Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.bei einer äußerst glücklichen Vorbildung, bei einer eingehenden, in Folge des lebendigen Interesses schon in jungen Jahren immer ausgebreite- teren Kenntniß der früheren und gleichzeitigen Leistungen nicht bloß die Mängel und thatsächlichen Lücken derselben erkannte, sondern auch in einem außerordentlichen Reichthum von Anfang an vorurtheilsfrei an- gestellter eigner Untersuchungen den Grund fand, nicht bloß die ver- gleichende Anatomie, sondern auch die davon abhängenden Lehren von der zeitlichen Aufeinanderfolge sowie von den gegenseitigen Verwandt- schaftsverhältnissen der Thiere umzugestalten oder geradezu neu aufzu- bauen. Leopold Christian Friedrich Dagobert Cuvier, welcher sich von der Zeit an, wo er als Schriftsteller aufzutreten be- gann, Georges Cuvier nannte, war am 24. August 1769 in der damals württembergischen Stadt Mömpelgardt geboren. Seine Vor- fahren waren nach der Reformation protestantisch geworden und in Folge der religiösen Verfolgungen aus ihrer Heimath, einem Städtchen im französischen Jura, nach Mömpelgardt geflohen. Durch Fleiß und Ausdauer früh ausgezeichnet bewies Cuvier schon als Knabe seine Nei- gung und seinen naturhistorischen Formensinn, wie er z. B. aus einem ihm zufällig in die Hände gekommenen Exemplar des Buffon die Figu- ren copirte und nach den Beschreibungen colorirte. Dem Schicksale, auf einer Mömpelgardter Freistelle in Tübingen zum Pfarrer ausgebildet zu werden, entgieng er in Folge des kleinlichen Neides eines Lehrers, welcher ihn wider Verdienst zurücksetzte. Statt dessen empfahl ihn die Prinzeß Friedrich ihrem Schwager, Herzog Carl, welcher ihm eine Stelle in der Carlsschule gab. Auf dieser kam er am 4. Mai 1784 an. Nach einem den allgemeinen Vorbereitungswissenschaften gewidmeten Jahre wählte er unter den fünf höheren Facultäten die der Cameral- wissenschaften, da er hier Gelegenheit fand, seine Vorliebe für Natur- wissenschaften zu pflegen. Sein Lehrer in Naturgeschichte war der Bo- taniker Kerner, seine Freunde waren in früherer Zeit Kielmeyer, in späterer Pfaff, Marschall, Leupold. Im Jahre 1788 nahm er, um Mittel zu erhalten, die Seinigen zu unterstützen, eine Hauslehrerstelle beim Grafen d'Hericy in Fiquainville bei Caen an, welche vor ihm der frühere Carlsschüler, spätere (Dorpater) Physiker Parrot innegehabt bei einer äußerſt glücklichen Vorbildung, bei einer eingehenden, in Folge des lebendigen Intereſſes ſchon in jungen Jahren immer ausgebreite- teren Kenntniß der früheren und gleichzeitigen Leiſtungen nicht bloß die Mängel und thatſächlichen Lücken derſelben erkannte, ſondern auch in einem außerordentlichen Reichthum von Anfang an vorurtheilsfrei an- geſtellter eigner Unterſuchungen den Grund fand, nicht bloß die ver- gleichende Anatomie, ſondern auch die davon abhängenden Lehren von der zeitlichen Aufeinanderfolge ſowie von den gegenſeitigen Verwandt- ſchaftsverhältniſſen der Thiere umzugeſtalten oder geradezu neu aufzu- bauen. Leopold Chriſtian Friedrich Dagobert Cuvier, welcher ſich von der Zeit an, wo er als Schriftſteller aufzutreten be- gann, Georges Cuvier nannte, war am 24. Auguſt 1769 in der damals württembergiſchen Stadt Mömpelgardt geboren. Seine Vor- fahren waren nach der Reformation proteſtantiſch geworden und in Folge der religiöſen Verfolgungen aus ihrer Heimath, einem Städtchen im franzöſiſchen Jura, nach Mömpelgardt geflohen. Durch Fleiß und Ausdauer früh ausgezeichnet bewies Cuvier ſchon als Knabe ſeine Nei- gung und ſeinen naturhiſtoriſchen Formenſinn, wie er z. B. aus einem ihm zufällig in die Hände gekommenen Exemplar des Buffon die Figu- ren copirte und nach den Beſchreibungen colorirte. Dem Schickſale, auf einer Mömpelgardter Freiſtelle in Tübingen zum Pfarrer ausgebildet zu werden, entgieng er in Folge des kleinlichen Neides eines Lehrers, welcher ihn wider Verdienſt zurückſetzte. Statt deſſen empfahl ihn die Prinzeß Friedrich ihrem Schwager, Herzog Carl, welcher ihm eine Stelle in der Carlsſchule gab. Auf dieſer kam er am 4. Mai 1784 an. Nach einem den allgemeinen Vorbereitungswiſſenſchaften gewidmeten Jahre wählte er unter den fünf höheren Facultäten die der Cameral- wiſſenſchaften, da er hier Gelegenheit fand, ſeine Vorliebe für Natur- wiſſenſchaften zu pflegen. Sein Lehrer in Naturgeſchichte war der Bo- taniker Kerner, ſeine Freunde waren in früherer Zeit Kielmeyer, in ſpäterer Pfaff, Marſchall, Leupold. Im Jahre 1788 nahm er, um Mittel zu erhalten, die Seinigen zu unterſtützen, eine Hauslehrerſtelle beim Grafen d'Héricy in Fiquainville bei Caen an, welche vor ihm der frühere Carlsſchüler, ſpätere (Dorpater) Phyſiker Parrot innegehabt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0608" n="597"/><fw place="top" type="header"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118677578">Georges Cuvier</persName>.</fw><lb/> bei einer äußerſt glücklichen Vorbildung, bei einer eingehenden, in Folge<lb/> des lebendigen Intereſſes ſchon in jungen Jahren immer ausgebreite-<lb/> teren Kenntniß der früheren und gleichzeitigen Leiſtungen nicht bloß die<lb/> Mängel und thatſächlichen Lücken derſelben erkannte, ſondern auch in<lb/> einem außerordentlichen Reichthum von Anfang an vorurtheilsfrei an-<lb/> geſtellter eigner Unterſuchungen den Grund fand, nicht bloß die ver-<lb/> gleichende Anatomie, ſondern auch die davon abhängenden Lehren von<lb/> der zeitlichen Aufeinanderfolge ſowie von den gegenſeitigen Verwandt-<lb/> ſchaftsverhältniſſen der Thiere umzugeſtalten oder geradezu neu aufzu-<lb/> bauen. <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118677578">Leopold Chriſtian Friedrich Dagobert Cuvier</persName></hi>,<lb/> welcher ſich von der Zeit an, wo er als Schriftſteller aufzutreten be-<lb/> gann, <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118677578">Georges Cuvier</persName></hi> nannte, war am 24. 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Georges Cuvier.
bei einer äußerſt glücklichen Vorbildung, bei einer eingehenden, in Folge
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teren Kenntniß der früheren und gleichzeitigen Leiſtungen nicht bloß die
Mängel und thatſächlichen Lücken derſelben erkannte, ſondern auch in
einem außerordentlichen Reichthum von Anfang an vorurtheilsfrei an-
geſtellter eigner Unterſuchungen den Grund fand, nicht bloß die ver-
gleichende Anatomie, ſondern auch die davon abhängenden Lehren von
der zeitlichen Aufeinanderfolge ſowie von den gegenſeitigen Verwandt-
ſchaftsverhältniſſen der Thiere umzugeſtalten oder geradezu neu aufzu-
bauen. Leopold Chriſtian Friedrich Dagobert Cuvier,
welcher ſich von der Zeit an, wo er als Schriftſteller aufzutreten be-
gann, Georges Cuvier nannte, war am 24. Auguſt 1769 in der
damals württembergiſchen Stadt Mömpelgardt geboren. Seine Vor-
fahren waren nach der Reformation proteſtantiſch geworden und in
Folge der religiöſen Verfolgungen aus ihrer Heimath, einem Städtchen
im franzöſiſchen Jura, nach Mömpelgardt geflohen. Durch Fleiß und
Ausdauer früh ausgezeichnet bewies Cuvier ſchon als Knabe ſeine Nei-
gung und ſeinen naturhiſtoriſchen Formenſinn, wie er z. B. aus einem
ihm zufällig in die Hände gekommenen Exemplar des Buffon die Figu-
ren copirte und nach den Beſchreibungen colorirte. Dem Schickſale, auf
einer Mömpelgardter Freiſtelle in Tübingen zum Pfarrer ausgebildet
zu werden, entgieng er in Folge des kleinlichen Neides eines Lehrers,
welcher ihn wider Verdienſt zurückſetzte. Statt deſſen empfahl ihn die
Prinzeß Friedrich ihrem Schwager, Herzog Carl, welcher ihm eine
Stelle in der Carlsſchule gab. Auf dieſer kam er am 4. Mai 1784 an.
Nach einem den allgemeinen Vorbereitungswiſſenſchaften gewidmeten
Jahre wählte er unter den fünf höheren Facultäten die der Cameral-
wiſſenſchaften, da er hier Gelegenheit fand, ſeine Vorliebe für Natur-
wiſſenſchaften zu pflegen. Sein Lehrer in Naturgeſchichte war der Bo-
taniker Kerner, ſeine Freunde waren in früherer Zeit Kielmeyer, in
ſpäterer Pfaff, Marſchall, Leupold. Im Jahre 1788 nahm er, um
Mittel zu erhalten, die Seinigen zu unterſtützen, eine Hauslehrerſtelle
beim Grafen d'Héricy in Fiquainville bei Caen an, welche vor ihm der
frühere Carlsſchüler, ſpätere (Dorpater) Phyſiker Parrot innegehabt
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