der Uebereinstimmung mehrerer verwandter Gattungen u. s. f. in einer ganzen Reihe von Merkmalen, welche den Habitus bedingt. Hiernach natürliche Gruppen zu finden, ist, wie Linne selbst erklärt, das letzte Ziel der Botanik. "Die Natur macht keinen Sprung". "Alle Pflanzen bieten nach beiden Seiten hin Affinitäten dar, wie ein Territorium auf einer Landkarte." Er unterscheidet System von Methode und spricht nur von der natürlichen Methode, welche er dem Systeme, als dem künstlichen Baue gegenüberstellt. Nun führt er zwar alle diese Regeln und Grundsätze in der "Philosophie der Botanik" aus, er bringt aber wiederholt zur Erläuterung seiner Ansichten Beispiele aus dem Thier- reiche, so daß man Alles als auch für dieses geltend ansehen muß.
Indem Linne das System für den Faden der Ariadne in der Botanik erklärt, ohne welchen die Kräuterkunde ein Chaos sein würde (und er wiederholt den Ausdruck im Natursystem), weist er darauf hin, welchem Bedürfniß er zunächst abzuhelfen suchen wollte. Er führt das Beispiel an von einer unbekannten indischen Pflanze; hier mag ein "Pflanzenliebhaber" alle möglichen Beschreibungen und Abbildungen vergleichen, er wird den Namen derselben nur durch Zufall finden; ein "Systematiker" wird dagegen bald entscheiden, ob er eine neue oder eine alte Gattung vor sich hat. Aber gerade der Umstand, daß Linne bei der systematischen Reform der Naturgeschichte nicht bloß an dies Be- dürfniß des schnellen Bekanntwerdens mit unbeschriebenen Formen dachte, sondern dabei auch die höhere Aufgabe, die weiteren Verwandt- schaften durch eine natürliche Anordnung der Formen nachzuweisen, vor Augen hatte, machte Linne's System zu einem in kurzer Zeit so allgemein anerkannten. Er ließ sich in den meisten Fällen nicht durch bloß adaptive Merkmale verleiten, die natürliche Verwandtschaft zu über- sehen, obschon ein merkwürdiger Mißgriff, welchen Linne in dieser Beziehung bei den Fischen machte, später noch zu erwähnen sein wird. Er berücksichtigte wohl den Habitus, aber legte doch die anatomischen Verhältnisse seinen großen Eintheilungen zu Grunde. Von diesem Gesichtspunkte aus wird sein, wenn schon künstliches Thiersystem doch zum großen Theile natürlich.
Es war endlich -- und dies stellt nicht gerade das kleinste Verdienst
der Uebereinſtimmung mehrerer verwandter Gattungen u. ſ. f. in einer ganzen Reihe von Merkmalen, welche den Habitus bedingt. Hiernach natürliche Gruppen zu finden, iſt, wie Linné ſelbſt erklärt, das letzte Ziel der Botanik. „Die Natur macht keinen Sprung“. „Alle Pflanzen bieten nach beiden Seiten hin Affinitäten dar, wie ein Territorium auf einer Landkarte.“ Er unterſcheidet Syſtem von Methode und ſpricht nur von der natürlichen Methode, welche er dem Syſteme, als dem künſtlichen Baue gegenüberſtellt. Nun führt er zwar alle dieſe Regeln und Grundſätze in der „Philoſophie der Botanik“ aus, er bringt aber wiederholt zur Erläuterung ſeiner Anſichten Beiſpiele aus dem Thier- reiche, ſo daß man Alles als auch für dieſes geltend anſehen muß.
Indem Linné das Syſtem für den Faden der Ariadne in der Botanik erklärt, ohne welchen die Kräuterkunde ein Chaos ſein würde (und er wiederholt den Ausdruck im Naturſyſtem), weiſt er darauf hin, welchem Bedürfniß er zunächſt abzuhelfen ſuchen wollte. Er führt das Beiſpiel an von einer unbekannten indiſchen Pflanze; hier mag ein „Pflanzenliebhaber“ alle möglichen Beſchreibungen und Abbildungen vergleichen, er wird den Namen derſelben nur durch Zufall finden; ein „Syſtematiker“ wird dagegen bald entſcheiden, ob er eine neue oder eine alte Gattung vor ſich hat. Aber gerade der Umſtand, daß Linné bei der ſyſtematiſchen Reform der Naturgeſchichte nicht bloß an dies Be- dürfniß des ſchnellen Bekanntwerdens mit unbeſchriebenen Formen dachte, ſondern dabei auch die höhere Aufgabe, die weiteren Verwandt- ſchaften durch eine natürliche Anordnung der Formen nachzuweiſen, vor Augen hatte, machte Linné's Syſtem zu einem in kurzer Zeit ſo allgemein anerkannten. Er ließ ſich in den meiſten Fällen nicht durch bloß adaptive Merkmale verleiten, die natürliche Verwandtſchaft zu über- ſehen, obſchon ein merkwürdiger Mißgriff, welchen Linné in dieſer Beziehung bei den Fiſchen machte, ſpäter noch zu erwähnen ſein wird. Er berückſichtigte wohl den Habitus, aber legte doch die anatomiſchen Verhältniſſe ſeinen großen Eintheilungen zu Grunde. Von dieſem Geſichtspunkte aus wird ſein, wenn ſchon künſtliches Thierſyſtem doch zum großen Theile natürlich.
Es war endlich — und dies ſtellt nicht gerade das kleinſte Verdienſt
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[501/0512]
Carl von Linné.
der Uebereinſtimmung mehrerer verwandter Gattungen u. ſ. f. in einer
ganzen Reihe von Merkmalen, welche den Habitus bedingt. Hiernach
natürliche Gruppen zu finden, iſt, wie Linné ſelbſt erklärt, das letzte
Ziel der Botanik. „Die Natur macht keinen Sprung“. „Alle Pflanzen
bieten nach beiden Seiten hin Affinitäten dar, wie ein Territorium
auf einer Landkarte.“ Er unterſcheidet Syſtem von Methode und ſpricht
nur von der natürlichen Methode, welche er dem Syſteme, als dem
künſtlichen Baue gegenüberſtellt. Nun führt er zwar alle dieſe Regeln
und Grundſätze in der „Philoſophie der Botanik“ aus, er bringt aber
wiederholt zur Erläuterung ſeiner Anſichten Beiſpiele aus dem Thier-
reiche, ſo daß man Alles als auch für dieſes geltend anſehen muß.
Indem Linné das Syſtem für den Faden der Ariadne in der
Botanik erklärt, ohne welchen die Kräuterkunde ein Chaos ſein würde
(und er wiederholt den Ausdruck im Naturſyſtem), weiſt er darauf hin,
welchem Bedürfniß er zunächſt abzuhelfen ſuchen wollte. Er führt das
Beiſpiel an von einer unbekannten indiſchen Pflanze; hier mag ein
„Pflanzenliebhaber“ alle möglichen Beſchreibungen und Abbildungen
vergleichen, er wird den Namen derſelben nur durch Zufall finden; ein
„Syſtematiker“ wird dagegen bald entſcheiden, ob er eine neue oder eine
alte Gattung vor ſich hat. Aber gerade der Umſtand, daß Linné bei
der ſyſtematiſchen Reform der Naturgeſchichte nicht bloß an dies Be-
dürfniß des ſchnellen Bekanntwerdens mit unbeſchriebenen Formen
dachte, ſondern dabei auch die höhere Aufgabe, die weiteren Verwandt-
ſchaften durch eine natürliche Anordnung der Formen nachzuweiſen,
vor Augen hatte, machte Linné's Syſtem zu einem in kurzer Zeit ſo
allgemein anerkannten. Er ließ ſich in den meiſten Fällen nicht durch
bloß adaptive Merkmale verleiten, die natürliche Verwandtſchaft zu über-
ſehen, obſchon ein merkwürdiger Mißgriff, welchen Linné in dieſer
Beziehung bei den Fiſchen machte, ſpäter noch zu erwähnen ſein wird.
Er berückſichtigte wohl den Habitus, aber legte doch die anatomiſchen
Verhältniſſe ſeinen großen Eintheilungen zu Grunde. Von dieſem
Geſichtspunkte aus wird ſein, wenn ſchon künſtliches Thierſyſtem doch
zum großen Theile natürlich.
Es war endlich — und dies ſtellt nicht gerade das kleinſte Verdienſt
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/512>, abgerufen am 25.11.2024.
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