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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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bedingten Polymorphismus erblicken. Huxley bezeichnete dagegen,
von ähnlichem Gesichtspunkte ausgehend, das ganze Entwickelungs-
resultat eines einzelnen Eies mit dem Namen eines Individuum38),
wurde aber dabei genöthigt, für die während der Entwickelung mit
Metagenese auftretenden Einzelthiere einen besonderen Ausdruck anzu-
wenden; er wählte das Wort "Zooid". Neben den genannten Momen-
ten lag nun aber in der Frage nach dem Individuum auch eine morpho-
logische Seite vor, welcher ich 1853 durch eine schärfere Begriffsbe-
stimmung gerecht zu werden versuchte, nachdem ich vorher (1851) die
Entwickelungsweisen durch Metamorphose und mit Generationswechsel
präciser definirt hatte.

Durch die im Vorstehenden genannten Leistungen war die morpho-
logische Betrachtungsweise auf die einzelnen Typen sowie auf die
wichtigsten Formen der Entwickelungsvorgänge angewendet worden.
Die wissenschaftliche Bedeutung der Morphologie und die sich daraus
ergebenden Aufgaben versuchte ich 1853 streng methodisch zu begrün-
den39) und das Schwanken in den Ansichten und Ausdrücken durch
logisch präcise Bestimmung der dabei vorkommenden allgemeinen Be-
griffe möglichst zu beseitigen. Es wurde dabei in nothwendiger Con-
sequenz auch der Versuch gemacht, allgemeine Bildungsgesetze der
thierischen Körper aufzustellen, wie sich solche unabhängig von der selb-
ständigen Entwickelung der einzelnen Typen darbieten. Daß damit ein
wenn auch bescheidener Gewinn für die Wissenschaft erzielt wurde, be-
weist die allgemeine Annahme mancher dort zum erstenmale entwickelter
allgemeiner Anschauungen und der auf diese gegründeten Ausdrücke.

Neben diesen Arbeiten, welche nicht bloß die Kenntniß der mannich-
faltigen Erscheinungen der Thierwelt sondern auch der Erkenntniß des
thierischen Baues zu fördern suchten, entwickelte sich im Anschlusse an
die früher geschilderten Momente ein reger Eifer, die anatomischen
Verhältnisse der Thiere immer eingehender kennen zu lernen. Des
Wichtigsten der zootomischen Leistungen, welche sich in reicher Fluth

38) "the individual animal is all the forms which proceed from a single
egg, taken together." Proceed. R. Institut. Vol. I. (1852) 1854. p. 488.
39) System der thierischen Morphologie.

bedingten Polymorphismus erblicken. Huxley bezeichnete dagegen,
von ähnlichem Geſichtspunkte ausgehend, das ganze Entwickelungs-
reſultat eines einzelnen Eies mit dem Namen eines Individuum38),
wurde aber dabei genöthigt, für die während der Entwickelung mit
Metageneſe auftretenden Einzelthiere einen beſonderen Ausdruck anzu-
wenden; er wählte das Wort „Zooid“. Neben den genannten Momen-
ten lag nun aber in der Frage nach dem Individuum auch eine morpho-
logiſche Seite vor, welcher ich 1853 durch eine ſchärfere Begriffsbe-
ſtimmung gerecht zu werden verſuchte, nachdem ich vorher (1851) die
Entwickelungsweiſen durch Metamorphoſe und mit Generationswechſel
präciſer definirt hatte.

Durch die im Vorſtehenden genannten Leiſtungen war die morpho-
logiſche Betrachtungsweiſe auf die einzelnen Typen ſowie auf die
wichtigſten Formen der Entwickelungsvorgänge angewendet worden.
Die wiſſenſchaftliche Bedeutung der Morphologie und die ſich daraus
ergebenden Aufgaben verſuchte ich 1853 ſtreng methodiſch zu begrün-
den39) und das Schwanken in den Anſichten und Ausdrücken durch
logiſch präciſe Beſtimmung der dabei vorkommenden allgemeinen Be-
griffe möglichſt zu beſeitigen. Es wurde dabei in nothwendiger Con-
ſequenz auch der Verſuch gemacht, allgemeine Bildungsgeſetze der
thieriſchen Körper aufzuſtellen, wie ſich ſolche unabhängig von der ſelb-
ſtändigen Entwickelung der einzelnen Typen darbieten. Daß damit ein
wenn auch beſcheidener Gewinn für die Wiſſenſchaft erzielt wurde, be-
weiſt die allgemeine Annahme mancher dort zum erſtenmale entwickelter
allgemeiner Anſchauungen und der auf dieſe gegründeten Ausdrücke.

Neben dieſen Arbeiten, welche nicht bloß die Kenntniß der mannich-
faltigen Erſcheinungen der Thierwelt ſondern auch der Erkenntniß des
thieriſchen Baues zu fördern ſuchten, entwickelte ſich im Anſchluſſe an
die früher geſchilderten Momente ein reger Eifer, die anatomiſchen
Verhältniſſe der Thiere immer eingehender kennen zu lernen. Des
Wichtigſten der zootomiſchen Leiſtungen, welche ſich in reicher Fluth

38) „the individual animal is all the forms which proceed from a single
egg, taken together.“ Proceed. R. Institut. Vol. I. (1852) 1854. p. 488.
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[645/0656] Steenstrup. Leuckart. V. Carus. bedingten Polymorphismus erblicken. Huxley bezeichnete dagegen, von ähnlichem Geſichtspunkte ausgehend, das ganze Entwickelungs- reſultat eines einzelnen Eies mit dem Namen eines Individuum 38), wurde aber dabei genöthigt, für die während der Entwickelung mit Metageneſe auftretenden Einzelthiere einen beſonderen Ausdruck anzu- wenden; er wählte das Wort „Zooid“. Neben den genannten Momen- ten lag nun aber in der Frage nach dem Individuum auch eine morpho- logiſche Seite vor, welcher ich 1853 durch eine ſchärfere Begriffsbe- ſtimmung gerecht zu werden verſuchte, nachdem ich vorher (1851) die Entwickelungsweiſen durch Metamorphoſe und mit Generationswechſel präciſer definirt hatte. Durch die im Vorſtehenden genannten Leiſtungen war die morpho- logiſche Betrachtungsweiſe auf die einzelnen Typen ſowie auf die wichtigſten Formen der Entwickelungsvorgänge angewendet worden. Die wiſſenſchaftliche Bedeutung der Morphologie und die ſich daraus ergebenden Aufgaben verſuchte ich 1853 ſtreng methodiſch zu begrün- den 39) und das Schwanken in den Anſichten und Ausdrücken durch logiſch präciſe Beſtimmung der dabei vorkommenden allgemeinen Be- griffe möglichſt zu beſeitigen. Es wurde dabei in nothwendiger Con- ſequenz auch der Verſuch gemacht, allgemeine Bildungsgeſetze der thieriſchen Körper aufzuſtellen, wie ſich ſolche unabhängig von der ſelb- ſtändigen Entwickelung der einzelnen Typen darbieten. Daß damit ein wenn auch beſcheidener Gewinn für die Wiſſenſchaft erzielt wurde, be- weiſt die allgemeine Annahme mancher dort zum erſtenmale entwickelter allgemeiner Anſchauungen und der auf dieſe gegründeten Ausdrücke. Neben dieſen Arbeiten, welche nicht bloß die Kenntniß der mannich- faltigen Erſcheinungen der Thierwelt ſondern auch der Erkenntniß des thieriſchen Baues zu fördern ſuchten, entwickelte ſich im Anſchluſſe an die früher geſchilderten Momente ein reger Eifer, die anatomiſchen Verhältniſſe der Thiere immer eingehender kennen zu lernen. Des Wichtigſten der zootomiſchen Leiſtungen, welche ſich in reicher Fluth 38) „the individual animal is all the forms which proceed from a single egg, taken together.“ Proceed. R. Institut. Vol. I. (1852) 1854. p. 488. 39) Syſtem der thieriſchen Morphologie.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 645. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/656>, abgerufen am 22.11.2024.