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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Willughby's Tode die höheren Classen und die Insecten zu bearbeiten
übernommen hatte, während die Weichthiere und Würmer Martin
Lister
zugetheilt worden waren. Ueber dessen Arbeiten wird später
noch kurz zu sprechen sein. In der 1693 erschienenen Synopsis der
Säugethiere und Reptilien gibt Ray eine allgemeine Einleitung über
die Eintheilung des Thierreichs und einige allgemeine, die damalige Zeit
lebhaft bewegende Fragen. Ist dieselbe schon dadurch zur Kenntniß
von Ray's Stellung den letzteren gegenüber von Werth, da er sich hier
offen und entschieden als ein Bekämpfer der Urzeugung bekennt und in
Bezug auf den Streit zwischen den Spermatisten und Ovulisten den
Ausgangspunkt der Entwickelung in das weiblicherseits gegebene Ei
verlegt (freilich unter ausdrücklicher Anerkennung mancher zweifelhafter
Punkte), so thut sie in ihrem classificatorischen Theile nach den un-
fruchtbaren systematischen Versuchen seiner Vorgänger durch die klare,
präcise, anatomisch sichere Darlegung des Systems der Wirbelthiere
wohl, welches vollständig das später von Linne ausgeführte ist. Ob-
schon er zugibt, daß Peyer (in seiner Merykologie) Recht habe, wenn
er allen Thieren eine blutartige durch den Körper bewegte Flüssigkeit
zuschreibt, und auch selbst noch hinzufügt, daß eines der sogenannten
blutlosen Thiere sogar, wie die höheren, rothes Blut habe, nämlich der
Regenwurm, so folgt er doch der Aristotelischen Theilung des ganzen
Thierreichs in Blutführende und Blutlose, weil sie die bequemste und
bekannteste sei. Er war überhaupt, wie sich zeigen wird, kein Freund
von durchgreifenden Neuerungen. Bei der Eintheilung der Blutlosen
gibt er nur das Aristotelische Schema unter Anführung der griechischen
Stellen; er theilt sie in größere und kleinere, erstere wieder in die
Weichthiere (Cephalopoda), Crustaceen und Testaceen; letztere um-
fassen nur die Insecten. Nun hat er zwar, wie aus seiner Correspon-
denz hervorgeht, vielfach Mollusken gesammelt; die Aehnlichkeit zwi-
schen dem Thiere einer Gehäus- mit einer Nacktschnecke ist ihm gleich-
falls nicht entgangen. Er geht aber in seinen synoptischen Darstellungen
nicht auf diese Classen specieller ein.

Bei der Bedeutung, welche die Ray'sche Systematik für alle späte-
ren Anordnungsweisen besitzt, erscheint es geboten, dieselbe ziemlich ein-

Willughby's Tode die höheren Claſſen und die Inſecten zu bearbeiten
übernommen hatte, während die Weichthiere und Würmer Martin
Liſter
zugetheilt worden waren. Ueber deſſen Arbeiten wird ſpäter
noch kurz zu ſprechen ſein. In der 1693 erſchienenen Synopſis der
Säugethiere und Reptilien gibt Ray eine allgemeine Einleitung über
die Eintheilung des Thierreichs und einige allgemeine, die damalige Zeit
lebhaft bewegende Fragen. Iſt dieſelbe ſchon dadurch zur Kenntniß
von Ray's Stellung den letzteren gegenüber von Werth, da er ſich hier
offen und entſchieden als ein Bekämpfer der Urzeugung bekennt und in
Bezug auf den Streit zwiſchen den Spermatiſten und Ovuliſten den
Ausgangspunkt der Entwickelung in das weiblicherſeits gegebene Ei
verlegt (freilich unter ausdrücklicher Anerkennung mancher zweifelhafter
Punkte), ſo thut ſie in ihrem claſſificatoriſchen Theile nach den un-
fruchtbaren ſyſtematiſchen Verſuchen ſeiner Vorgänger durch die klare,
präciſe, anatomiſch ſichere Darlegung des Syſtems der Wirbelthiere
wohl, welches vollſtändig das ſpäter von Linné ausgeführte iſt. Ob-
ſchon er zugibt, daß Peyer (in ſeiner Merykologie) Recht habe, wenn
er allen Thieren eine blutartige durch den Körper bewegte Flüſſigkeit
zuſchreibt, und auch ſelbſt noch hinzufügt, daß eines der ſogenannten
blutloſen Thiere ſogar, wie die höheren, rothes Blut habe, nämlich der
Regenwurm, ſo folgt er doch der Ariſtoteliſchen Theilung des ganzen
Thierreichs in Blutführende und Blutloſe, weil ſie die bequemſte und
bekannteſte ſei. Er war überhaupt, wie ſich zeigen wird, kein Freund
von durchgreifenden Neuerungen. Bei der Eintheilung der Blutloſen
gibt er nur das Ariſtoteliſche Schema unter Anführung der griechiſchen
Stellen; er theilt ſie in größere und kleinere, erſtere wieder in die
Weichthiere (Cephalopoda), Cruſtaceen und Teſtaceen; letztere um-
faſſen nur die Inſecten. Nun hat er zwar, wie aus ſeiner Correſpon-
denz hervorgeht, vielfach Mollusken geſammelt; die Aehnlichkeit zwi-
ſchen dem Thiere einer Gehäus- mit einer Nacktſchnecke iſt ihm gleich-
falls nicht entgangen. Er geht aber in ſeinen ſynoptiſchen Darſtellungen
nicht auf dieſe Claſſen ſpecieller ein.

Bei der Bedeutung, welche die Ray'ſche Syſtematik für alle ſpäte-
ren Anordnungsweiſen beſitzt, erſcheint es geboten, dieſelbe ziemlich ein-

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[437/0448] John Ray. Willughby's Tode die höheren Claſſen und die Inſecten zu bearbeiten übernommen hatte, während die Weichthiere und Würmer Martin Liſter zugetheilt worden waren. Ueber deſſen Arbeiten wird ſpäter noch kurz zu ſprechen ſein. In der 1693 erſchienenen Synopſis der Säugethiere und Reptilien gibt Ray eine allgemeine Einleitung über die Eintheilung des Thierreichs und einige allgemeine, die damalige Zeit lebhaft bewegende Fragen. Iſt dieſelbe ſchon dadurch zur Kenntniß von Ray's Stellung den letzteren gegenüber von Werth, da er ſich hier offen und entſchieden als ein Bekämpfer der Urzeugung bekennt und in Bezug auf den Streit zwiſchen den Spermatiſten und Ovuliſten den Ausgangspunkt der Entwickelung in das weiblicherſeits gegebene Ei verlegt (freilich unter ausdrücklicher Anerkennung mancher zweifelhafter Punkte), ſo thut ſie in ihrem claſſificatoriſchen Theile nach den un- fruchtbaren ſyſtematiſchen Verſuchen ſeiner Vorgänger durch die klare, präciſe, anatomiſch ſichere Darlegung des Syſtems der Wirbelthiere wohl, welches vollſtändig das ſpäter von Linné ausgeführte iſt. Ob- ſchon er zugibt, daß Peyer (in ſeiner Merykologie) Recht habe, wenn er allen Thieren eine blutartige durch den Körper bewegte Flüſſigkeit zuſchreibt, und auch ſelbſt noch hinzufügt, daß eines der ſogenannten blutloſen Thiere ſogar, wie die höheren, rothes Blut habe, nämlich der Regenwurm, ſo folgt er doch der Ariſtoteliſchen Theilung des ganzen Thierreichs in Blutführende und Blutloſe, weil ſie die bequemſte und bekannteſte ſei. Er war überhaupt, wie ſich zeigen wird, kein Freund von durchgreifenden Neuerungen. Bei der Eintheilung der Blutloſen gibt er nur das Ariſtoteliſche Schema unter Anführung der griechiſchen Stellen; er theilt ſie in größere und kleinere, erſtere wieder in die Weichthiere (Cephalopoda), Cruſtaceen und Teſtaceen; letztere um- faſſen nur die Inſecten. Nun hat er zwar, wie aus ſeiner Correſpon- denz hervorgeht, vielfach Mollusken geſammelt; die Aehnlichkeit zwi- ſchen dem Thiere einer Gehäus- mit einer Nacktſchnecke iſt ihm gleich- falls nicht entgangen. Er geht aber in ſeinen ſynoptiſchen Darſtellungen nicht auf dieſe Claſſen ſpecieller ein. Bei der Bedeutung, welche die Ray'ſche Syſtematik für alle ſpäte- ren Anordnungsweiſen beſitzt, erſcheint es geboten, dieſelbe ziemlich ein-

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/448>, abgerufen am 25.11.2024.