Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

Bild:
<< vorherige Seite

Periode der Systematik.
haupt außerhalb anderer Thiere fortzuleben, und die Unwahrscheinlich-
keit, daß sich die Eier derselben, welche doch an die Temperatur der
Wohnthiere gebunden seien, außerhalb derselben entwickeln könnten.
Die Frage wurde für so allgemein wichtig gehalten, daß die dänische
Gesellschaft der Wissenschaften auf ihre Lösung einen Preis aussetzte
(1780). Zwei Arbeiten wurden des Preises würdig befunden, die eine
von M. E. Bloch, welcher vorzüglich auf die Frage selbst eingeht,
ohne dabei die Naturgeschichte und Verschiedenheit der einzelnen Hel-
minthenarten ausführlicher zu erörtern, die andere von J. A. E. Goeze,
welcher seine Preisarbeit weiter ausführte und in dem so entstandenen
"Versuch zu einer Naturgeschichte der Eingeweidewürmer" (1782) das
erste wichtige monographische Werk über Helminthen lieferte. Auch
Goeze sprach sich in der angeführten Weise gegen die Einführung der
Würmer von außen in den thierischen Körper und für das Entstehen
derselben innerhalb des letzteren aus. In Bezug auf die einzelnen Formen
gibt er unter Anwendung einer allerdings in Folge des Standpunktes
der Zeit jetzt häufig als bedenklich erscheinenden Kritik die Meinungen
seiner Vorgänger, unter denen Pallas und O. F. Müller die bedeu-
tendsten sind. Anatomische Schilderungen der beobachteten Thiere
klären allmählich die Anschauungen. Eine Eintheilung der Eingeweide-
würmer nimmt er noch nicht vor, stellt aber die verwandten Formen
zusammen. Dabei ist hervorzuheben, daß er die Blasenwürmer zu den
Bandwürmern stellt und ihre Arten nur als eine besondere Gruppe
"hydatigenae" oder solche, die in Eingeweiden (nicht im Darme)
leben, von den andern sondert. Als daher Joh. Georg Heinr. Zeder
in dem "Ersten Nachtrag" zu Goeze's Naturgeschichte (1800) die fünf
Ordnungen aufstellte, welche dann Rudolph annahm und in ihrer
griechisch-lateinischen Bezeichnung allgemein verbreitete, war es ein
entschiedener Rückschritt, daß er die Blasenwürmer als selbständige
Ordnung von den Bandwürmern schied.

Die zu Linne's Würmern gehörigen Polypen waren in Betreff
ihrer wahren Natur nicht von allen Beobachtern gleichmäßig beurtheilt
worden. Der englische Mikroskopiker John Hill (geb. 1716, gest. 1775)
und anfangs noch Job Baster waren über die thierische Natur der

Periode der Syſtematik.
haupt außerhalb anderer Thiere fortzuleben, und die Unwahrſcheinlich-
keit, daß ſich die Eier derſelben, welche doch an die Temperatur der
Wohnthiere gebunden ſeien, außerhalb derſelben entwickeln könnten.
Die Frage wurde für ſo allgemein wichtig gehalten, daß die däniſche
Geſellſchaft der Wiſſenſchaften auf ihre Löſung einen Preis ausſetzte
(1780). Zwei Arbeiten wurden des Preiſes würdig befunden, die eine
von M. E. Bloch, welcher vorzüglich auf die Frage ſelbſt eingeht,
ohne dabei die Naturgeſchichte und Verſchiedenheit der einzelnen Hel-
minthenarten ausführlicher zu erörtern, die andere von J. A. E. Goeze,
welcher ſeine Preisarbeit weiter ausführte und in dem ſo entſtandenen
„Verſuch zu einer Naturgeſchichte der Eingeweidewürmer“ (1782) das
erſte wichtige monographiſche Werk über Helminthen lieferte. Auch
Goeze ſprach ſich in der angeführten Weiſe gegen die Einführung der
Würmer von außen in den thieriſchen Körper und für das Entſtehen
derſelben innerhalb des letzteren aus. In Bezug auf die einzelnen Formen
gibt er unter Anwendung einer allerdings in Folge des Standpunktes
der Zeit jetzt häufig als bedenklich erſcheinenden Kritik die Meinungen
ſeiner Vorgänger, unter denen Pallas und O. F. Müller die bedeu-
tendſten ſind. Anatomiſche Schilderungen der beobachteten Thiere
klären allmählich die Anſchauungen. Eine Eintheilung der Eingeweide-
würmer nimmt er noch nicht vor, ſtellt aber die verwandten Formen
zuſammen. Dabei iſt hervorzuheben, daß er die Blaſenwürmer zu den
Bandwürmern ſtellt und ihre Arten nur als eine beſondere Gruppe
hydatigenae“ oder ſolche, die in Eingeweiden (nicht im Darme)
leben, von den andern ſondert. Als daher Joh. Georg Heinr. Zeder
in dem „Erſten Nachtrag“ zu Goeze's Naturgeſchichte (1800) die fünf
Ordnungen aufſtellte, welche dann Rudolph annahm und in ihrer
griechiſch-lateiniſchen Bezeichnung allgemein verbreitete, war es ein
entſchiedener Rückſchritt, daß er die Blaſenwürmer als ſelbſtändige
Ordnung von den Bandwürmern ſchied.

Die zu Linné's Würmern gehörigen Polypen waren in Betreff
ihrer wahren Natur nicht von allen Beobachtern gleichmäßig beurtheilt
worden. Der engliſche Mikroſkopiker John Hill (geb. 1716, geſt. 1775)
und anfangs noch Job Baſter waren über die thieriſche Natur der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0573" n="562"/><fw place="top" type="header">Periode der Sy&#x017F;tematik.</fw><lb/>
haupt außerhalb anderer Thiere fortzuleben, und die Unwahr&#x017F;cheinlich-<lb/>
keit, daß &#x017F;ich die Eier der&#x017F;elben, welche doch an die Temperatur der<lb/>
Wohnthiere gebunden &#x017F;eien, außerhalb der&#x017F;elben entwickeln könnten.<lb/>
Die Frage wurde für &#x017F;o allgemein wichtig gehalten, daß die däni&#x017F;che<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften auf ihre Lö&#x017F;ung einen Preis aus&#x017F;etzte<lb/>
(1780). Zwei Arbeiten wurden des Prei&#x017F;es würdig befunden, die eine<lb/>
von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118663968">M. E. <hi rendition="#g">Bloch</hi></persName>, welcher vorzüglich auf die Frage &#x017F;elb&#x017F;t eingeht,<lb/>
ohne dabei die Naturge&#x017F;chichte und Ver&#x017F;chiedenheit der einzelnen Hel-<lb/>
minthenarten ausführlicher zu erörtern, die andere von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/116745509">J. A. E. <hi rendition="#g">Goeze</hi></persName>,<lb/>
welcher &#x017F;eine Preisarbeit weiter ausführte und in dem &#x017F;o ent&#x017F;tandenen<lb/>
&#x201E;Ver&#x017F;uch zu einer Naturge&#x017F;chichte der Eingeweidewürmer&#x201C; (1782) das<lb/>
er&#x017F;te wichtige monographi&#x017F;che Werk über Helminthen lieferte. Auch<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/116745509">Goeze</persName> &#x017F;prach &#x017F;ich in der angeführten Wei&#x017F;e gegen die Einführung der<lb/>
Würmer von außen in den thieri&#x017F;chen Körper und für das Ent&#x017F;tehen<lb/>
der&#x017F;elben innerhalb des letzteren aus. In Bezug auf die einzelnen Formen<lb/>
gibt er unter Anwendung einer allerdings in Folge des Standpunktes<lb/>
der Zeit jetzt häufig als bedenklich er&#x017F;cheinenden Kritik die Meinungen<lb/>
&#x017F;einer Vorgänger, unter denen <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118591371">Pallas</persName> und <persName ref="http://d-nb.info/gnd/117609331">O. F. Müller</persName> die bedeu-<lb/>
tend&#x017F;ten &#x017F;ind. Anatomi&#x017F;che Schilderungen der beobachteten Thiere<lb/>
klären allmählich die An&#x017F;chauungen. Eine Eintheilung der Eingeweide-<lb/>
würmer nimmt er noch nicht vor, &#x017F;tellt aber die verwandten Formen<lb/>
zu&#x017F;ammen. Dabei i&#x017F;t hervorzuheben, daß er die Bla&#x017F;enwürmer zu den<lb/>
Bandwürmern &#x017F;tellt und ihre Arten nur als eine be&#x017F;ondere Gruppe<lb/>
&#x201E;<hi rendition="#aq">hydatigenae</hi>&#x201C; oder &#x017F;olche, die in Eingeweiden (nicht im Darme)<lb/>
leben, von den andern &#x017F;ondert. Als daher <persName ref="http://d-nb.info/gnd/100709508">Joh. Georg Heinr. <hi rendition="#g">Zeder</hi></persName><lb/>
in dem &#x201E;Er&#x017F;ten Nachtrag&#x201C; zu <persName ref="http://d-nb.info/gnd/116745509">Goeze</persName>'s Naturge&#x017F;chichte (1800) die fünf<lb/>
Ordnungen auf&#x017F;tellte, welche dann <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/115526641">Rudolph</persName></hi> annahm und in ihrer<lb/>
griechi&#x017F;ch-lateini&#x017F;chen Bezeichnung allgemein verbreitete, war es ein<lb/>
ent&#x017F;chiedener Rück&#x017F;chritt, daß er die Bla&#x017F;enwürmer als &#x017F;elb&#x017F;tändige<lb/>
Ordnung von den Bandwürmern &#x017F;chied.</p><lb/>
          <p>Die zu <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118573349">Linné</persName>'s Würmern gehörigen <hi rendition="#g">Polypen</hi> waren in Betreff<lb/>
ihrer wahren Natur nicht von allen Beobachtern gleichmäßig beurtheilt<lb/>
worden. Der engli&#x017F;che Mikro&#x017F;kopiker <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119049414">John <hi rendition="#g">Hill</hi></persName> (geb. 1716, ge&#x017F;t. 1775)<lb/>
und anfangs noch <persName ref="http://d-nb.info/gnd/117751138">Job <hi rendition="#g">Ba&#x017F;ter</hi></persName> waren über die thieri&#x017F;che Natur der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[562/0573] Periode der Syſtematik. haupt außerhalb anderer Thiere fortzuleben, und die Unwahrſcheinlich- keit, daß ſich die Eier derſelben, welche doch an die Temperatur der Wohnthiere gebunden ſeien, außerhalb derſelben entwickeln könnten. Die Frage wurde für ſo allgemein wichtig gehalten, daß die däniſche Geſellſchaft der Wiſſenſchaften auf ihre Löſung einen Preis ausſetzte (1780). Zwei Arbeiten wurden des Preiſes würdig befunden, die eine von M. E. Bloch, welcher vorzüglich auf die Frage ſelbſt eingeht, ohne dabei die Naturgeſchichte und Verſchiedenheit der einzelnen Hel- minthenarten ausführlicher zu erörtern, die andere von J. A. E. Goeze, welcher ſeine Preisarbeit weiter ausführte und in dem ſo entſtandenen „Verſuch zu einer Naturgeſchichte der Eingeweidewürmer“ (1782) das erſte wichtige monographiſche Werk über Helminthen lieferte. Auch Goeze ſprach ſich in der angeführten Weiſe gegen die Einführung der Würmer von außen in den thieriſchen Körper und für das Entſtehen derſelben innerhalb des letzteren aus. In Bezug auf die einzelnen Formen gibt er unter Anwendung einer allerdings in Folge des Standpunktes der Zeit jetzt häufig als bedenklich erſcheinenden Kritik die Meinungen ſeiner Vorgänger, unter denen Pallas und O. F. Müller die bedeu- tendſten ſind. Anatomiſche Schilderungen der beobachteten Thiere klären allmählich die Anſchauungen. Eine Eintheilung der Eingeweide- würmer nimmt er noch nicht vor, ſtellt aber die verwandten Formen zuſammen. Dabei iſt hervorzuheben, daß er die Blaſenwürmer zu den Bandwürmern ſtellt und ihre Arten nur als eine beſondere Gruppe „hydatigenae“ oder ſolche, die in Eingeweiden (nicht im Darme) leben, von den andern ſondert. Als daher Joh. Georg Heinr. Zeder in dem „Erſten Nachtrag“ zu Goeze's Naturgeſchichte (1800) die fünf Ordnungen aufſtellte, welche dann Rudolph annahm und in ihrer griechiſch-lateiniſchen Bezeichnung allgemein verbreitete, war es ein entſchiedener Rückſchritt, daß er die Blaſenwürmer als ſelbſtändige Ordnung von den Bandwürmern ſchied. Die zu Linné's Würmern gehörigen Polypen waren in Betreff ihrer wahren Natur nicht von allen Beobachtern gleichmäßig beurtheilt worden. Der engliſche Mikroſkopiker John Hill (geb. 1716, geſt. 1775) und anfangs noch Job Baſter waren über die thieriſche Natur der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/573
Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 562. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/573>, abgerufen am 25.11.2024.