entstammten einer Vermischung der weißen Menschen mit den Affen. Dadurch gelangten die höheren Affen zu der Stellung von Mittelwesen zwischen Mensch und Thier. Dies Vorurtheil zu bekämpfen führte Peter Camper die Anatomie des Orang-Utang aus und wies nicht bloß die selbständige thierische Stellung desselben nach, sondern hob auch weitere charakteristische Unterschiede zwischen ihm und dem Menschen hervor. Unter diesen erscheint der nach ihm benannte Gesichtswinkel, die erste Anwendung der Messung auf Schädel, welche er später in seiner Schrift über die Verschiedenheit der Gesichtszüge der Menschen weiter verfolgte. Den Standpunkt der Naturgeschichte des Menschen vom Ende des vorigen Jahrhunderts gibt übersichtlich und mit reichen Litteraturbelegen Christ. Friedr. Ludwig in seinem Grundrisse (1795) wieder.
Die Systematik der Säugethiere, von denen nun die Walthiere nicht wieder getrennt werden, erfuhr von mehreren Seiten eine neue Bearbeitung, ohne jedoch von tiefer eingehender Kenntniß überall geleitet zu werden. Die Linne'sche Anordnung, welche an erster Stelle die Zähne berücksichtigt hatte, suchte zunächst Brisson zu verbessern; er führte indessen durch starres Festhalten an Merkmalen, welche nur von Zahl und Vorkommen der Zähne und der Form der Gliedmaßen her- genommen waren, das Unnatürliche und Gezwungene einer künstlichen Gruppirung vor Augen. Vom Jahre 1775 an ließ Joh. Christ. Dan. Schreber (geb. 1739, starb als Professor in Erlangen 1810) die ersten Hefte seines großen Säugethierwerks erscheinen, welches erst 1824 vollendet wurde. Nach der Art Buffon's legte er das größte Gewicht auf sorgfältige ausführliche Beschreibung und Abbildung der einzelnen Formen, ohne deren gesammte Anordnung eingehend umzu- gestalten. Thomas Pennant wollte zwar (zuerst 1771, dann 1781) den ganzen, die Verwandtschaft bekundenden Gesammtcharakter der Arten zunächst in Betracht ziehn; seine Anordnung wird aber doch auch eine künstliche, da er zu streng die Form der Füße bei der Bildung der Hauptgruppen, in zweiter Reihe die Zähne und andere Merkmale be- rücksichtigt. Doch ist Pennant zu Gunsten der natürlichen Verwandt- schaft von seinem Schema häufig mit vollem Rechte abgewichen, so daß
Periode der Syſtematik.
entſtammten einer Vermiſchung der weißen Menſchen mit den Affen. Dadurch gelangten die höheren Affen zu der Stellung von Mittelweſen zwiſchen Menſch und Thier. Dies Vorurtheil zu bekämpfen führte Peter Camper die Anatomie des Orang-Utang aus und wies nicht bloß die ſelbſtändige thieriſche Stellung deſſelben nach, ſondern hob auch weitere charakteriſtiſche Unterſchiede zwiſchen ihm und dem Menſchen hervor. Unter dieſen erſcheint der nach ihm benannte Geſichtswinkel, die erſte Anwendung der Meſſung auf Schädel, welche er ſpäter in ſeiner Schrift über die Verſchiedenheit der Geſichtszüge der Menſchen weiter verfolgte. Den Standpunkt der Naturgeſchichte des Menſchen vom Ende des vorigen Jahrhunderts gibt überſichtlich und mit reichen Litteraturbelegen Chriſt. Friedr. Ludwig in ſeinem Grundriſſe (1795) wieder.
Die Syſtematik der Säugethiere, von denen nun die Walthiere nicht wieder getrennt werden, erfuhr von mehreren Seiten eine neue Bearbeitung, ohne jedoch von tiefer eingehender Kenntniß überall geleitet zu werden. Die Linné'ſche Anordnung, welche an erſter Stelle die Zähne berückſichtigt hatte, ſuchte zunächſt Briſſon zu verbeſſern; er führte indeſſen durch ſtarres Feſthalten an Merkmalen, welche nur von Zahl und Vorkommen der Zähne und der Form der Gliedmaßen her- genommen waren, das Unnatürliche und Gezwungene einer künſtlichen Gruppirung vor Augen. Vom Jahre 1775 an ließ Joh. Chriſt. Dan. Schreber (geb. 1739, ſtarb als Profeſſor in Erlangen 1810) die erſten Hefte ſeines großen Säugethierwerks erſcheinen, welches erſt 1824 vollendet wurde. Nach der Art Buffon's legte er das größte Gewicht auf ſorgfältige ausführliche Beſchreibung und Abbildung der einzelnen Formen, ohne deren geſammte Anordnung eingehend umzu- geſtalten. Thomas Pennant wollte zwar (zuerſt 1771, dann 1781) den ganzen, die Verwandtſchaft bekundenden Geſammtcharakter der Arten zunächſt in Betracht ziehn; ſeine Anordnung wird aber doch auch eine künſtliche, da er zu ſtreng die Form der Füße bei der Bildung der Hauptgruppen, in zweiter Reihe die Zähne und andere Merkmale be- rückſichtigt. Doch iſt Pennant zu Gunſten der natürlichen Verwandt- ſchaft von ſeinem Schema häufig mit vollem Rechte abgewichen, ſo daß
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Periode der Syſtematik.
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Dadurch gelangten die höheren Affen zu der Stellung von Mittelweſen
zwiſchen Menſch und Thier. Dies Vorurtheil zu bekämpfen führte
Peter Camper die Anatomie des Orang-Utang aus und wies nicht
bloß die ſelbſtändige thieriſche Stellung deſſelben nach, ſondern hob auch
weitere charakteriſtiſche Unterſchiede zwiſchen ihm und dem Menſchen
hervor. Unter dieſen erſcheint der nach ihm benannte Geſichtswinkel,
die erſte Anwendung der Meſſung auf Schädel, welche er ſpäter in
ſeiner Schrift über die Verſchiedenheit der Geſichtszüge der Menſchen
weiter verfolgte. Den Standpunkt der Naturgeſchichte des Menſchen
vom Ende des vorigen Jahrhunderts gibt überſichtlich und mit reichen
Litteraturbelegen Chriſt. Friedr. Ludwig in ſeinem Grundriſſe (1795)
wieder.
Die Syſtematik der Säugethiere, von denen nun die Walthiere
nicht wieder getrennt werden, erfuhr von mehreren Seiten eine neue
Bearbeitung, ohne jedoch von tiefer eingehender Kenntniß überall geleitet
zu werden. Die Linné'ſche Anordnung, welche an erſter Stelle die
Zähne berückſichtigt hatte, ſuchte zunächſt Briſſon zu verbeſſern; er
führte indeſſen durch ſtarres Feſthalten an Merkmalen, welche nur von
Zahl und Vorkommen der Zähne und der Form der Gliedmaßen her-
genommen waren, das Unnatürliche und Gezwungene einer künſtlichen
Gruppirung vor Augen. Vom Jahre 1775 an ließ Joh. Chriſt. Dan.
Schreber (geb. 1739, ſtarb als Profeſſor in Erlangen 1810) die
erſten Hefte ſeines großen Säugethierwerks erſcheinen, welches erſt
1824 vollendet wurde. Nach der Art Buffon's legte er das größte
Gewicht auf ſorgfältige ausführliche Beſchreibung und Abbildung der
einzelnen Formen, ohne deren geſammte Anordnung eingehend umzu-
geſtalten. Thomas Pennant wollte zwar (zuerſt 1771, dann 1781)
den ganzen, die Verwandtſchaft bekundenden Geſammtcharakter der
Arten zunächſt in Betracht ziehn; ſeine Anordnung wird aber doch auch
eine künſtliche, da er zu ſtreng die Form der Füße bei der Bildung der
Hauptgruppen, in zweiter Reihe die Zähne und andere Merkmale be-
rückſichtigt. Doch iſt Pennant zu Gunſten der natürlichen Verwandt-
ſchaft von ſeinem Schema häufig mit vollem Rechte abgewichen, ſo daß
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 546. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/557>, abgerufen am 25.11.2024.
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