Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.sich in seiner "Verwandtschaftstafel der Thiere" gegen die einreihige Anordnung des Thierreichs. Er geht die verschiedenen Merkmalsgrup- pen durch und weist nach, wie je nach, Berücksichtigung dieses oder jenes Merkmals sich sehr verschiedene Beziehungen zwischen den einzelnen Classen und Ordnungen ergeben. Er schlägt daher als graphische Dar- stellungsform eine netzförmige Anordnung der Thiergruppen vor63). Dabei ist er der erste nach Aristoteles, welcher die Beziehungen der ein- zelnen Merkmale zu einander ins Auge faßt. Er spricht zwar noch nicht direct das Gesetz der Correlation der Theile aus, weist aber da- rauf hin, wie die Form eines Theiles des Thierkörpers die Form an- derer Theile bestimmt oder beeinflußt. Hätte Hermann ein größeres Material zu Gebote gestanden, so hätten seine äußerst anregenden und fördernden allgemeinen Betrachtungen jedenfalls noch fruchtbarer wer- den können. Seine Schriften sind im Ganzen zu wenig bekannt ge- worden; man verdankt ihm noch einen Band zoologischer Beobachtun- gen mit sorgfältigen Schilderungen neuer oder wenig gekannter Thiere. Auch die, sicher unter seinem Einflusse angestellten, aber erst nach seinem Tode veröffentlichten Untersuchungen seines früh verstorbenen Sohnes Joh. Friedrich über Aptern enthalten sehr viel Gutes. Endlich ist noch in Bezug auf die allgemeine Auffassung des Thier- 63) Aus Hermann's Schrift ist zu ersehn, daß der Botaniker Necker (Karl
Joseph, 1729-1793) eine wie es scheint nicht in weitere Kreise gedrungene Ueber- sicht der Verwandtschaftsverhältnisse der Pflanzen verfaßt hat, welche er "genealo- gische" Tabelle nannte. Es wäre dies das erste Mal, daß diese Auffassungsart der verwandtschaftlichen Beziehungen eine entschiedene Aussprache fand (Tabula affi- nit. animal. p. 13). ſich in ſeiner „Verwandtſchaftstafel der Thiere“ gegen die einreihige Anordnung des Thierreichs. Er geht die verſchiedenen Merkmalsgrup- pen durch und weiſt nach, wie je nach, Berückſichtigung dieſes oder jenes Merkmals ſich ſehr verſchiedene Beziehungen zwiſchen den einzelnen Claſſen und Ordnungen ergeben. Er ſchlägt daher als graphiſche Dar- ſtellungsform eine netzförmige Anordnung der Thiergruppen vor63). Dabei iſt er der erſte nach Ariſtoteles, welcher die Beziehungen der ein- zelnen Merkmale zu einander ins Auge faßt. Er ſpricht zwar noch nicht direct das Geſetz der Correlation der Theile aus, weiſt aber da- rauf hin, wie die Form eines Theiles des Thierkörpers die Form an- derer Theile beſtimmt oder beeinflußt. Hätte Hermann ein größeres Material zu Gebote geſtanden, ſo hätten ſeine äußerſt anregenden und fördernden allgemeinen Betrachtungen jedenfalls noch fruchtbarer wer- den können. Seine Schriften ſind im Ganzen zu wenig bekannt ge- worden; man verdankt ihm noch einen Band zoologiſcher Beobachtun- gen mit ſorgfältigen Schilderungen neuer oder wenig gekannter Thiere. Auch die, ſicher unter ſeinem Einfluſſe angeſtellten, aber erſt nach ſeinem Tode veröffentlichten Unterſuchungen ſeines früh verſtorbenen Sohnes Joh. Friedrich über Aptern enthalten ſehr viel Gutes. Endlich iſt noch in Bezug auf die allgemeine Auffaſſung des Thier- 63) Aus Hermann's Schrift iſt zu erſehn, daß der Botaniker Necker (Karl
Joſeph, 1729-1793) eine wie es ſcheint nicht in weitere Kreiſe gedrungene Ueber- ſicht der Verwandtſchaftsverhältniſſe der Pflanzen verfaßt hat, welche er „genealo- giſche“ Tabelle nannte. Es wäre dies das erſte Mal, daß dieſe Auffaſſungsart der verwandtſchaftlichen Beziehungen eine entſchiedene Ausſprache fand (Tabula affi- nit. animal. p. 13). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0554" n="543"/><fw place="top" type="header"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/116738928">Johann Hermann</persName>.</fw><lb/> ſich in ſeiner „Verwandtſchaftstafel der Thiere“ gegen die einreihige<lb/> Anordnung des Thierreichs. Er geht die verſchiedenen Merkmalsgrup-<lb/> pen durch und weiſt nach, wie je nach, Berückſichtigung dieſes oder jenes<lb/> Merkmals ſich ſehr verſchiedene Beziehungen zwiſchen den einzelnen<lb/> Claſſen und Ordnungen ergeben. Er ſchlägt daher als graphiſche Dar-<lb/> ſtellungsform eine netzförmige Anordnung der Thiergruppen vor<note place="foot" n="63)"><lb/> Aus <persName ref="http://d-nb.info/gnd/116738928">Hermann</persName>'s Schrift iſt zu erſehn, daß der Botaniker <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/117549363">Necker</persName></hi> (<persName ref="http://d-nb.info/gnd/117549363">Karl<lb/> Joſeph</persName>, 1729-1793) eine wie es ſcheint nicht in weitere Kreiſe gedrungene Ueber-<lb/> ſicht der Verwandtſchaftsverhältniſſe der Pflanzen verfaßt hat, welche er „genealo-<lb/> giſche“ Tabelle nannte. Es wäre dies das erſte Mal, daß dieſe Auffaſſungsart der<lb/> verwandtſchaftlichen Beziehungen eine entſchiedene Ausſprache fand (<hi rendition="#aq">Tabula affi-<lb/> nit. animal. p. 13</hi>).</note>.<lb/> Dabei iſt er der erſte nach <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ariſtoteles</persName>, welcher die Beziehungen der ein-<lb/> zelnen Merkmale zu einander ins Auge faßt. Er ſpricht zwar noch<lb/> nicht direct das Geſetz der Correlation der Theile aus, weiſt aber da-<lb/> rauf hin, wie die Form eines Theiles des Thierkörpers die Form an-<lb/> derer Theile beſtimmt oder beeinflußt. Hätte <persName ref="http://d-nb.info/gnd/116738928">Hermann</persName> ein größeres<lb/> Material zu Gebote geſtanden, ſo hätten ſeine äußerſt anregenden und<lb/> fördernden allgemeinen Betrachtungen jedenfalls noch fruchtbarer wer-<lb/> den können. Seine Schriften ſind im Ganzen zu wenig bekannt ge-<lb/> worden; man verdankt ihm noch einen Band zoologiſcher Beobachtun-<lb/> gen mit ſorgfältigen Schilderungen neuer oder wenig gekannter Thiere.<lb/> Auch die, ſicher unter ſeinem Einfluſſe angeſtellten, aber erſt nach ſeinem<lb/> Tode veröffentlichten Unterſuchungen ſeines früh verſtorbenen Sohnes<lb/><persName ref="nognd">Joh. Friedrich</persName> über Aptern enthalten ſehr viel Gutes.</p><lb/> <p>Endlich iſt noch in Bezug auf die allgemeine Auffaſſung des Thier-<lb/> reichs zu erwähnen, daß ſich als Folge der außerordentlich mannich-<lb/> faltigen Anſchauungen, welche die tiefer eingehende Beſchäftigung mit<lb/> fremden wie mit bekannten Thieren anſammeln ließ, auch das Gemüth<lb/> zu regen anfieng. Es fehlte noch jene durchſichtige Ueberſichtlichkeit der<lb/> Geſetze der thieriſchen Geſtaltung und des thieriſchen Lebens, welche<lb/> die Entwickelung der Wiſſenſchaft in dieſem Jahrhundert herbeizuführen<lb/> ſtrebt. Da ergieng man ſich einerſeits in der Bewunderung der Schön-<lb/> heit und Zweckmäßigkeit der Natur von einem allgemein äſthetiſchen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [543/0554]
Johann Hermann.
ſich in ſeiner „Verwandtſchaftstafel der Thiere“ gegen die einreihige
Anordnung des Thierreichs. Er geht die verſchiedenen Merkmalsgrup-
pen durch und weiſt nach, wie je nach, Berückſichtigung dieſes oder jenes
Merkmals ſich ſehr verſchiedene Beziehungen zwiſchen den einzelnen
Claſſen und Ordnungen ergeben. Er ſchlägt daher als graphiſche Dar-
ſtellungsform eine netzförmige Anordnung der Thiergruppen vor 63).
Dabei iſt er der erſte nach Ariſtoteles, welcher die Beziehungen der ein-
zelnen Merkmale zu einander ins Auge faßt. Er ſpricht zwar noch
nicht direct das Geſetz der Correlation der Theile aus, weiſt aber da-
rauf hin, wie die Form eines Theiles des Thierkörpers die Form an-
derer Theile beſtimmt oder beeinflußt. Hätte Hermann ein größeres
Material zu Gebote geſtanden, ſo hätten ſeine äußerſt anregenden und
fördernden allgemeinen Betrachtungen jedenfalls noch fruchtbarer wer-
den können. Seine Schriften ſind im Ganzen zu wenig bekannt ge-
worden; man verdankt ihm noch einen Band zoologiſcher Beobachtun-
gen mit ſorgfältigen Schilderungen neuer oder wenig gekannter Thiere.
Auch die, ſicher unter ſeinem Einfluſſe angeſtellten, aber erſt nach ſeinem
Tode veröffentlichten Unterſuchungen ſeines früh verſtorbenen Sohnes
Joh. Friedrich über Aptern enthalten ſehr viel Gutes.
Endlich iſt noch in Bezug auf die allgemeine Auffaſſung des Thier-
reichs zu erwähnen, daß ſich als Folge der außerordentlich mannich-
faltigen Anſchauungen, welche die tiefer eingehende Beſchäftigung mit
fremden wie mit bekannten Thieren anſammeln ließ, auch das Gemüth
zu regen anfieng. Es fehlte noch jene durchſichtige Ueberſichtlichkeit der
Geſetze der thieriſchen Geſtaltung und des thieriſchen Lebens, welche
die Entwickelung der Wiſſenſchaft in dieſem Jahrhundert herbeizuführen
ſtrebt. Da ergieng man ſich einerſeits in der Bewunderung der Schön-
heit und Zweckmäßigkeit der Natur von einem allgemein äſthetiſchen
63)
Aus Hermann's Schrift iſt zu erſehn, daß der Botaniker Necker (Karl
Joſeph, 1729-1793) eine wie es ſcheint nicht in weitere Kreiſe gedrungene Ueber-
ſicht der Verwandtſchaftsverhältniſſe der Pflanzen verfaßt hat, welche er „genealo-
giſche“ Tabelle nannte. Es wäre dies das erſte Mal, daß dieſe Auffaſſungsart der
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