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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Periode der Morphologie.
nach dem Erscheinen von Schwann's Buche veröffentlicht wurden, die
Entwickelungsgeschichte des Kaninchens von Theod. Ludw. Wilh.
Bischoff
und des Frosches von Karl Bogisl. Reichert hoben den
genetischen Zusammenhang der in die Gewebe sich umwandelnden Em-
bryonalzellen mit den Furchungskugeln hervor. Carl Vogt suchte
zwar 1842 in der Entwickelungsgeschichte der Geburtshelferkröte nach-
zuweisen, daß die letzteren sich sämmtlich auflösen und daß aus der nun
gebildeten structurlosen Substanz sich nach Schwann's Gesetzen die
Zellen bilden. Doch hat Albert Kölliker 1844 bei Gelegenheit der
Untersuchung der Gewebeentwickelung der Cephalopoden diese Unter-
brechung der genetischen Reihe durch wiederholte Beobachtung des
Uebergangs der Furchungskugeln in Gewebezellen bei Thieren verschie-
dener Classen als unhaltbar zurückgewiesen und, wie Reichert, den
ununterbrochenen Zusammenhang der zelligen Formen von der Eizelle
bis zu den entwickelten Geweben im fertigen Thiere dargethan.

Es war nun durch die mit Schwann einen vorläufigen Abschluß
findenden histiologischen Untersuchungen nicht bloß einer der wichtigsten
allgemeinen Grundsätze für die Beurtheilung der ursprünglich gleich-
artigen Structur der verschiedensten Thiere dargelegt, es war ferner
durch dieselben nicht bloß eine mächtige Anregung für die sorgfältige
Verfolgung der embryologischen Vorgänge und der dabei auftretenden,
bereits von von Baer hervorgehobenen histiologischen Differenzirung
gegeben, sondern es hatte auch in der Schwann'schen Zellenbildungs-
theorie die Untersuchung eine bestimmte Richtung erhalten. Die Be-
deutung, welche die Erkenntniß des mikroskopischen Baues der Organe
allmählich gewonnen hatte, äußerte noch einen weiteren für die allge-
meine Morphologie direct verwerthbaren Einfluß auf die ganze Betrach-
tungsweise höherer wie besonders niederer Thiere. Carl Friedrich
Heusinger
hatte allerdings schon 1822 in seinem System der Histo-
logie31) die Gewebe im Bichat'schen Sinne nach ihrem Verhalten in
den verschiedenen Thierclassen geschildert. Ein Fortschritt in dieser

31) Der Ausdruck Histologie wurde zuerst von Aug. Franz. Jos. Karl Mayer
in Bonn 1819 gebraucht.

Periode der Morphologie.
nach dem Erſcheinen von Schwann's Buche veröffentlicht wurden, die
Entwickelungsgeſchichte des Kaninchens von Theod. Ludw. Wilh.
Biſchoff
und des Froſches von Karl Bogisl. Reichert hoben den
genetiſchen Zuſammenhang der in die Gewebe ſich umwandelnden Em-
bryonalzellen mit den Furchungskugeln hervor. Carl Vogt ſuchte
zwar 1842 in der Entwickelungsgeſchichte der Geburtshelferkröte nach-
zuweiſen, daß die letzteren ſich ſämmtlich auflöſen und daß aus der nun
gebildeten ſtructurloſen Subſtanz ſich nach Schwann's Geſetzen die
Zellen bilden. Doch hat Albert Kölliker 1844 bei Gelegenheit der
Unterſuchung der Gewebeentwickelung der Cephalopoden dieſe Unter-
brechung der genetiſchen Reihe durch wiederholte Beobachtung des
Uebergangs der Furchungskugeln in Gewebezellen bei Thieren verſchie-
dener Claſſen als unhaltbar zurückgewieſen und, wie Reichert, den
ununterbrochenen Zuſammenhang der zelligen Formen von der Eizelle
bis zu den entwickelten Geweben im fertigen Thiere dargethan.

Es war nun durch die mit Schwann einen vorläufigen Abſchluß
findenden hiſtiologiſchen Unterſuchungen nicht bloß einer der wichtigſten
allgemeinen Grundſätze für die Beurtheilung der urſprünglich gleich-
artigen Structur der verſchiedenſten Thiere dargelegt, es war ferner
durch dieſelben nicht bloß eine mächtige Anregung für die ſorgfältige
Verfolgung der embryologiſchen Vorgänge und der dabei auftretenden,
bereits von von Baer hervorgehobenen hiſtiologiſchen Differenzirung
gegeben, ſondern es hatte auch in der Schwann'ſchen Zellenbildungs-
theorie die Unterſuchung eine beſtimmte Richtung erhalten. Die Be-
deutung, welche die Erkenntniß des mikroſkopiſchen Baues der Organe
allmählich gewonnen hatte, äußerte noch einen weiteren für die allge-
meine Morphologie direct verwerthbaren Einfluß auf die ganze Betrach-
tungsweiſe höherer wie beſonders niederer Thiere. Carl Friedrich
Heuſinger
hatte allerdings ſchon 1822 in ſeinem Syſtem der Hiſto-
logie31) die Gewebe im Bichat'ſchen Sinne nach ihrem Verhalten in
den verſchiedenen Thierclaſſen geſchildert. Ein Fortſchritt in dieſer

31) Der Ausdruck Hiſtologie wurde zuerſt von Aug. Franz. Joſ. Karl Mayer
in Bonn 1819 gebraucht.
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[632/0643] Periode der Morphologie. nach dem Erſcheinen von Schwann's Buche veröffentlicht wurden, die Entwickelungsgeſchichte des Kaninchens von Theod. Ludw. Wilh. Biſchoff und des Froſches von Karl Bogisl. Reichert hoben den genetiſchen Zuſammenhang der in die Gewebe ſich umwandelnden Em- bryonalzellen mit den Furchungskugeln hervor. Carl Vogt ſuchte zwar 1842 in der Entwickelungsgeſchichte der Geburtshelferkröte nach- zuweiſen, daß die letzteren ſich ſämmtlich auflöſen und daß aus der nun gebildeten ſtructurloſen Subſtanz ſich nach Schwann's Geſetzen die Zellen bilden. Doch hat Albert Kölliker 1844 bei Gelegenheit der Unterſuchung der Gewebeentwickelung der Cephalopoden dieſe Unter- brechung der genetiſchen Reihe durch wiederholte Beobachtung des Uebergangs der Furchungskugeln in Gewebezellen bei Thieren verſchie- dener Claſſen als unhaltbar zurückgewieſen und, wie Reichert, den ununterbrochenen Zuſammenhang der zelligen Formen von der Eizelle bis zu den entwickelten Geweben im fertigen Thiere dargethan. Es war nun durch die mit Schwann einen vorläufigen Abſchluß findenden hiſtiologiſchen Unterſuchungen nicht bloß einer der wichtigſten allgemeinen Grundſätze für die Beurtheilung der urſprünglich gleich- artigen Structur der verſchiedenſten Thiere dargelegt, es war ferner durch dieſelben nicht bloß eine mächtige Anregung für die ſorgfältige Verfolgung der embryologiſchen Vorgänge und der dabei auftretenden, bereits von von Baer hervorgehobenen hiſtiologiſchen Differenzirung gegeben, ſondern es hatte auch in der Schwann'ſchen Zellenbildungs- theorie die Unterſuchung eine beſtimmte Richtung erhalten. Die Be- deutung, welche die Erkenntniß des mikroſkopiſchen Baues der Organe allmählich gewonnen hatte, äußerte noch einen weiteren für die allge- meine Morphologie direct verwerthbaren Einfluß auf die ganze Betrach- tungsweiſe höherer wie beſonders niederer Thiere. Carl Friedrich Heuſinger hatte allerdings ſchon 1822 in ſeinem Syſtem der Hiſto- logie 31) die Gewebe im Bichat'ſchen Sinne nach ihrem Verhalten in den verſchiedenen Thierclaſſen geſchildert. Ein Fortſchritt in dieſer 31) Der Ausdruck Hiſtologie wurde zuerſt von Aug. Franz. Joſ. Karl Mayer in Bonn 1819 gebraucht.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 632. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/643>, abgerufen am 28.07.2024.