wegen ihrer durchgängig bedeutenderen Größe leichter beobachtet werden, fielen daher auch den Cultur- wie Naturvölkern im Ganzen mehr auf. Dann aber boten zumal hier die Möglichkeit, die Thiere lebend von einem Ort zum andern zu bringen, sowie ihre ausgedehntere Benutzung als Nahrungsmittel (man denke nur an Fische) der nach immer neuen Sinnesreizen lüsternen römischen Welt Beweggründe dar, noch nicht Dagewesenes herbeizuschaffen.
Wie oben bei Erwähnung der Hausthiere soll auch hier nur das Wichtigste hervorgehoben werden. Die Reihe beginnt am füglichsten der Mensch. Während bei Aristoteles keiner besondern Rasse Erwäh- nung geschieht (da die Stelle im achten Buche der Thiergeschichte, wo von den Pygmäen gesprochen wird, sicher unecht ist), kommen schon im Herodot Beschreibungen verschiedener Völker vor. Wahrheit und Dich- tung wechseln hier mit einander ab. Die Schilderung der einzelnen skythischen Stämme, wie der Borystheniden, Kallipiden, Alapen, Olbio- politen u. s. w., der aus einer Mischung von Hellenen mit den Ama- zonen hervorgegangenen Sauromaten, ist ebenso wie die der libyschen Adyrmachiden, Giligammen, Asbysten u. a. nicht scharf genug, um in ihnen mit Sicherheit den Ausdruck besonderer Rasseneigenthümlich- keiten finden zu können. Bei Erwähnung der Neuren, einer gleich- falls skythischen Nation, wird der Sage von der Verwandlung der Men- schen in Wölfe gedacht, und diese Mittheilung ist vielleicht die älteste Notiz über Wehrwölfe. Die Budinen werden als blond und blauäugig hervorgehoben. Als nicht skythisch werden die Androphagen, Menschen- fresser bezeichnet. So weit bewegt sich die Erzählung in den Grenzen der Wahrscheinlichkeit. Entweder mythische Entstellungen oder lügen- hafte Berichte liegen aber den Nachrichten zu Grunde, welche Herodot von den Argippäern, welche von Geburt an kahlköpfig sein sollen, den einäugigen Arimaspen, welche in Inner-Asien mit den Greifen das Gold behüten sollen, von den Hundsköpfen und den die Augen auf der Brust tragenden Ohneköpfen vorbringt. Von den letzteren bemerkt He- rodot übrigens selbst, daß sie von den Libyern so geschildert würden, und setzt hinzu: "noch andere Thiere, welche nicht erlogen sind", so daß er doch kritische Bedenken bei der Wiederholung jener Angaben
Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums.
wegen ihrer durchgängig bedeutenderen Größe leichter beobachtet werden, fielen daher auch den Cultur- wie Naturvölkern im Ganzen mehr auf. Dann aber boten zumal hier die Möglichkeit, die Thiere lebend von einem Ort zum andern zu bringen, ſowie ihre ausgedehntere Benutzung als Nahrungsmittel (man denke nur an Fiſche) der nach immer neuen Sinnesreizen lüſternen römiſchen Welt Beweggründe dar, noch nicht Dageweſenes herbeizuſchaffen.
Wie oben bei Erwähnung der Hausthiere ſoll auch hier nur das Wichtigſte hervorgehoben werden. Die Reihe beginnt am füglichſten der Menſch. Während bei Ariſtoteles keiner beſondern Raſſe Erwäh- nung geſchieht (da die Stelle im achten Buche der Thiergeſchichte, wo von den Pygmäen geſprochen wird, ſicher unecht iſt), kommen ſchon im Herodot Beſchreibungen verſchiedener Völker vor. Wahrheit und Dich- tung wechſeln hier mit einander ab. Die Schilderung der einzelnen ſkythiſchen Stämme, wie der Boryſtheniden, Kallipiden, Alapen, Olbio- politen u. ſ. w., der aus einer Miſchung von Hellenen mit den Ama- zonen hervorgegangenen Sauromaten, iſt ebenſo wie die der libyſchen Adyrmachiden, Giligammen, Asbyſten u. a. nicht ſcharf genug, um in ihnen mit Sicherheit den Ausdruck beſonderer Raſſeneigenthümlich- keiten finden zu können. Bei Erwähnung der Neuren, einer gleich- falls ſkythiſchen Nation, wird der Sage von der Verwandlung der Men- ſchen in Wölfe gedacht, und dieſe Mittheilung iſt vielleicht die älteſte Notiz über Wehrwölfe. Die Budinen werden als blond und blauäugig hervorgehoben. Als nicht ſkythiſch werden die Androphagen, Menſchen- freſſer bezeichnet. So weit bewegt ſich die Erzählung in den Grenzen der Wahrſcheinlichkeit. Entweder mythiſche Entſtellungen oder lügen- hafte Berichte liegen aber den Nachrichten zu Grunde, welche Herodot von den Argippäern, welche von Geburt an kahlköpfig ſein ſollen, den einäugigen Arimaspen, welche in Inner-Aſien mit den Greifen das Gold behüten ſollen, von den Hundsköpfen und den die Augen auf der Bruſt tragenden Ohneköpfen vorbringt. Von den letzteren bemerkt He- rodot übrigens ſelbſt, daß ſie von den Libyern ſo geſchildert würden, und ſetzt hinzu: „noch andere Thiere, welche nicht erlogen ſind“, ſo daß er doch kritiſche Bedenken bei der Wiederholung jener Angaben
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Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums.
wegen ihrer durchgängig bedeutenderen Größe leichter beobachtet werden,
fielen daher auch den Cultur- wie Naturvölkern im Ganzen mehr auf.
Dann aber boten zumal hier die Möglichkeit, die Thiere lebend von
einem Ort zum andern zu bringen, ſowie ihre ausgedehntere Benutzung
als Nahrungsmittel (man denke nur an Fiſche) der nach immer neuen
Sinnesreizen lüſternen römiſchen Welt Beweggründe dar, noch nicht
Dageweſenes herbeizuſchaffen.
Wie oben bei Erwähnung der Hausthiere ſoll auch hier nur das
Wichtigſte hervorgehoben werden. Die Reihe beginnt am füglichſten
der Menſch. Während bei Ariſtoteles keiner beſondern Raſſe Erwäh-
nung geſchieht (da die Stelle im achten Buche der Thiergeſchichte, wo
von den Pygmäen geſprochen wird, ſicher unecht iſt), kommen ſchon im
Herodot Beſchreibungen verſchiedener Völker vor. Wahrheit und Dich-
tung wechſeln hier mit einander ab. Die Schilderung der einzelnen
ſkythiſchen Stämme, wie der Boryſtheniden, Kallipiden, Alapen, Olbio-
politen u. ſ. w., der aus einer Miſchung von Hellenen mit den Ama-
zonen hervorgegangenen Sauromaten, iſt ebenſo wie die der libyſchen
Adyrmachiden, Giligammen, Asbyſten u. a. nicht ſcharf genug, um in
ihnen mit Sicherheit den Ausdruck beſonderer Raſſeneigenthümlich-
keiten finden zu können. Bei Erwähnung der Neuren, einer gleich-
falls ſkythiſchen Nation, wird der Sage von der Verwandlung der Men-
ſchen in Wölfe gedacht, und dieſe Mittheilung iſt vielleicht die älteſte
Notiz über Wehrwölfe. Die Budinen werden als blond und blauäugig
hervorgehoben. Als nicht ſkythiſch werden die Androphagen, Menſchen-
freſſer bezeichnet. So weit bewegt ſich die Erzählung in den Grenzen
der Wahrſcheinlichkeit. Entweder mythiſche Entſtellungen oder lügen-
hafte Berichte liegen aber den Nachrichten zu Grunde, welche Herodot
von den Argippäern, welche von Geburt an kahlköpfig ſein ſollen, den
einäugigen Arimaspen, welche in Inner-Aſien mit den Greifen das
Gold behüten ſollen, von den Hundsköpfen und den die Augen auf der
Bruſt tragenden Ohneköpfen vorbringt. Von den letzteren bemerkt He-
rodot übrigens ſelbſt, daß ſie von den Libyern ſo geſchildert würden,
und ſetzt hinzu: „noch andere Thiere, welche nicht erlogen ſind“, ſo
daß er doch kritiſche Bedenken bei der Wiederholung jener Angaben
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/55>, abgerufen am 27.11.2024.
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