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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Periode der Systematik.
sich außer zahlreichen neuen Arten und einer beträchtlichen Zahl neuer
Gattungen die folgenden wichtigeren Aenderungen eingeführt. Bei den
Säugethieren hatte Linne in die Charakteristik der Walthiere aufgenom-
men, daß statt eines Schwanzes die zusammengelegten Füße eine quere
Flosse bildeten; Gmelin führt nur die horizontale Schwanzflosse an,
ohne die unnatürliche Erklärung ihrer Bildung beizubehalten. Was ein-
zelne Formen betrifft, so wird das Rhinoceros zu der Ordnung der
Bruta gebracht, die Gattung Noctilio eingezogen, die betreffende Art
bei Vespertilio beschrieben. Bei den Vögeln ist die augenfälligste Aen-
derung die verschiedene Einordnung der Trappe und des Straußes,
welche von den Wadvögeln zu den Hühnerartigen gebracht werden;
außerdem werden einzelne Arten besser eingereiht, z. B. Vultur har-
pyia
wird ein Falco -- Gypaetos u. s. f. Von den Amphibien wird die
Linne'sche Ordnung der Amphibia nantia wieder ausgeschlossen. Die
Gattungen der übrigen bleiben dieselben. Auf die Metamorphose oder
das Vorhandensein der Kiemen wird aber noch kein Gewicht gelegt,
trotzdem daß Gmelin die Schilderung des Proteus von Laurenti be-
kannt war und Linne selbst 1766 in einer Dissertation die Siren la-
certina
beschrieben, abgebildet und eventuell die Bildung einer durch
den gleichzeitigen Besitz von Kiemen und Lungen zu charakterisirenden
Ordnung Meantes für derartige Formen vorgeschlagen hatte. Gmelin
bringt sogar unglaublicher Weise Siren zur Gattung Muraena als
deren Art unter die Fische. Die Classe der Fische ist in der Gemlin'-
schen Bearbeitung wieder vollzählig, da die Branchiostegier und Knor-
pelfische, zu denen Gmelin auch den Stör bringt, wieder mit den übri-
gen vereinigt sind. In Folge hiervon wird auch Mormyrus, welcher
bei Linne zu den Abdominalen hatte auswandern müssen, wieder zu
den Branchiostegiern gebracht. Bei den Insecten hat Gmelin besonders
die Coleopteren wesentlich umgeordnet, auch die Gattungen meistens mit
neuen oder erweiterten Definitionen versehen. Die Grundzüge der An-
ordnung bleiben aber dieselben; die Orthopteren existiren noch nicht als
Ordnung, sondern werden nur in der zwölften Ausgabe bei den Käfern
(Forficula) und den Hemipteren (die übrigen) untergebracht. -- Die
meisten und eingreifendsten Umgestaltungen hat aus naheliegenden

Periode der Syſtematik.
ſich außer zahlreichen neuen Arten und einer beträchtlichen Zahl neuer
Gattungen die folgenden wichtigeren Aenderungen eingeführt. Bei den
Säugethieren hatte Linné in die Charakteriſtik der Walthiere aufgenom-
men, daß ſtatt eines Schwanzes die zuſammengelegten Füße eine quere
Floſſe bildeten; Gmelin führt nur die horizontale Schwanzfloſſe an,
ohne die unnatürliche Erklärung ihrer Bildung beizubehalten. Was ein-
zelne Formen betrifft, ſo wird das Rhinoceros zu der Ordnung der
Bruta gebracht, die Gattung Noctilio eingezogen, die betreffende Art
bei Vespertilio beſchrieben. Bei den Vögeln iſt die augenfälligſte Aen-
derung die verſchiedene Einordnung der Trappe und des Straußes,
welche von den Wadvögeln zu den Hühnerartigen gebracht werden;
außerdem werden einzelne Arten beſſer eingereiht, z. B. Vultur har-
pyia
wird ein Falco — Gypaëtos u. ſ. f. Von den Amphibien wird die
Linné'ſche Ordnung der Amphibia nantia wieder ausgeſchloſſen. Die
Gattungen der übrigen bleiben dieſelben. Auf die Metamorphoſe oder
das Vorhandenſein der Kiemen wird aber noch kein Gewicht gelegt,
trotzdem daß Gmelin die Schilderung des Proteus von Laurenti be-
kannt war und Linné ſelbſt 1766 in einer Diſſertation die Siren la-
certina
beſchrieben, abgebildet und eventuell die Bildung einer durch
den gleichzeitigen Beſitz von Kiemen und Lungen zu charakteriſirenden
Ordnung Meantes für derartige Formen vorgeſchlagen hatte. Gmelin
bringt ſogar unglaublicher Weiſe Siren zur Gattung Muraena als
deren Art unter die Fiſche. Die Claſſe der Fiſche iſt in der Gemlin'-
ſchen Bearbeitung wieder vollzählig, da die Branchioſtegier und Knor-
pelfiſche, zu denen Gmelin auch den Stör bringt, wieder mit den übri-
gen vereinigt ſind. In Folge hiervon wird auch Mormyrus, welcher
bei Linné zu den Abdominalen hatte auswandern müſſen, wieder zu
den Branchioſtegiern gebracht. Bei den Inſecten hat Gmelin beſonders
die Coleopteren weſentlich umgeordnet, auch die Gattungen meiſtens mit
neuen oder erweiterten Definitionen verſehen. Die Grundzüge der An-
ordnung bleiben aber dieſelben; die Orthopteren exiſtiren noch nicht als
Ordnung, ſondern werden nur in der zwölften Ausgabe bei den Käfern
(Forficula) und den Hemipteren (die übrigen) untergebracht. — Die
meiſten und eingreifendſten Umgeſtaltungen hat aus naheliegenden

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[518/0529] Periode der Syſtematik. ſich außer zahlreichen neuen Arten und einer beträchtlichen Zahl neuer Gattungen die folgenden wichtigeren Aenderungen eingeführt. Bei den Säugethieren hatte Linné in die Charakteriſtik der Walthiere aufgenom- men, daß ſtatt eines Schwanzes die zuſammengelegten Füße eine quere Floſſe bildeten; Gmelin führt nur die horizontale Schwanzfloſſe an, ohne die unnatürliche Erklärung ihrer Bildung beizubehalten. Was ein- zelne Formen betrifft, ſo wird das Rhinoceros zu der Ordnung der Bruta gebracht, die Gattung Noctilio eingezogen, die betreffende Art bei Vespertilio beſchrieben. Bei den Vögeln iſt die augenfälligſte Aen- derung die verſchiedene Einordnung der Trappe und des Straußes, welche von den Wadvögeln zu den Hühnerartigen gebracht werden; außerdem werden einzelne Arten beſſer eingereiht, z. B. Vultur har- pyia wird ein Falco — Gypaëtos u. ſ. f. Von den Amphibien wird die Linné'ſche Ordnung der Amphibia nantia wieder ausgeſchloſſen. Die Gattungen der übrigen bleiben dieſelben. Auf die Metamorphoſe oder das Vorhandenſein der Kiemen wird aber noch kein Gewicht gelegt, trotzdem daß Gmelin die Schilderung des Proteus von Laurenti be- kannt war und Linné ſelbſt 1766 in einer Diſſertation die Siren la- certina beſchrieben, abgebildet und eventuell die Bildung einer durch den gleichzeitigen Beſitz von Kiemen und Lungen zu charakteriſirenden Ordnung Meantes für derartige Formen vorgeſchlagen hatte. Gmelin bringt ſogar unglaublicher Weiſe Siren zur Gattung Muraena als deren Art unter die Fiſche. Die Claſſe der Fiſche iſt in der Gemlin'- ſchen Bearbeitung wieder vollzählig, da die Branchioſtegier und Knor- pelfiſche, zu denen Gmelin auch den Stör bringt, wieder mit den übri- gen vereinigt ſind. In Folge hiervon wird auch Mormyrus, welcher bei Linné zu den Abdominalen hatte auswandern müſſen, wieder zu den Branchioſtegiern gebracht. Bei den Inſecten hat Gmelin beſonders die Coleopteren weſentlich umgeordnet, auch die Gattungen meiſtens mit neuen oder erweiterten Definitionen verſehen. Die Grundzüge der An- ordnung bleiben aber dieſelben; die Orthopteren exiſtiren noch nicht als Ordnung, ſondern werden nur in der zwölften Ausgabe bei den Käfern (Forficula) und den Hemipteren (die übrigen) untergebracht. — Die meiſten und eingreifendſten Umgeſtaltungen hat aus naheliegenden

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 518. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/529>, abgerufen am 22.11.2024.