Nach dieſer flüchtigen Muſterung der Formen, aus welchen ſich
das Bild des Thierreichs bei den Alten zuſammenſtellte, bleibt nur noch
übrig, daran zu erinnern, daß trotz der Kritik, welche Ariſtoteles (frei-
lich auch nur er) falſchen oder geradezu fabelhaften Erzählungen entge-
gengehalten hatte, derartige Ausſchmückungen ſonſt vielleicht zu nüchtern
erſcheinender Berichte ſich lebendig erhielten und durch das ganze Alter-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0066" n="55"/><fw place="top" type="header">Ueber&#x017F;icht der den Alten bekannten Thierformen.</fw><lb/>
Grillen, Wanzen, Cicaden (Anakreon!), Fliegen vertreten andere In-<lb/>
&#x017F;ectenordnungen. Daß Läu&#x017F;e und Flöhe bekannt waren, wurde bereits<lb/>
erwähnt. Zu er&#x017F;teren rechnete man auch die Schmarotzer der Fi&#x017F;che,<lb/>
von denen aber keine einzelnen Formen unter&#x017F;chieden werden. Auch das<lb/>
Lackin&#x017F;ect war &#x017F;chon früh von Indien nach dem We&#x017F;ten verbreitet wor-<lb/>
den. Spinnen, Phalangien, Skorpione, auch der kleine Bücher&#x017F;korpion<lb/>
finden &#x017F;ich erwähnt. Tau&#x017F;endfüße waren in mehreren Formen bekannt.<lb/>
Weniger zahlreich &#x017F;ind die angeführten Formen von Kru&#x017F;tern, unter<lb/>
denen Hummer, Flußkrebs, Langu&#x017F;ten, Squillen, mehrere Krabben her-<lb/>
vortreten. Von den &#x017F;elb&#x017F;tver&#x017F;tändlich noch nicht hierher gerechneten<lb/>
Rankenfüßlern werden Meereicheln, Balanen, erwähnt. Die Ari&#x017F;tote-<lb/>
li&#x017F;chen Lepaden &#x017F;ind Napf&#x017F;chnecken, Patellen.</p><lb/>
          <p>Ganz gering i&#x017F;t die Kenntniß der Alten von den <hi rendition="#g">Würmern</hi> ge-<lb/>
we&#x017F;en. Außer den Erdwürmern finden &#x017F;ich nur Angaben (zweifelhaft<lb/>
über Meerwürmer und) über &#x017F;chmarotzende Band- und Rundwürmer.<lb/>
Die <hi rendition="#g">Echinodermen</hi> &#x017F;ind im Thier&#x017F;chatze der Alten durch Holothu-<lb/>
rien, Seeigel und See&#x017F;terne vertreten; doch war das, was man von<lb/>
ihnen wußte, zu unbedeutend, als daß es hätte zur Unter&#x017F;cheidung be-<lb/>
&#x017F;timmter Formen verwendet werden können. Von Actinien und Me-<lb/>
du&#x017F;en kann man kaum mehr &#x017F;agen, als daß einzelne Formen der&#x017F;elben<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ari&#x017F;toteles</persName> aufgefallen &#x017F;ind und ihn veranlaßt haben, &#x017F;ie &#x017F;ich einmal<lb/>
anzu&#x017F;ehen; in Bezug auf die Medu&#x017F;en i&#x017F;t dies &#x017F;ogar noch zweifelhaft.<lb/>
Die Koralle kannte man wohl, war aber über ihre Natur nicht klar<lb/>
(<hi rendition="#aq">tempore durescit, mollis fuit herba sub undis. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118590995">Ovid</persName>.</hi>). Auf die<lb/>
zweifelhafte Stellung der Schwämme, von denen einzelne Formen an-<lb/>
geführt werden, wird zwar hingewie&#x017F;en; indeß natürlich ohne die&#x017F;er<lb/>
Frage die Bedeutung beizulegen, welche &#x017F;ie &#x017F;achlich und formal in<lb/>
neuerer Zeit erhalten hat.</p><lb/>
          <p>Nach die&#x017F;er flüchtigen Mu&#x017F;terung der Formen, aus welchen &#x017F;ich<lb/>
das Bild des Thierreichs bei den Alten zu&#x017F;ammen&#x017F;tellte, bleibt nur noch<lb/>
übrig, daran zu erinnern, daß trotz der Kritik, welche <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ari&#x017F;toteles</persName> (frei-<lb/>
lich auch nur er) fal&#x017F;chen oder geradezu fabelhaften Erzählungen entge-<lb/>
gengehalten hatte, derartige Aus&#x017F;chmückungen &#x017F;on&#x017F;t vielleicht zu nüchtern<lb/>
er&#x017F;cheinender Berichte &#x017F;ich lebendig erhielten und durch das ganze Alter-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0066] Ueberſicht der den Alten bekannten Thierformen. Grillen, Wanzen, Cicaden (Anakreon!), Fliegen vertreten andere In- ſectenordnungen. Daß Läuſe und Flöhe bekannt waren, wurde bereits erwähnt. Zu erſteren rechnete man auch die Schmarotzer der Fiſche, von denen aber keine einzelnen Formen unterſchieden werden. Auch das Lackinſect war ſchon früh von Indien nach dem Weſten verbreitet wor- den. Spinnen, Phalangien, Skorpione, auch der kleine Bücherſkorpion finden ſich erwähnt. Tauſendfüße waren in mehreren Formen bekannt. Weniger zahlreich ſind die angeführten Formen von Kruſtern, unter denen Hummer, Flußkrebs, Languſten, Squillen, mehrere Krabben her- vortreten. Von den ſelbſtverſtändlich noch nicht hierher gerechneten Rankenfüßlern werden Meereicheln, Balanen, erwähnt. Die Ariſtote- liſchen Lepaden ſind Napfſchnecken, Patellen. Ganz gering iſt die Kenntniß der Alten von den Würmern ge- weſen. Außer den Erdwürmern finden ſich nur Angaben (zweifelhaft über Meerwürmer und) über ſchmarotzende Band- und Rundwürmer. Die Echinodermen ſind im Thierſchatze der Alten durch Holothu- rien, Seeigel und Seeſterne vertreten; doch war das, was man von ihnen wußte, zu unbedeutend, als daß es hätte zur Unterſcheidung be- ſtimmter Formen verwendet werden können. Von Actinien und Me- duſen kann man kaum mehr ſagen, als daß einzelne Formen derſelben Ariſtoteles aufgefallen ſind und ihn veranlaßt haben, ſie ſich einmal anzuſehen; in Bezug auf die Meduſen iſt dies ſogar noch zweifelhaft. Die Koralle kannte man wohl, war aber über ihre Natur nicht klar (tempore durescit, mollis fuit herba sub undis. Ovid.). Auf die zweifelhafte Stellung der Schwämme, von denen einzelne Formen an- geführt werden, wird zwar hingewieſen; indeß natürlich ohne dieſer Frage die Bedeutung beizulegen, welche ſie ſachlich und formal in neuerer Zeit erhalten hat. Nach dieſer flüchtigen Muſterung der Formen, aus welchen ſich das Bild des Thierreichs bei den Alten zuſammenſtellte, bleibt nur noch übrig, daran zu erinnern, daß trotz der Kritik, welche Ariſtoteles (frei- lich auch nur er) falſchen oder geradezu fabelhaften Erzählungen entge- gengehalten hatte, derartige Ausſchmückungen ſonſt vielleicht zu nüchtern erſcheinender Berichte ſich lebendig erhielten und durch das ganze Alter-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/66
Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/66>, abgerufen am 27.11.2024.