Formen, sondern besonders auch zur Bestimmung dessen, was er als eine solche "einzelne Form" anzusehen habe, durch die Bemühungen gelangte, unter den mannichfachen Verschiedenheiten, welche diese Formen getrennt halten, diejenigen herauszufinden, welche diese Trennung am schärfsten und unwandelbarsten bezeichnen. Der technische Name für solche syste- matisch zu bezeichnende einzelne Formen bot sich von selbst dar in dem Worte, welches seit Aristoteles für alle kleineren Gruppen angewendet worden war, in dem Worte "Species". Erst mit Ray erhält daher dieser Ausdruck wie der der specifischen Merkmale den heutigen Sinn.
In der diesen Punkt betreffenden Hauptstelle spricht nun Ray allerdings zunächst von den Pflanzen; es ist aber bezeichnend, daß er nicht umhin kann, zur schärferen Bezeichnung des ihm bei Pflanzen nothwendig Erscheinenden auf die gleichen Verhältnisse bei Thieren hin- zuweisen, für diese also die gleiche Bestimmung einzuführen. In dem zwanzigsten Kapitel des ersten Buches seiner Geschichte der Pflanzen sagt Ray: "Wie bei den Thieren die Verschiedenheit der Geschlechter nicht hinreicht, den Unterschied der Species zu begründen, weil einmal beide Geschlechter aus dem Samen einer und derselben Species, nicht selten von denselben Eltern entstehen (obschon sie in vielen und auffal- lenden Accidenzien von einander abweichen) und es andererseits nicht nöthig ist, für die specifische Identität des Stieres und der Kuh, des Mannes und der Frau ein anderes Argument beizubringen, als daß dieselben von denselben Eltern, ja häufig sogar von derselben Mutter abstammen, so gibt es auch bei den Pflanzen kein anderes sichereres Zeichen der specifischen Uebereinstimmung (non aliud certius indi- cium convenientiae specificae est) als den Ursprung aus dem Sa- men der specifisch oder individuell identischen Pflanze. Welche Formen nämlich der Species nach verschieden sind, behalten diese ihre specifische Natur (speciem suam) beständig und es entsteht die eine nicht aus dem Samen einer andern und umgekehrt"24). Es ist diese Stelle in mehr als einer Hinsicht äußerst interessant. Zunächst spricht sie Ray's Ansicht über das Kriterium für das aus, was man als Art anzusehen
24)Historia plantarum. Tom. I. 1686. p. 40.
Periode der Syſtematik.
Formen, ſondern beſonders auch zur Beſtimmung deſſen, was er als eine ſolche „einzelne Form“ anzuſehen habe, durch die Bemühungen gelangte, unter den mannichfachen Verſchiedenheiten, welche dieſe Formen getrennt halten, diejenigen herauszufinden, welche dieſe Trennung am ſchärfſten und unwandelbarſten bezeichnen. Der techniſche Name für ſolche ſyſte- matiſch zu bezeichnende einzelne Formen bot ſich von ſelbſt dar in dem Worte, welches ſeit Ariſtoteles für alle kleineren Gruppen angewendet worden war, in dem Worte „Species“. Erſt mit Ray erhält daher dieſer Ausdruck wie der der ſpecifiſchen Merkmale den heutigen Sinn.
In der dieſen Punkt betreffenden Hauptſtelle ſpricht nun Ray allerdings zunächſt von den Pflanzen; es iſt aber bezeichnend, daß er nicht umhin kann, zur ſchärferen Bezeichnung des ihm bei Pflanzen nothwendig Erſcheinenden auf die gleichen Verhältniſſe bei Thieren hin- zuweiſen, für dieſe alſo die gleiche Beſtimmung einzuführen. In dem zwanzigſten Kapitel des erſten Buches ſeiner Geſchichte der Pflanzen ſagt Ray: „Wie bei den Thieren die Verſchiedenheit der Geſchlechter nicht hinreicht, den Unterſchied der Species zu begründen, weil einmal beide Geſchlechter aus dem Samen einer und derſelben Species, nicht ſelten von denſelben Eltern entſtehen (obſchon ſie in vielen und auffal- lenden Accidenzien von einander abweichen) und es andererſeits nicht nöthig iſt, für die ſpecifiſche Identität des Stieres und der Kuh, des Mannes und der Frau ein anderes Argument beizubringen, als daß dieſelben von denſelben Eltern, ja häufig ſogar von derſelben Mutter abſtammen, ſo gibt es auch bei den Pflanzen kein anderes ſichereres Zeichen der ſpecifiſchen Uebereinſtimmung (non aliud certius indi- cium convenientiae specificae est) als den Urſprung aus dem Sa- men der ſpecifiſch oder individuell identiſchen Pflanze. Welche Formen nämlich der Species nach verſchieden ſind, behalten dieſe ihre ſpecifiſche Natur (speciem suam) beſtändig und es entſteht die eine nicht aus dem Samen einer andern und umgekehrt“24). Es iſt dieſe Stelle in mehr als einer Hinſicht äußerſt intereſſant. Zunächſt ſpricht ſie Ray's Anſicht über das Kriterium für das aus, was man als Art anzuſehen
24)Historia plantarum. Tom. I. 1686. p. 40.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0445"n="434"/><fwplace="top"type="header">Periode der Syſtematik.</fw><lb/>
Formen, ſondern beſonders auch zur Beſtimmung deſſen, was er als eine<lb/>ſolche „einzelne Form“ anzuſehen habe, durch die Bemühungen gelangte,<lb/>
unter den mannichfachen Verſchiedenheiten, welche dieſe Formen getrennt<lb/>
halten, diejenigen herauszufinden, welche dieſe Trennung am ſchärfſten<lb/>
und unwandelbarſten bezeichnen. Der techniſche Name für ſolche ſyſte-<lb/>
matiſch zu bezeichnende einzelne Formen bot ſich von ſelbſt dar in dem<lb/>
Worte, welches ſeit <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ariſtoteles</persName> für alle kleineren Gruppen angewendet<lb/>
worden war, in dem Worte „Species“. Erſt mit <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118788000">Ray</persName> erhält daher<lb/>
dieſer Ausdruck wie der der ſpecifiſchen Merkmale den heutigen Sinn.</p><lb/><p>In der dieſen Punkt betreffenden Hauptſtelle ſpricht nun <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118788000">Ray</persName><lb/>
allerdings zunächſt von den Pflanzen; es iſt aber bezeichnend, daß er<lb/>
nicht umhin kann, zur ſchärferen Bezeichnung des ihm bei Pflanzen<lb/>
nothwendig Erſcheinenden auf die gleichen Verhältniſſe bei Thieren hin-<lb/>
zuweiſen, für dieſe alſo die gleiche Beſtimmung einzuführen. In dem<lb/>
zwanzigſten Kapitel des erſten Buches ſeiner Geſchichte der Pflanzen<lb/>ſagt <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118788000">Ray</persName>: „Wie bei den Thieren die Verſchiedenheit der Geſchlechter<lb/>
nicht hinreicht, den Unterſchied der Species zu begründen, weil einmal<lb/>
beide Geſchlechter aus dem Samen einer und derſelben Species, nicht<lb/>ſelten von denſelben Eltern entſtehen (obſchon ſie in vielen und auffal-<lb/>
lenden Accidenzien von einander abweichen) und es andererſeits nicht<lb/>
nöthig iſt, für die ſpecifiſche Identität des Stieres und der Kuh, des<lb/>
Mannes und der Frau ein anderes Argument beizubringen, als daß<lb/>
dieſelben von denſelben Eltern, ja häufig ſogar von derſelben Mutter<lb/>
abſtammen, ſo gibt es auch bei den Pflanzen kein anderes ſichereres<lb/>
Zeichen der ſpecifiſchen Uebereinſtimmung (<hirendition="#aq">non aliud certius indi-<lb/>
cium convenientiae specificae est</hi>) als den Urſprung aus dem Sa-<lb/>
men der ſpecifiſch oder individuell identiſchen Pflanze. Welche Formen<lb/>
nämlich der Species nach verſchieden ſind, behalten dieſe ihre ſpecifiſche<lb/>
Natur (<hirendition="#aq">speciem suam</hi>) beſtändig und es entſteht die eine nicht aus<lb/>
dem Samen einer andern und umgekehrt“<noteplace="foot"n="24)"><hirendition="#aq">Historia plantarum. Tom. I. 1686. p. 40.</hi></note>. Es iſt dieſe Stelle in<lb/>
mehr als einer Hinſicht äußerſt intereſſant. Zunächſt ſpricht ſie <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118788000">Ray</persName>'s<lb/>
Anſicht über das Kriterium für das aus, was man als Art anzuſehen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[434/0445]
Periode der Syſtematik.
Formen, ſondern beſonders auch zur Beſtimmung deſſen, was er als eine
ſolche „einzelne Form“ anzuſehen habe, durch die Bemühungen gelangte,
unter den mannichfachen Verſchiedenheiten, welche dieſe Formen getrennt
halten, diejenigen herauszufinden, welche dieſe Trennung am ſchärfſten
und unwandelbarſten bezeichnen. Der techniſche Name für ſolche ſyſte-
matiſch zu bezeichnende einzelne Formen bot ſich von ſelbſt dar in dem
Worte, welches ſeit Ariſtoteles für alle kleineren Gruppen angewendet
worden war, in dem Worte „Species“. Erſt mit Ray erhält daher
dieſer Ausdruck wie der der ſpecifiſchen Merkmale den heutigen Sinn.
In der dieſen Punkt betreffenden Hauptſtelle ſpricht nun Ray
allerdings zunächſt von den Pflanzen; es iſt aber bezeichnend, daß er
nicht umhin kann, zur ſchärferen Bezeichnung des ihm bei Pflanzen
nothwendig Erſcheinenden auf die gleichen Verhältniſſe bei Thieren hin-
zuweiſen, für dieſe alſo die gleiche Beſtimmung einzuführen. In dem
zwanzigſten Kapitel des erſten Buches ſeiner Geſchichte der Pflanzen
ſagt Ray: „Wie bei den Thieren die Verſchiedenheit der Geſchlechter
nicht hinreicht, den Unterſchied der Species zu begründen, weil einmal
beide Geſchlechter aus dem Samen einer und derſelben Species, nicht
ſelten von denſelben Eltern entſtehen (obſchon ſie in vielen und auffal-
lenden Accidenzien von einander abweichen) und es andererſeits nicht
nöthig iſt, für die ſpecifiſche Identität des Stieres und der Kuh, des
Mannes und der Frau ein anderes Argument beizubringen, als daß
dieſelben von denſelben Eltern, ja häufig ſogar von derſelben Mutter
abſtammen, ſo gibt es auch bei den Pflanzen kein anderes ſichereres
Zeichen der ſpecifiſchen Uebereinſtimmung (non aliud certius indi-
cium convenientiae specificae est) als den Urſprung aus dem Sa-
men der ſpecifiſch oder individuell identiſchen Pflanze. Welche Formen
nämlich der Species nach verſchieden ſind, behalten dieſe ihre ſpecifiſche
Natur (speciem suam) beſtändig und es entſteht die eine nicht aus
dem Samen einer andern und umgekehrt“ 24). Es iſt dieſe Stelle in
mehr als einer Hinſicht äußerſt intereſſant. Zunächſt ſpricht ſie Ray's
Anſicht über das Kriterium für das aus, was man als Art anzuſehen
24) Historia plantarum. Tom. I. 1686. p. 40.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/445>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.