Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Periode der Systematik. Anatomische von den Mollusken bekannt geworden. Obgleich indessenLister theils auf die Zahl der Schließmuskeln bei Zweischaligen und auf andere wichtige Verhältnisse Rücksicht nahm, theils auch sowohl Lepaden als Balanen untersucht und ihre Gliederfüße sogar abgebil- det hat, benutzte er doch diese Funde nicht, um aus ihnen Schlüsse auf die etwaige Verwandtschaft bestimmter Formen unter einander zu ziehen, sondern ordnete die Schalthiere in Land-, Süßwasser- und Meeresformen. Die Nacktschnecken stellt er zu den Landschnecken, aber Balanus neben Patella als einschalige Muschel; und die Cephalopoden sind bei ihm noch wie bei Aristoteles eine selbständig neben den Schal- thieren stehende Classe "Weichthiere", innerhalb deren er die beschalten Formen neben die nackten stellt, wie Helix neben Limax. Hinter Lister steht noch in der Auffassung und Vertheilung der Formen Fi- lippo Bonanni zurück, obschon er wie jener eine große Zahl ein- zelner Formen beschrieben und im Ganzen recht gut abgebildet hat. Seine Classen sind nur auf die Schalen gegründet; es sind genau die- selben, welche Lister für die Meeresconchylien aufgestellt hatte, dessen System er fast genau folgt. Die Schalthiere zerfallen daher bei ihm in die drei Gruppen der einschaligen nicht gethürmten, der einschaligen gethürmten und der zweischaligen. Zu den ersten werden die verschie- denen Formen der Seeigel gerechnet, zu den letzteren die Lepaden. Es braucht kaum erwähnt zu werden, welche unnatürliche Trennung ein nicht einmal scharf durchzuführender Eintheilungsgrund herbeiführen mußte, da Cypräen, Planorben u. a. ebensowenig gethürmt sind, wie Nautilus, Argonauta, Haliotis. Fast derselben Eintheilung folgt auch Sibbald bei Aufzählung der Schalthiere Schottlands in dem oben erwähnten Werke. Der 1693 gestorbene Kieler Professor Johann Daniel Major hatte schon vor Lister ein System der Schalthiere aufgestellt in seiner Ausgabe der Abhandlung über den Purpur von Fab. Columna (1675). Er theilt die beschalten Mollusken unter Aus- schluß der Echinen in ein- und mehrschalige; nicht uninteressant ist sein System deshalb, weil er zuerst auf die Windungsart etwas Rücksicht nimmt. Die hier kurz verzeichneten Arbeiten thun dar, daß zur Zeit von Periode der Syſtematik. Anatomiſche von den Mollusken bekannt geworden. Obgleich indeſſenLiſter theils auf die Zahl der Schließmuskeln bei Zweiſchaligen und auf andere wichtige Verhältniſſe Rückſicht nahm, theils auch ſowohl Lepaden als Balanen unterſucht und ihre Gliederfüße ſogar abgebil- det hat, benutzte er doch dieſe Funde nicht, um aus ihnen Schlüſſe auf die etwaige Verwandtſchaft beſtimmter Formen unter einander zu ziehen, ſondern ordnete die Schalthiere in Land-, Süßwaſſer- und Meeresformen. Die Nacktſchnecken ſtellt er zu den Landſchnecken, aber Balanus neben Patella als einſchalige Muſchel; und die Cephalopoden ſind bei ihm noch wie bei Ariſtoteles eine ſelbſtändig neben den Schal- thieren ſtehende Claſſe „Weichthiere“, innerhalb deren er die beſchalten Formen neben die nackten ſtellt, wie Helix neben Limax. Hinter Liſter ſteht noch in der Auffaſſung und Vertheilung der Formen Fi- lippo Bonanni zurück, obſchon er wie jener eine große Zahl ein- zelner Formen beſchrieben und im Ganzen recht gut abgebildet hat. Seine Claſſen ſind nur auf die Schalen gegründet; es ſind genau die- ſelben, welche Liſter für die Meeresconchylien aufgeſtellt hatte, deſſen Syſtem er faſt genau folgt. Die Schalthiere zerfallen daher bei ihm in die drei Gruppen der einſchaligen nicht gethürmten, der einſchaligen gethürmten und der zweiſchaligen. Zu den erſten werden die verſchie- denen Formen der Seeigel gerechnet, zu den letzteren die Lepaden. Es braucht kaum erwähnt zu werden, welche unnatürliche Trennung ein nicht einmal ſcharf durchzuführender Eintheilungsgrund herbeiführen mußte, da Cypräen, Planorben u. a. ebenſowenig gethürmt ſind, wie Nautilus, Argonauta, Haliotis. Faſt derſelben Eintheilung folgt auch Sibbald bei Aufzählung der Schalthiere Schottlands in dem oben erwähnten Werke. Der 1693 geſtorbene Kieler Profeſſor Johann Daniel Major hatte ſchon vor Liſter ein Syſtem der Schalthiere aufgeſtellt in ſeiner Ausgabe der Abhandlung über den Purpur von Fab. Columna (1675). Er theilt die beſchalten Mollusken unter Aus- ſchluß der Echinen in ein- und mehrſchalige; nicht unintereſſant iſt ſein Syſtem deshalb, weil er zuerſt auf die Windungsart etwas Rückſicht nimmt. Die hier kurz verzeichneten Arbeiten thun dar, daß zur Zeit von <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0459" n="448"/><fw place="top" type="header">Periode der Syſtematik.</fw><lb/> Anatomiſche von den Mollusken bekannt geworden. 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Liſter theils auf die Zahl der Schließmuskeln bei Zweiſchaligen und
auf andere wichtige Verhältniſſe Rückſicht nahm, theils auch ſowohl
Lepaden als Balanen unterſucht und ihre Gliederfüße ſogar abgebil-
det hat, benutzte er doch dieſe Funde nicht, um aus ihnen Schlüſſe
auf die etwaige Verwandtſchaft beſtimmter Formen unter einander zu
ziehen, ſondern ordnete die Schalthiere in Land-, Süßwaſſer- und
Meeresformen. Die Nacktſchnecken ſtellt er zu den Landſchnecken, aber
Balanus neben Patella als einſchalige Muſchel; und die Cephalopoden
ſind bei ihm noch wie bei Ariſtoteles eine ſelbſtändig neben den Schal-
thieren ſtehende Claſſe „Weichthiere“, innerhalb deren er die beſchalten
Formen neben die nackten ſtellt, wie Helix neben Limax. Hinter
Liſter ſteht noch in der Auffaſſung und Vertheilung der Formen Fi-
lippo Bonanni zurück, obſchon er wie jener eine große Zahl ein-
zelner Formen beſchrieben und im Ganzen recht gut abgebildet hat.
Seine Claſſen ſind nur auf die Schalen gegründet; es ſind genau die-
ſelben, welche Liſter für die Meeresconchylien aufgeſtellt hatte, deſſen
Syſtem er faſt genau folgt. Die Schalthiere zerfallen daher bei ihm
in die drei Gruppen der einſchaligen nicht gethürmten, der einſchaligen
gethürmten und der zweiſchaligen. Zu den erſten werden die verſchie-
denen Formen der Seeigel gerechnet, zu den letzteren die Lepaden. Es
braucht kaum erwähnt zu werden, welche unnatürliche Trennung ein
nicht einmal ſcharf durchzuführender Eintheilungsgrund herbeiführen
mußte, da Cypräen, Planorben u. a. ebenſowenig gethürmt ſind, wie
Nautilus, Argonauta, Haliotis. Faſt derſelben Eintheilung folgt auch
Sibbald bei Aufzählung der Schalthiere Schottlands in dem oben
erwähnten Werke. Der 1693 geſtorbene Kieler Profeſſor Johann
Daniel Major hatte ſchon vor Liſter ein Syſtem der Schalthiere
aufgeſtellt in ſeiner Ausgabe der Abhandlung über den Purpur von
Fab. Columna (1675). Er theilt die beſchalten Mollusken unter Aus-
ſchluß der Echinen in ein- und mehrſchalige; nicht unintereſſant iſt ſein
Syſtem deshalb, weil er zuerſt auf die Windungsart etwas Rückſicht
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