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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Uebersicht der den Alten bekannten Thierformen.
kammer für alle folgenden Fabelkreise geworden ist". Charakteristisch
für das naturgeschichtliche Urtheil jener Zeiten ist, daß Angaben, welche
Aristoteles mit Recht bezweifelt oder geradezu widerlegt hatte, ohne Be-
denken von Plinius, Aelian, und was für die Entwickelung der zoolo-
gischen Vorbegriffe im Mittelalter von Einfluß ist, von dem Ordner
des "Physiologus" wieder aufgetischt werden, zuweilen mit Uebertra-
gung der von einem Thier erzählten Geschichte auf ein ganz anderes.

Plinius, Aelian, Athenaeus und andere spätere Schriftsteller hät-
ten nun aber außer den genannten älteren litterarischen Quellen noch
andere Mittel haben können, ihre Thierkenntniß wissenschaftlich zu er-
weitern, wenn sie dieselben fruchtbringend benutzen zu können in der
Lage gewesen wären. Einmal ist zu bemerken, daß mit der Ausdehnung
der römischen Herrschaft die officielle Sendung oder die Reisen gebil-
deter Römer Hand in Hand giengen und zwar in alle Theile der da-
mals bekannten Welt, welche nun fast ganz Europa, West- und Süd-
Asien bis nach Hinter-Indien, Africa von dem Atlas bis zu den
"Quellen" des Nils umfaßt. Hierdurch kamen doch sicher zahlreiche und
wohl auch oft bestätigte Nachrichten in Rom zusammen. Dann aber
trug vor Allem der steigende Luxus sowohl der Mahlzeiten als der
öffentlichen Feste und Spiele, Thierkämpfe u. s. f. dazu bei, Gelegen-
heit zur sorgfältigen und verhältnißmäßig bequemen Beobachtung leben-
der Thiere, sowie zur Zergliederung der ja oft massenhaft getödteten
reichlich darzubieten. Wie wenig aber diese Gelegenheit benutzt worden
ist und warum man das Material, was kaum je wieder in solcher Fülle
zusammengebracht worden ist, unbenutzt gelassen hat, wird später zu
erörtern sein.

Auch Aristoteles wollte in seiner Thiergeschichte keine vollzählige
Beschreibung der ihm bekannten Thiere geben. Eine Angabe über die
Zahl der von ihm erwähnten Thiere hat daher nur eine relative Be-
deutung. Im Ganzen kommen etwas über fünfhundert Thiere in seinen
Schriften vor, von denen indeß nicht alle mit gleicher Ausführlichkeit
geschildert, daher auch nicht alle wiederzuerkennen sind. Der hauptsäch-
lichste Zuwachs, welchen die Thierkenntniß von Aristoteles bis zum
Ausgang des Alterthums erfuhr, betrifft die Wirbelthiere. Diese konnten

Ueberſicht der den Alten bekannten Thierformen.
kammer für alle folgenden Fabelkreiſe geworden iſt“. Charakteriſtiſch
für das naturgeſchichtliche Urtheil jener Zeiten iſt, daß Angaben, welche
Ariſtoteles mit Recht bezweifelt oder geradezu widerlegt hatte, ohne Be-
denken von Plinius, Aelian, und was für die Entwickelung der zoolo-
giſchen Vorbegriffe im Mittelalter von Einfluß iſt, von dem Ordner
des „Phyſiologus“ wieder aufgetiſcht werden, zuweilen mit Uebertra-
gung der von einem Thier erzählten Geſchichte auf ein ganz anderes.

Plinius, Aelian, Athenaeus und andere ſpätere Schriftſteller hät-
ten nun aber außer den genannten älteren litterariſchen Quellen noch
andere Mittel haben können, ihre Thierkenntniß wiſſenſchaftlich zu er-
weitern, wenn ſie dieſelben fruchtbringend benutzen zu können in der
Lage geweſen wären. Einmal iſt zu bemerken, daß mit der Ausdehnung
der römiſchen Herrſchaft die officielle Sendung oder die Reiſen gebil-
deter Römer Hand in Hand giengen und zwar in alle Theile der da-
mals bekannten Welt, welche nun faſt ganz Europa, Weſt- und Süd-
Aſien bis nach Hinter-Indien, Africa von dem Atlas bis zu den
„Quellen“ des Nils umfaßt. Hierdurch kamen doch ſicher zahlreiche und
wohl auch oft beſtätigte Nachrichten in Rom zuſammen. Dann aber
trug vor Allem der ſteigende Luxus ſowohl der Mahlzeiten als der
öffentlichen Feſte und Spiele, Thierkämpfe u. ſ. f. dazu bei, Gelegen-
heit zur ſorgfältigen und verhältnißmäßig bequemen Beobachtung leben-
der Thiere, ſowie zur Zergliederung der ja oft maſſenhaft getödteten
reichlich darzubieten. Wie wenig aber dieſe Gelegenheit benutzt worden
iſt und warum man das Material, was kaum je wieder in ſolcher Fülle
zuſammengebracht worden iſt, unbenutzt gelaſſen hat, wird ſpäter zu
erörtern ſein.

Auch Ariſtoteles wollte in ſeiner Thiergeſchichte keine vollzählige
Beſchreibung der ihm bekannten Thiere geben. Eine Angabe über die
Zahl der von ihm erwähnten Thiere hat daher nur eine relative Be-
deutung. Im Ganzen kommen etwas über fünfhundert Thiere in ſeinen
Schriften vor, von denen indeß nicht alle mit gleicher Ausführlichkeit
geſchildert, daher auch nicht alle wiederzuerkennen ſind. Der hauptſäch-
lichſte Zuwachs, welchen die Thierkenntniß von Ariſtoteles bis zum
Ausgang des Alterthums erfuhr, betrifft die Wirbelthiere. Dieſe konnten

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[43/0054] Ueberſicht der den Alten bekannten Thierformen. kammer für alle folgenden Fabelkreiſe geworden iſt“. Charakteriſtiſch für das naturgeſchichtliche Urtheil jener Zeiten iſt, daß Angaben, welche Ariſtoteles mit Recht bezweifelt oder geradezu widerlegt hatte, ohne Be- denken von Plinius, Aelian, und was für die Entwickelung der zoolo- giſchen Vorbegriffe im Mittelalter von Einfluß iſt, von dem Ordner des „Phyſiologus“ wieder aufgetiſcht werden, zuweilen mit Uebertra- gung der von einem Thier erzählten Geſchichte auf ein ganz anderes. Plinius, Aelian, Athenaeus und andere ſpätere Schriftſteller hät- ten nun aber außer den genannten älteren litterariſchen Quellen noch andere Mittel haben können, ihre Thierkenntniß wiſſenſchaftlich zu er- weitern, wenn ſie dieſelben fruchtbringend benutzen zu können in der Lage geweſen wären. Einmal iſt zu bemerken, daß mit der Ausdehnung der römiſchen Herrſchaft die officielle Sendung oder die Reiſen gebil- deter Römer Hand in Hand giengen und zwar in alle Theile der da- mals bekannten Welt, welche nun faſt ganz Europa, Weſt- und Süd- Aſien bis nach Hinter-Indien, Africa von dem Atlas bis zu den „Quellen“ des Nils umfaßt. Hierdurch kamen doch ſicher zahlreiche und wohl auch oft beſtätigte Nachrichten in Rom zuſammen. Dann aber trug vor Allem der ſteigende Luxus ſowohl der Mahlzeiten als der öffentlichen Feſte und Spiele, Thierkämpfe u. ſ. f. dazu bei, Gelegen- heit zur ſorgfältigen und verhältnißmäßig bequemen Beobachtung leben- der Thiere, ſowie zur Zergliederung der ja oft maſſenhaft getödteten reichlich darzubieten. Wie wenig aber dieſe Gelegenheit benutzt worden iſt und warum man das Material, was kaum je wieder in ſolcher Fülle zuſammengebracht worden iſt, unbenutzt gelaſſen hat, wird ſpäter zu erörtern ſein. Auch Ariſtoteles wollte in ſeiner Thiergeſchichte keine vollzählige Beſchreibung der ihm bekannten Thiere geben. Eine Angabe über die Zahl der von ihm erwähnten Thiere hat daher nur eine relative Be- deutung. Im Ganzen kommen etwas über fünfhundert Thiere in ſeinen Schriften vor, von denen indeß nicht alle mit gleicher Ausführlichkeit geſchildert, daher auch nicht alle wiederzuerkennen ſind. Der hauptſäch- lichſte Zuwachs, welchen die Thierkenntniß von Ariſtoteles bis zum Ausgang des Alterthums erfuhr, betrifft die Wirbelthiere. Dieſe konnten

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/54>, abgerufen am 24.11.2024.