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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Zoologische Kenntnisse des Alterthums.
als nach den empfangenen Sinneseindrücken der Erzähler hätte vor-
ausgesetzt werden können.

Unter den Nachfolgern des Ktesias findet sich kaum einer, welcher
sich in seinen Schilderungen verschiedener Menschenstämme ganz von
den Uebertreibungen, welche naturgemäß die oberflächlichen Beobach-
tungen zu ergänzen bestimmt waren, hätte frei machen können. Doch
gewinnt es den Anschein, als ob doch im Allgemeinen eine etwas nüch-
ternere Anschauung allmählich Platz gegriffen hätte. So sind die Ich-
thyophagen, Chelonophagen und andere Völker, welche Agatharchides
erwähnt, wohl nur deshalb nicht weiter zu bestimmen, als bei dem
Mangel treffender Gesichtspunkte die Schilderung sich nur auf einzelne
Aeußerlichkeiten erstreckt. Ob dagegen die Hylophagen, welche völlig
nackt auf Bäumen wohnen, sich auf diesen behend bewegen und von
den saftigen Trieben und Blättern derselben ernähren, Affen oder eine
wunderbare Menschenrasse darstellen, ist nicht auszumachen. Schon
Herodot versucht, aus physiognomischen und culturhistorischen Momen-
ten die Zusammengehörigkeit einzelner Völker zu begründen; eine na-
turgeschichtliche Betrachtung des Menschen war aber den Alten fremd.
Plinius wiederholt noch die Erzählungen aus Ktesias, Megasthenes,
Artemidoros u. a. ; aber ohne Bedenken hält er die Wundermenschen
für Naturspiele54). Dagegen kommen bei Arrian Schilderungen der
Neger vor; auch bemerkt er, die Indier seien den Aethiopiern ähnlich.
Albinos in Indien erwähnt schon Ktesias; Neger-Albinos schildert
Philostratos in seiner Lebensbeschreibung des Apollonios von Tyana;
sein Bericht ist aber sicher wie das Meiste derartiger Merkwürdigkeiten
aus älteren Quellen entnommen.

Von Affen kannten die Alten Paviane, Makaken, lang- und
kurzschwänzige Arten, und Cerkopitheken. Daß sie von den jetzt soge-
nannten Anthropomorphen keine Form gesehen, wenigstens nicht be-

54) Hist. natur. VII, 2. 2. Haec atque talia ex hominum genere ludi-
bria sibi, nobis miracula, ingeniosa fecit natura.
Selbst Antigonus Karystius
hatte dem Ktesias gegenüber mehr Kritik, wenn er nach Anführung einer Erzählung
desselben in bezeichnender Weise noch hinzufügt: "dia de to auton polla pseu-
desthai, parele[ - 1 Zeichen fehlt]pomen ten eklogen".

Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums.
als nach den empfangenen Sinneseindrücken der Erzähler hätte vor-
ausgeſetzt werden können.

Unter den Nachfolgern des Kteſias findet ſich kaum einer, welcher
ſich in ſeinen Schilderungen verſchiedener Menſchenſtämme ganz von
den Uebertreibungen, welche naturgemäß die oberflächlichen Beobach-
tungen zu ergänzen beſtimmt waren, hätte frei machen können. Doch
gewinnt es den Anſchein, als ob doch im Allgemeinen eine etwas nüch-
ternere Anſchauung allmählich Platz gegriffen hätte. So ſind die Ich-
thyophagen, Chelonophagen und andere Völker, welche Agatharchides
erwähnt, wohl nur deshalb nicht weiter zu beſtimmen, als bei dem
Mangel treffender Geſichtspunkte die Schilderung ſich nur auf einzelne
Aeußerlichkeiten erſtreckt. Ob dagegen die Hylophagen, welche völlig
nackt auf Bäumen wohnen, ſich auf dieſen behend bewegen und von
den ſaftigen Trieben und Blättern derſelben ernähren, Affen oder eine
wunderbare Menſchenraſſe darſtellen, iſt nicht auszumachen. Schon
Herodot verſucht, aus phyſiognomiſchen und culturhiſtoriſchen Momen-
ten die Zuſammengehörigkeit einzelner Völker zu begründen; eine na-
turgeſchichtliche Betrachtung des Menſchen war aber den Alten fremd.
Plinius wiederholt noch die Erzählungen aus Kteſias, Megaſthenes,
Artemidoros u. a. ; aber ohne Bedenken hält er die Wundermenſchen
für Naturſpiele54). Dagegen kommen bei Arrian Schilderungen der
Neger vor; auch bemerkt er, die Indier ſeien den Aethiopiern ähnlich.
Albinos in Indien erwähnt ſchon Kteſias; Neger-Albinos ſchildert
Philoſtratos in ſeiner Lebensbeſchreibung des Apollonios von Tyana;
ſein Bericht iſt aber ſicher wie das Meiſte derartiger Merkwürdigkeiten
aus älteren Quellen entnommen.

Von Affen kannten die Alten Paviane, Makaken, lang- und
kurzſchwänzige Arten, und Cerkopitheken. Daß ſie von den jetzt ſoge-
nannten Anthropomorphen keine Form geſehen, wenigſtens nicht be-

54) Hist. natur. VII, 2. 2. Haec atque talia ex hominum genere ludi-
bria sibi, nobis miracula, ingeniosa fecit natura.
Selbſt Antigonus Karyſtius
hatte dem Kteſias gegenüber mehr Kritik, wenn er nach Anführung einer Erzählung
deſſelben in bezeichnender Weiſe noch hinzufügt: „διὰ δὲ τὸ αὐτὸν πολλὰ ψεύ-
δεσθαι, παρελε[ – 1 Zeichen fehlt]πομεν τὴν ἐκλογήν“.
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[46/0057] Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums. als nach den empfangenen Sinneseindrücken der Erzähler hätte vor- ausgeſetzt werden können. Unter den Nachfolgern des Kteſias findet ſich kaum einer, welcher ſich in ſeinen Schilderungen verſchiedener Menſchenſtämme ganz von den Uebertreibungen, welche naturgemäß die oberflächlichen Beobach- tungen zu ergänzen beſtimmt waren, hätte frei machen können. Doch gewinnt es den Anſchein, als ob doch im Allgemeinen eine etwas nüch- ternere Anſchauung allmählich Platz gegriffen hätte. So ſind die Ich- thyophagen, Chelonophagen und andere Völker, welche Agatharchides erwähnt, wohl nur deshalb nicht weiter zu beſtimmen, als bei dem Mangel treffender Geſichtspunkte die Schilderung ſich nur auf einzelne Aeußerlichkeiten erſtreckt. Ob dagegen die Hylophagen, welche völlig nackt auf Bäumen wohnen, ſich auf dieſen behend bewegen und von den ſaftigen Trieben und Blättern derſelben ernähren, Affen oder eine wunderbare Menſchenraſſe darſtellen, iſt nicht auszumachen. Schon Herodot verſucht, aus phyſiognomiſchen und culturhiſtoriſchen Momen- ten die Zuſammengehörigkeit einzelner Völker zu begründen; eine na- turgeſchichtliche Betrachtung des Menſchen war aber den Alten fremd. Plinius wiederholt noch die Erzählungen aus Kteſias, Megaſthenes, Artemidoros u. a. ; aber ohne Bedenken hält er die Wundermenſchen für Naturſpiele 54). Dagegen kommen bei Arrian Schilderungen der Neger vor; auch bemerkt er, die Indier ſeien den Aethiopiern ähnlich. Albinos in Indien erwähnt ſchon Kteſias; Neger-Albinos ſchildert Philoſtratos in ſeiner Lebensbeſchreibung des Apollonios von Tyana; ſein Bericht iſt aber ſicher wie das Meiſte derartiger Merkwürdigkeiten aus älteren Quellen entnommen. Von Affen kannten die Alten Paviane, Makaken, lang- und kurzſchwänzige Arten, und Cerkopitheken. Daß ſie von den jetzt ſoge- nannten Anthropomorphen keine Form geſehen, wenigſtens nicht be- 54) Hist. natur. VII, 2. 2. Haec atque talia ex hominum genere ludi- bria sibi, nobis miracula, ingeniosa fecit natura. Selbſt Antigonus Karyſtius hatte dem Kteſias gegenüber mehr Kritik, wenn er nach Anführung einer Erzählung deſſelben in bezeichnender Weiſe noch hinzufügt: „διὰ δὲ τὸ αὐτὸν πολλὰ ψεύ- δεσθαι, παρελε_πομεν τὴν ἐκλογήν“.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/57>, abgerufen am 24.11.2024.