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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Uebersicht der den Alten bekannten Thierformen.
hatte50). Zu den Hundsköpfen und Kopflosen, welche aber von Libyen,
dem einen Wunderlande, in das andere, Indien, versetzt werden, fügt
Ktesias noch die auf Kranichen reitenden Pygmäen, "die einbeinigen
behenden Läufer, die Plattfüße, die sich auf den Rücken legten und die
Beine emporstreckten, um ihre großen Füße als Sonnenschirme zu ge-
brauchen, und vieles andere, was nachher theilweise in den falschen
Kallisthenes, in die Legende vom heiligen Brandanus, in die Reise des
Sindbad und Maundeville, und bei uns in die Abenteuer des Herzog
Ernst übergegangen ist"51). Aehnliche Fabeln wiederholt auch Mega-
sthenes
.

Schwer ist es, derartige Fabeln auf ihren Ursprung zurückzufüh-
ren, noch schwerer vielleicht, zu entscheiden, ob dabei absichtlich Unge-
heuerlichkeiten erzählt oder bestimmte Naturerscheinungen flüchtig oder
unrichtig beobachtet und leichtsinnig weiter erzählt worden sind. Die
erst genannte Aufgabe dürfte dadurch um ein Kleines ihrer Lösung ge-
nähert werden, daß sich Momente ergeben, welche auf einen asiatischen
Ursprung hinweisen. In dem chinesischen Chan-hai-king, dem zwar
apokryphen, aber doch in die ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung
zurückzuverlegenden "Buche der Berge und Meere", werden Dämonen
geschildert und abgebildet, welche sogar in vielen Einzelheiten an die
Fabelthiere und fabelhaften Menschen des Ktesias erinnern52). Und
was den zweiten Umstand betrifft, so hat man von verschiedenen Seiten
her versucht, jene Wunderformen auf bestimmte, der Uebertreibung
oder falschen Deutung unterlegenen Erscheinungen zurückzuführen53).
Doch ist nicht zu leugnen, daß bei manchen dieser Ungeheuer eine Er-
klärung wohl unmöglich, dagegen die Annahme wohl erlaubt sein
dürfte, die Einbildungskraft habe hier eine größere Thätigkeit entwickelt,

50) Herodot, IV. Buch, Cap. 191. vgl. auch Cap. 17-27, 103-110. und
III. Buch, Cap. 116. und andere Stellen.
51) A. W. von Schlegel a. a. O. S. 149. s. auch Lassen, Indische Al-
terthumskunde 2. Bd. S. 651.
52) Bazin, aeine, Du Chan-hai-king, cosmographie fabuleuse attribuee
au grand Yu
in: Journ. asiat. 3. Ser. T. 8. 1839. p. 337-382.
53) So z. B. H. H. Wilson, Notes on the Indica of Ctesias. Oxford
(Ashmolean Soc.)
1836.

Ueberſicht der den Alten bekannten Thierformen.
hatte50). Zu den Hundsköpfen und Kopfloſen, welche aber von Libyen,
dem einen Wunderlande, in das andere, Indien, verſetzt werden, fügt
Kteſias noch die auf Kranichen reitenden Pygmäen, „die einbeinigen
behenden Läufer, die Plattfüße, die ſich auf den Rücken legten und die
Beine emporſtreckten, um ihre großen Füße als Sonnenſchirme zu ge-
brauchen, und vieles andere, was nachher theilweiſe in den falſchen
Kalliſthenes, in die Legende vom heiligen Brandanus, in die Reiſe des
Sindbad und Maundeville, und bei uns in die Abenteuer des Herzog
Ernſt übergegangen iſt“51). Aehnliche Fabeln wiederholt auch Mega-
ſthenes
.

Schwer iſt es, derartige Fabeln auf ihren Urſprung zurückzufüh-
ren, noch ſchwerer vielleicht, zu entſcheiden, ob dabei abſichtlich Unge-
heuerlichkeiten erzählt oder beſtimmte Naturerſcheinungen flüchtig oder
unrichtig beobachtet und leichtſinnig weiter erzählt worden ſind. Die
erſt genannte Aufgabe dürfte dadurch um ein Kleines ihrer Löſung ge-
nähert werden, daß ſich Momente ergeben, welche auf einen aſiatiſchen
Urſprung hinweiſen. In dem chineſiſchen Chan-haï-king, dem zwar
apokryphen, aber doch in die erſten Jahrhunderte unſerer Zeitrechnung
zurückzuverlegenden „Buche der Berge und Meere“, werden Dämonen
geſchildert und abgebildet, welche ſogar in vielen Einzelheiten an die
Fabelthiere und fabelhaften Menſchen des Kteſias erinnern52). Und
was den zweiten Umſtand betrifft, ſo hat man von verſchiedenen Seiten
her verſucht, jene Wunderformen auf beſtimmte, der Uebertreibung
oder falſchen Deutung unterlegenen Erſcheinungen zurückzuführen53).
Doch iſt nicht zu leugnen, daß bei manchen dieſer Ungeheuer eine Er-
klärung wohl unmöglich, dagegen die Annahme wohl erlaubt ſein
dürfte, die Einbildungskraft habe hier eine größere Thätigkeit entwickelt,

50) Herodot, IV. Buch, Cap. 191. vgl. auch Cap. 17-27, 103-110. und
III. Buch, Cap. 116. und andere Stellen.
51) A. W. von Schlegel a. a. O. S. 149. ſ. auch Laſſen, Indiſche Al-
terthumskunde 2. Bd. S. 651.
52) Bazin, aîné, Du Chan-haï-king, cosmographie fabuleuse attribuée
au grand Yu
in: Journ. asiat. 3. Sér. T. 8. 1839. p. 337-382.
53) So z. B. H. H. Wilson, Notes on the Indica of Ctesias. Oxford
(Ashmolean Soc.)
1836.
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[45/0056] Ueberſicht der den Alten bekannten Thierformen. hatte 50). Zu den Hundsköpfen und Kopfloſen, welche aber von Libyen, dem einen Wunderlande, in das andere, Indien, verſetzt werden, fügt Kteſias noch die auf Kranichen reitenden Pygmäen, „die einbeinigen behenden Läufer, die Plattfüße, die ſich auf den Rücken legten und die Beine emporſtreckten, um ihre großen Füße als Sonnenſchirme zu ge- brauchen, und vieles andere, was nachher theilweiſe in den falſchen Kalliſthenes, in die Legende vom heiligen Brandanus, in die Reiſe des Sindbad und Maundeville, und bei uns in die Abenteuer des Herzog Ernſt übergegangen iſt“ 51). Aehnliche Fabeln wiederholt auch Mega- ſthenes. Schwer iſt es, derartige Fabeln auf ihren Urſprung zurückzufüh- ren, noch ſchwerer vielleicht, zu entſcheiden, ob dabei abſichtlich Unge- heuerlichkeiten erzählt oder beſtimmte Naturerſcheinungen flüchtig oder unrichtig beobachtet und leichtſinnig weiter erzählt worden ſind. Die erſt genannte Aufgabe dürfte dadurch um ein Kleines ihrer Löſung ge- nähert werden, daß ſich Momente ergeben, welche auf einen aſiatiſchen Urſprung hinweiſen. In dem chineſiſchen Chan-haï-king, dem zwar apokryphen, aber doch in die erſten Jahrhunderte unſerer Zeitrechnung zurückzuverlegenden „Buche der Berge und Meere“, werden Dämonen geſchildert und abgebildet, welche ſogar in vielen Einzelheiten an die Fabelthiere und fabelhaften Menſchen des Kteſias erinnern 52). Und was den zweiten Umſtand betrifft, ſo hat man von verſchiedenen Seiten her verſucht, jene Wunderformen auf beſtimmte, der Uebertreibung oder falſchen Deutung unterlegenen Erſcheinungen zurückzuführen 53). Doch iſt nicht zu leugnen, daß bei manchen dieſer Ungeheuer eine Er- klärung wohl unmöglich, dagegen die Annahme wohl erlaubt ſein dürfte, die Einbildungskraft habe hier eine größere Thätigkeit entwickelt, 50) Herodot, IV. Buch, Cap. 191. vgl. auch Cap. 17-27, 103-110. und III. Buch, Cap. 116. und andere Stellen. 51) A. W. von Schlegel a. a. O. S. 149. ſ. auch Laſſen, Indiſche Al- terthumskunde 2. Bd. S. 651. 52) Bazin, aîné, Du Chan-haï-king, cosmographie fabuleuse attribuée au grand Yu in: Journ. asiat. 3. Sér. T. 8. 1839. p. 337-382. 53) So z. B. H. H. Wilson, Notes on the Indica of Ctesias. Oxford (Ashmolean Soc.) 1836.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/56>, abgerufen am 24.11.2024.