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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Vergleichende Anatomie.
Monro wissenschaftlich viel weiter führte, als Zootom ein dankbares
Andenken. Namentlich ist er durch Entdeckung der Pneumaticität der
Vogelknochen und des Zusammenhangs ihrer Lufträume mit den Lungen,
eine Entdeckung, welche fast gleichzeitig und unabhängig auch John
Hunter
machte, den Zootomen bekannt worden.

Neben derartigen Specialarbeiten, welche meist das Interesse an
den zergliederten Thieren hervorrief, wurden aber noch ausgedehntere
Untersuchungen über die Anatomie der Thiere von einer ganz andern
Seite her veranlaßt. Wie in früheren Zeiten ausgesprochen worden
war, daß man mit der menschlichen Anatomie zur Kenntniß des mensch-
lichen Baues nicht ausreiche, so forderte der Reichthum so mannichfal-
tiger Lebenserscheinungen, wie sie das Thierreich darbot, ganz von
selbst zu dem Versuche heraus, die Physiologie des Menschen durch einen
Einblick in das seinem Wesen nach sich so gleichartig darstellende Leben
der Thiere aufzuklären. Seitdem besonders Albrecht von Haller,
der Schöpfer der Experimentalphysiologie, erklärt hatte, die Physiologie
verdanke der Thieranatomie mehr als der Anatomie des Menschen, er-
blickte man in der Erklärung der Lebenserscheinungen oder in der Hülfe
zu einer solchen die einzige Aufgabe der Anatomie überhaupt. Haller
selbst hat zwar außer einzelnen kleinen Aufsätzen keine speciell zootomi-
schen Arbeiten hinterlassen; doch weisen seine physiologischen Schriften
auf die große Ausdehnung seiner Thierzergliederungen hin. Durch den
Aufschwung, welchen die Physiologie seinem Auftreten verdankte, nah-
men aber die zootomischen Untersuchungen eine Richtung an, welche sie
mit Vernachlässigung der ihnen zunächst innewohnenden selbständigen
Bedeutung in völlige Abhängigkeit von der Physiologie brachte, ein
Verhältniß, welches noch heute der allgemeinen Verbreitung eines rich-
tigen Urtheils über das Wesen und die Bedeutung der vergleichenden
Anatomie hindernd entgegensteht, wie es seiner Zeit die Entwickelung
der Zoologie dadurch aufhielt, daß es die Aufmerksamkeit von der
nächstliegenden Aufgabe, der Erklärung der thierischen Formen und
deren Verschiedenheiten, ablenkte auf jene fernerliegende, das Zustande-
kommen der Lebenserscheinungen überhaupt zu erklären.

Der Einfluß dieser Richtung offenbart sich deutlich in der Art und

Vergleichende Anatomie.
Monro wiſſenſchaftlich viel weiter führte, als Zootom ein dankbares
Andenken. Namentlich iſt er durch Entdeckung der Pneumaticität der
Vogelknochen und des Zuſammenhangs ihrer Lufträume mit den Lungen,
eine Entdeckung, welche faſt gleichzeitig und unabhängig auch John
Hunter
machte, den Zootomen bekannt worden.

Neben derartigen Specialarbeiten, welche meiſt das Intereſſe an
den zergliederten Thieren hervorrief, wurden aber noch ausgedehntere
Unterſuchungen über die Anatomie der Thiere von einer ganz andern
Seite her veranlaßt. Wie in früheren Zeiten ausgeſprochen worden
war, daß man mit der menſchlichen Anatomie zur Kenntniß des menſch-
lichen Baues nicht ausreiche, ſo forderte der Reichthum ſo mannichfal-
tiger Lebenserſcheinungen, wie ſie das Thierreich darbot, ganz von
ſelbſt zu dem Verſuche heraus, die Phyſiologie des Menſchen durch einen
Einblick in das ſeinem Weſen nach ſich ſo gleichartig darſtellende Leben
der Thiere aufzuklären. Seitdem beſonders Albrecht von Haller,
der Schöpfer der Experimentalphyſiologie, erklärt hatte, die Phyſiologie
verdanke der Thieranatomie mehr als der Anatomie des Menſchen, er-
blickte man in der Erklärung der Lebenserſcheinungen oder in der Hülfe
zu einer ſolchen die einzige Aufgabe der Anatomie überhaupt. Haller
ſelbſt hat zwar außer einzelnen kleinen Aufſätzen keine ſpeciell zootomi-
ſchen Arbeiten hinterlaſſen; doch weiſen ſeine phyſiologiſchen Schriften
auf die große Ausdehnung ſeiner Thierzergliederungen hin. Durch den
Aufſchwung, welchen die Phyſiologie ſeinem Auftreten verdankte, nah-
men aber die zootomiſchen Unterſuchungen eine Richtung an, welche ſie
mit Vernachläſſigung der ihnen zunächſt innewohnenden ſelbſtändigen
Bedeutung in völlige Abhängigkeit von der Phyſiologie brachte, ein
Verhältniß, welches noch heute der allgemeinen Verbreitung eines rich-
tigen Urtheils über das Weſen und die Bedeutung der vergleichenden
Anatomie hindernd entgegenſteht, wie es ſeiner Zeit die Entwickelung
der Zoologie dadurch aufhielt, daß es die Aufmerkſamkeit von der
nächſtliegenden Aufgabe, der Erklärung der thieriſchen Formen und
deren Verſchiedenheiten, ablenkte auf jene fernerliegende, das Zuſtande-
kommen der Lebenserſcheinungen überhaupt zu erklären.

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[567/0578] Vergleichende Anatomie. Monro wiſſenſchaftlich viel weiter führte, als Zootom ein dankbares Andenken. Namentlich iſt er durch Entdeckung der Pneumaticität der Vogelknochen und des Zuſammenhangs ihrer Lufträume mit den Lungen, eine Entdeckung, welche faſt gleichzeitig und unabhängig auch John Hunter machte, den Zootomen bekannt worden. Neben derartigen Specialarbeiten, welche meiſt das Intereſſe an den zergliederten Thieren hervorrief, wurden aber noch ausgedehntere Unterſuchungen über die Anatomie der Thiere von einer ganz andern Seite her veranlaßt. Wie in früheren Zeiten ausgeſprochen worden war, daß man mit der menſchlichen Anatomie zur Kenntniß des menſch- lichen Baues nicht ausreiche, ſo forderte der Reichthum ſo mannichfal- tiger Lebenserſcheinungen, wie ſie das Thierreich darbot, ganz von ſelbſt zu dem Verſuche heraus, die Phyſiologie des Menſchen durch einen Einblick in das ſeinem Weſen nach ſich ſo gleichartig darſtellende Leben der Thiere aufzuklären. Seitdem beſonders Albrecht von Haller, der Schöpfer der Experimentalphyſiologie, erklärt hatte, die Phyſiologie verdanke der Thieranatomie mehr als der Anatomie des Menſchen, er- blickte man in der Erklärung der Lebenserſcheinungen oder in der Hülfe zu einer ſolchen die einzige Aufgabe der Anatomie überhaupt. Haller ſelbſt hat zwar außer einzelnen kleinen Aufſätzen keine ſpeciell zootomi- ſchen Arbeiten hinterlaſſen; doch weiſen ſeine phyſiologiſchen Schriften auf die große Ausdehnung ſeiner Thierzergliederungen hin. Durch den Aufſchwung, welchen die Phyſiologie ſeinem Auftreten verdankte, nah- men aber die zootomiſchen Unterſuchungen eine Richtung an, welche ſie mit Vernachläſſigung der ihnen zunächſt innewohnenden ſelbſtändigen Bedeutung in völlige Abhängigkeit von der Phyſiologie brachte, ein Verhältniß, welches noch heute der allgemeinen Verbreitung eines rich- tigen Urtheils über das Weſen und die Bedeutung der vergleichenden Anatomie hindernd entgegenſteht, wie es ſeiner Zeit die Entwickelung der Zoologie dadurch aufhielt, daß es die Aufmerkſamkeit von der nächſtliegenden Aufgabe, der Erklärung der thieriſchen Formen und deren Verſchiedenheiten, ablenkte auf jene fernerliegende, das Zuſtande- kommen der Lebenserſcheinungen überhaupt zu erklären. Der Einfluß dieſer Richtung offenbart ſich deutlich in der Art und

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 567. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/578>, abgerufen am 22.11.2024.