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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Periode der Systematik.
bot ihm nun zahlreiche und sehr verschiedenartige Anregungen, denen
allen er möglichst wissenschaftlich gerecht zu werden suchte. Von 1768
an durchzog er das europäische Rußland, überschritt den Ural, kam bis
zum Altai und dem Baikal-See, gieng südlich durch die Völkergruppen
des mittleren West-Asiens bis zum Caspi-See und dem Kaukasus und
kehrte 1774 nach Petersburg zurück. Während er seine Reiseschilderun-
gen alljährlich im Winter ausgearbeitet und zur Veröffentlichung nach
Petersburg geschickt hatte, widmete er die folgenden Jahre seines Lebens
zunächst der Herausgabe seiner wissenschaftlichen Resultate, bereiste
1793 und 1794 auf eigene Kosten Süd-Rußland und die Krim und
zog 1795, um in einem südlichen Klima Linderung seiner in Folge der
Reisen auftretenden Leiden zu suchen, nach der Krim auf die ihm von
der Kaiserin geschenkten Güter. Dort wurde er aber, abgesehen davon,
daß ihm das Klima doch nicht entsprach, in so lästige Mishelligkeiten
aller Art verwickelt, daß er körperlich nicht gebessert nach fünfzehnjähri-
gem Aufenthalte die ganzen Verhältnisse aufzugeben beschloß. 1810
verkaufte er Alles und kehrte nach Berlin zurück. Nach einem Jahre
starb er hier, am 8. September 1811. Außer den in dieser kurzen
Schilderung seines Lebens erwähnten Arbeiten waren nun aber beson-
ders die Früchte seiner Reise sehr reich. Zunächst ist Pallas als einer
der ersten fachkundigen Schriftsteller, wenn nicht geradezu als Gründer
der wissenschaftlichen Ethnographie zu nennen. Es waren zwar schon
früher mehrere zum Theil eingehende Schilderungen des Lebens und
der ganzen körperlichen und geistigen Erscheinung einzelner Völker-
schaften besonders gelegentlich der Entdeckungsreisen erschienen, ihnen
fehlte aber der Ueberblick über die Gesammtheit der in Frage kommen-
den Gesichtspunkte. Außer den zahlreichen Vocabularien, mit deren
Sammlung und Zusammenstellung Pallas beauftragt worden war, hat
derselbe in der Schilderung der verschiedenen mongolischen Stämme die
erste naturgeschichtliche und umfassende Arbeit über eine Menschenrasse
geliefert. Die Thierwelt Rußlands hat Pallas nicht bloß in dem um-
fassend angelegten, aber nicht vollendeten Werke der Zoologia Rosso-
asiatica
zusammenzustellen begonnen (die Insecten fieng er schon früher
an getrennt zu bearbeiten), sondern die Beschreibungen selbst, gewisser-

Periode der Syſtematik.
bot ihm nun zahlreiche und ſehr verſchiedenartige Anregungen, denen
allen er möglichſt wiſſenſchaftlich gerecht zu werden ſuchte. Von 1768
an durchzog er das europäiſche Rußland, überſchritt den Ural, kam bis
zum Altai und dem Baikal-See, gieng ſüdlich durch die Völkergruppen
des mittleren Weſt-Aſiens bis zum Caspi-See und dem Kaukaſus und
kehrte 1774 nach Petersburg zurück. Während er ſeine Reiſeſchilderun-
gen alljährlich im Winter ausgearbeitet und zur Veröffentlichung nach
Petersburg geſchickt hatte, widmete er die folgenden Jahre ſeines Lebens
zunächſt der Herausgabe ſeiner wiſſenſchaftlichen Reſultate, bereiſte
1793 und 1794 auf eigene Koſten Süd-Rußland und die Krim und
zog 1795, um in einem ſüdlichen Klima Linderung ſeiner in Folge der
Reiſen auftretenden Leiden zu ſuchen, nach der Krim auf die ihm von
der Kaiſerin geſchenkten Güter. Dort wurde er aber, abgeſehen davon,
daß ihm das Klima doch nicht entſprach, in ſo läſtige Mishelligkeiten
aller Art verwickelt, daß er körperlich nicht gebeſſert nach fünfzehnjähri-
gem Aufenthalte die ganzen Verhältniſſe aufzugeben beſchloß. 1810
verkaufte er Alles und kehrte nach Berlin zurück. Nach einem Jahre
ſtarb er hier, am 8. September 1811. Außer den in dieſer kurzen
Schilderung ſeines Lebens erwähnten Arbeiten waren nun aber beſon-
ders die Früchte ſeiner Reiſe ſehr reich. Zunächſt iſt Pallas als einer
der erſten fachkundigen Schriftſteller, wenn nicht geradezu als Gründer
der wiſſenſchaftlichen Ethnographie zu nennen. Es waren zwar ſchon
früher mehrere zum Theil eingehende Schilderungen des Lebens und
der ganzen körperlichen und geiſtigen Erſcheinung einzelner Völker-
ſchaften beſonders gelegentlich der Entdeckungsreiſen erſchienen, ihnen
fehlte aber der Ueberblick über die Geſammtheit der in Frage kommen-
den Geſichtspunkte. Außer den zahlreichen Vocabularien, mit deren
Sammlung und Zuſammenſtellung Pallas beauftragt worden war, hat
derſelbe in der Schilderung der verſchiedenen mongoliſchen Stämme die
erſte naturgeſchichtliche und umfaſſende Arbeit über eine Menſchenraſſe
geliefert. Die Thierwelt Rußlands hat Pallas nicht bloß in dem um-
faſſend angelegten, aber nicht vollendeten Werke der Zoologia Rosso-
asiatica
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an getrennt zu bearbeiten), ſondern die Beſchreibungen ſelbſt, gewiſſer-

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[538/0549] Periode der Syſtematik. bot ihm nun zahlreiche und ſehr verſchiedenartige Anregungen, denen allen er möglichſt wiſſenſchaftlich gerecht zu werden ſuchte. Von 1768 an durchzog er das europäiſche Rußland, überſchritt den Ural, kam bis zum Altai und dem Baikal-See, gieng ſüdlich durch die Völkergruppen des mittleren Weſt-Aſiens bis zum Caspi-See und dem Kaukaſus und kehrte 1774 nach Petersburg zurück. Während er ſeine Reiſeſchilderun- gen alljährlich im Winter ausgearbeitet und zur Veröffentlichung nach Petersburg geſchickt hatte, widmete er die folgenden Jahre ſeines Lebens zunächſt der Herausgabe ſeiner wiſſenſchaftlichen Reſultate, bereiſte 1793 und 1794 auf eigene Koſten Süd-Rußland und die Krim und zog 1795, um in einem ſüdlichen Klima Linderung ſeiner in Folge der Reiſen auftretenden Leiden zu ſuchen, nach der Krim auf die ihm von der Kaiſerin geſchenkten Güter. Dort wurde er aber, abgeſehen davon, daß ihm das Klima doch nicht entſprach, in ſo läſtige Mishelligkeiten aller Art verwickelt, daß er körperlich nicht gebeſſert nach fünfzehnjähri- gem Aufenthalte die ganzen Verhältniſſe aufzugeben beſchloß. 1810 verkaufte er Alles und kehrte nach Berlin zurück. Nach einem Jahre ſtarb er hier, am 8. September 1811. Außer den in dieſer kurzen Schilderung ſeines Lebens erwähnten Arbeiten waren nun aber beſon- ders die Früchte ſeiner Reiſe ſehr reich. Zunächſt iſt Pallas als einer der erſten fachkundigen Schriftſteller, wenn nicht geradezu als Gründer der wiſſenſchaftlichen Ethnographie zu nennen. Es waren zwar ſchon früher mehrere zum Theil eingehende Schilderungen des Lebens und der ganzen körperlichen und geiſtigen Erſcheinung einzelner Völker- ſchaften beſonders gelegentlich der Entdeckungsreiſen erſchienen, ihnen fehlte aber der Ueberblick über die Geſammtheit der in Frage kommen- den Geſichtspunkte. Außer den zahlreichen Vocabularien, mit deren Sammlung und Zuſammenſtellung Pallas beauftragt worden war, hat derſelbe in der Schilderung der verſchiedenen mongoliſchen Stämme die erſte naturgeſchichtliche und umfaſſende Arbeit über eine Menſchenraſſe geliefert. Die Thierwelt Rußlands hat Pallas nicht bloß in dem um- faſſend angelegten, aber nicht vollendeten Werke der Zoologia Rosso- asiatica zuſammenzuſtellen begonnen (die Inſecten fieng er ſchon früher an getrennt zu bearbeiten), ſondern die Beſchreibungen ſelbſt, gewiſſer-

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/549>, abgerufen am 25.11.2024.