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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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welche sich äußerlich mehr an Ray anlehnt, einen entschieden wissen-
schaftlicheren Eindruck macht. Der eine Uebersetzer von Klein's Clas-
sification und kurzer Geschichte der vierfüßigen Thiere, Friedr. Dan.
Behn
(damals in Jena, starb als Rector des Gymnasiums in Lübeck
1804), sagt ausdrücklich: "Unser verdienstvoller Herr Klein konnte
unmöglich mit der linnäischen Methode zufrieden sein". Ray's Me-
thode nennt Behn zwar die natürlichste von der Welt, meint aber, daß
das Hauptverdienst Klein's doch darin bestehe, daß er diejenigen Merk-
male weiter benutzt habe, welche so wenig versteckt waren, daß sie einem
jeden sogleich einleuchteten. Wie er dies versteht, lehrt z. B. Folgen-
des. "Die Natur pflegt allemal von den einfachsten Dingen den An-
fang zu machen. Was war also natürlicher, als daß unser Naturfor-
scher die einhufigten Thiere zur ersten, die zweihufigten zur zwoten, ...
und die fünfhufigten zur fünften Familie rechnete". Aus einer derarti-
gen Beurtheilung geht hervor, daß man eben vor Allem eine leichte
und bequeme Art haben wollte, Thiere bestimmen und nennen zu kön-
nen. Der Wittenberger Professor der Mathematik und Physik, Joh.
Daniel Titius
(1729-1796) erhebt gleichfalls gegen Linne's Be-
rücksichtigung der Herzstructur Bedenken; auch tadelt er, wie so man-
ches an dessen System, so besonders die Verwendung mehrfacher Ein-
theilungsgründe39), wogegen er Klein, welchen er als den bedeutendsten

39) Progr. de divisione animalium generali. Witteberg. 1760. p. 6.
Quis, quaeso, internoscendorum animantium caussa pulcerrima haec auto-
mata destrueret et laceratis partibus internis corda scrutaretur?
und p. 4.
Distributio nullo, certe multiplici nititur dividendi fundamento, quod
utrumque bonae divisionis regulis repugnat.
Das von ihm selbst aufgestellte
System ist natürlich auch künstlich. Er theilt die Thiere in Landthiere, Wasser-
thiere und in beiden lebende Thiere. Die ersten bewegen sich entweder nur mit
Füßen (Vierfüßer und Vielfüßer, Insecten) oder mit Füßen und Flügeln (zwei-
füßig: Vögel, vierfüßig: fliegende Säugethiere, vielfüßig: fliegende Insecten)
oder nur durch Muskeln ohne Füße, Kriechthiere: Schlangen und Würmer. Die
Wasserthiere bewegen sich entweder nur mit Flossen (Lungen- und Kiemenfische)
oder mit Schalen, oder unbestimmter Art, meist ohne Ortsbewegung: Zoophyten.
Die in beiden Medien lebenden Thiere haben entweder Füße oder nicht. Es
bleiben hierfür (Titius nennt keine Gruppen) nur Amphibien und Wasserschlangen
übrig.

welche ſich äußerlich mehr an Ray anlehnt, einen entſchieden wiſſen-
ſchaftlicheren Eindruck macht. Der eine Ueberſetzer von Klein's Claſ-
ſification und kurzer Geſchichte der vierfüßigen Thiere, Friedr. Dan.
Behn
(damals in Jena, ſtarb als Rector des Gymnaſiums in Lübeck
1804), ſagt ausdrücklich: „Unſer verdienſtvoller Herr Klein konnte
unmöglich mit der linnäiſchen Methode zufrieden ſein“. Ray's Me-
thode nennt Behn zwar die natürlichſte von der Welt, meint aber, daß
das Hauptverdienſt Klein's doch darin beſtehe, daß er diejenigen Merk-
male weiter benutzt habe, welche ſo wenig verſteckt waren, daß ſie einem
jeden ſogleich einleuchteten. Wie er dies verſteht, lehrt z. B. Folgen-
des. „Die Natur pflegt allemal von den einfachſten Dingen den An-
fang zu machen. Was war alſo natürlicher, als daß unſer Naturfor-
ſcher die einhufigten Thiere zur erſten, die zweihufigten zur zwoten, ...
und die fünfhufigten zur fünften Familie rechnete“. Aus einer derarti-
gen Beurtheilung geht hervor, daß man eben vor Allem eine leichte
und bequeme Art haben wollte, Thiere beſtimmen und nennen zu kön-
nen. Der Wittenberger Profeſſor der Mathematik und Phyſik, Joh.
Daniel Titius
(1729-1796) erhebt gleichfalls gegen Linné's Be-
rückſichtigung der Herzſtructur Bedenken; auch tadelt er, wie ſo man-
ches an deſſen Syſtem, ſo beſonders die Verwendung mehrfacher Ein-
theilungsgründe39), wogegen er Klein, welchen er als den bedeutendſten

39) Progr. de divisione animalium generali. Witteberg. 1760. p. 6.
Quis, quaeso, internoscendorum animantium caussa pulcerrima haec auto-
mata destrueret et laceratis partibus internis corda scrutaretur?
und p. 4.
Distributio nullo, certe multiplici nititur dividendi fundamento, quod
utrumque bonae divisionis regulis repugnat.
Das von ihm ſelbſt aufgeſtellte
Syſtem iſt natürlich auch künſtlich. Er theilt die Thiere in Landthiere, Waſſer-
thiere und in beiden lebende Thiere. Die erſten bewegen ſich entweder nur mit
Füßen (Vierfüßer und Vielfüßer, Inſecten) oder mit Füßen und Flügeln (zwei-
füßig: Vögel, vierfüßig: fliegende Säugethiere, vielfüßig: fliegende Inſecten)
oder nur durch Muskeln ohne Füße, Kriechthiere: Schlangen und Würmer. Die
Waſſerthiere bewegen ſich entweder nur mit Floſſen (Lungen- und Kiemenfiſche)
oder mit Schalen, oder unbeſtimmter Art, meiſt ohne Ortsbewegung: Zoophyten.
Die in beiden Medien lebenden Thiere haben entweder Füße oder nicht. Es
bleiben hierfür (Titius nennt keine Gruppen) nur Amphibien und Waſſerſchlangen
übrig.
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[479/0490] Jakob Theodor Klein. welche ſich äußerlich mehr an Ray anlehnt, einen entſchieden wiſſen- ſchaftlicheren Eindruck macht. Der eine Ueberſetzer von Klein's Claſ- ſification und kurzer Geſchichte der vierfüßigen Thiere, Friedr. Dan. Behn (damals in Jena, ſtarb als Rector des Gymnaſiums in Lübeck 1804), ſagt ausdrücklich: „Unſer verdienſtvoller Herr Klein konnte unmöglich mit der linnäiſchen Methode zufrieden ſein“. Ray's Me- thode nennt Behn zwar die natürlichſte von der Welt, meint aber, daß das Hauptverdienſt Klein's doch darin beſtehe, daß er diejenigen Merk- male weiter benutzt habe, welche ſo wenig verſteckt waren, daß ſie einem jeden ſogleich einleuchteten. Wie er dies verſteht, lehrt z. B. Folgen- des. „Die Natur pflegt allemal von den einfachſten Dingen den An- fang zu machen. Was war alſo natürlicher, als daß unſer Naturfor- ſcher die einhufigten Thiere zur erſten, die zweihufigten zur zwoten, ... und die fünfhufigten zur fünften Familie rechnete“. Aus einer derarti- gen Beurtheilung geht hervor, daß man eben vor Allem eine leichte und bequeme Art haben wollte, Thiere beſtimmen und nennen zu kön- nen. Der Wittenberger Profeſſor der Mathematik und Phyſik, Joh. Daniel Titius (1729-1796) erhebt gleichfalls gegen Linné's Be- rückſichtigung der Herzſtructur Bedenken; auch tadelt er, wie ſo man- ches an deſſen Syſtem, ſo beſonders die Verwendung mehrfacher Ein- theilungsgründe 39), wogegen er Klein, welchen er als den bedeutendſten 39) Progr. de divisione animalium generali. Witteberg. 1760. p. 6. Quis, quaeso, internoscendorum animantium caussa pulcerrima haec auto- mata destrueret et laceratis partibus internis corda scrutaretur? und p. 4. Distributio nullo, certe multiplici nititur dividendi fundamento, quod utrumque bonae divisionis regulis repugnat. Das von ihm ſelbſt aufgeſtellte Syſtem iſt natürlich auch künſtlich. Er theilt die Thiere in Landthiere, Waſſer- thiere und in beiden lebende Thiere. Die erſten bewegen ſich entweder nur mit Füßen (Vierfüßer und Vielfüßer, Inſecten) oder mit Füßen und Flügeln (zwei- füßig: Vögel, vierfüßig: fliegende Säugethiere, vielfüßig: fliegende Inſecten) oder nur durch Muskeln ohne Füße, Kriechthiere: Schlangen und Würmer. Die Waſſerthiere bewegen ſich entweder nur mit Floſſen (Lungen- und Kiemenfiſche) oder mit Schalen, oder unbeſtimmter Art, meiſt ohne Ortsbewegung: Zoophyten. Die in beiden Medien lebenden Thiere haben entweder Füße oder nicht. Es bleiben hierfür (Titius nennt keine Gruppen) nur Amphibien und Waſſerſchlangen übrig.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 479. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/490>, abgerufen am 22.11.2024.