Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

Bild:
<< vorherige Seite

Periode der Systematik.
dem wissenschaftlichen Leben und Treiben überhaupt gaben. Es wurde
bereits früher an die Gründung der wissenschaftlichen Akademien erin-
nert13). Reichen einige auch weiter zurück, so bilden doch die den Na-
turwissenschaften specieller gewidmeten Gesellschaften jedenfalls für die
Geschichte des vorliegenden Zeitraumes ein nicht unwichtiges Moment.
Man hat den Unterschied zwischen ihnen und den Universitäten beson-
ders darin suchen zu können gemeint, daß man die directe Förderung
der Wissenschaft durch Arbeiten der Mitglieder für die Aufgabe der er-
steren, den Unterricht, die Mittheilung der gewonnenen Kenntnisse an
die Jugend für das Wesen der letzteren erklärte. Diese Bestimmung
der Verschiedenheit legt aber moderne Verhältnisse alten Einrichtungen
unter. Der Fortschritt der Wissenschaften vollzog sich in den Zeiten,
von denen hier die Rede ist, noch ausschließlicher als es heute der Fall
ist, an den Universitäten und der Gründung jener gelehrten Gesell-
schaften lag vielmehr ein praktisches Bedürfniß zu Grunde. Dies war
wohl nicht bei allen das gleiche; in einzelnen Fällen mag vielleicht der
Wunsch, dem Gelehrtenstande eine noch schärfer als sonst hervortretende
besondere Stellung zu geben, mitgewirkt haben. Hauptsächlich waren
es aber die erwähnten Motive, welche zu Vereinigungen führten: Er-
leichterung des Verkehrs und der Veröffentlichungsweise einerseits und
auf der andern Seite eine durch Kenntnißnahme des in bekannten Krei-
sen Getriebenen ermöglichte Theilung der Arbeit. Zu den früher er-
wähnten italienischen Gesellschaften, von denen auch die Academia dei
Lyncei
bald nach dem Tode ihres Gründers des Fürsten Cesi wieder
eingieng, kam noch die vorzüglich für Experimentaluntersuchungen be-
stimmte Academia del Cimento, welche jedoch nach kurzem Bestehen
das Schicksal der ersteren theilte; sie war 1651 von Borelli, Redi u. A.
gegründet worden, hörte aber schon 1667 wieder zu arbeiten auf. In
diese Zeit fällt nun aber auch die Gründung der drei großen, noch jetzt
bestehenden Akademien, welche trotz aller Wandlungen und Umgestal-
tungen, welche sowohl die Wissenschaft als die Heimathsländer der
Akademien selbst erfahren haben, ihre Thätigkeit höchstens vorüber-

13) s. oben S. 260.

Periode der Syſtematik.
dem wiſſenſchaftlichen Leben und Treiben überhaupt gaben. Es wurde
bereits früher an die Gründung der wiſſenſchaftlichen Akademien erin-
nert13). Reichen einige auch weiter zurück, ſo bilden doch die den Na-
turwiſſenſchaften ſpecieller gewidmeten Geſellſchaften jedenfalls für die
Geſchichte des vorliegenden Zeitraumes ein nicht unwichtiges Moment.
Man hat den Unterſchied zwiſchen ihnen und den Univerſitäten beſon-
ders darin ſuchen zu können gemeint, daß man die directe Förderung
der Wiſſenſchaft durch Arbeiten der Mitglieder für die Aufgabe der er-
ſteren, den Unterricht, die Mittheilung der gewonnenen Kenntniſſe an
die Jugend für das Weſen der letzteren erklärte. Dieſe Beſtimmung
der Verſchiedenheit legt aber moderne Verhältniſſe alten Einrichtungen
unter. Der Fortſchritt der Wiſſenſchaften vollzog ſich in den Zeiten,
von denen hier die Rede iſt, noch ausſchließlicher als es heute der Fall
iſt, an den Univerſitäten und der Gründung jener gelehrten Geſell-
ſchaften lag vielmehr ein praktiſches Bedürfniß zu Grunde. Dies war
wohl nicht bei allen das gleiche; in einzelnen Fällen mag vielleicht der
Wunſch, dem Gelehrtenſtande eine noch ſchärfer als ſonſt hervortretende
beſondere Stellung zu geben, mitgewirkt haben. Hauptſächlich waren
es aber die erwähnten Motive, welche zu Vereinigungen führten: Er-
leichterung des Verkehrs und der Veröffentlichungsweiſe einerſeits und
auf der andern Seite eine durch Kenntnißnahme des in bekannten Krei-
ſen Getriebenen ermöglichte Theilung der Arbeit. Zu den früher er-
wähnten italieniſchen Geſellſchaften, von denen auch die Academia dei
Lyncei
bald nach dem Tode ihres Gründers des Fürſten Ceſi wieder
eingieng, kam noch die vorzüglich für Experimentalunterſuchungen be-
ſtimmte Academia del Cimento, welche jedoch nach kurzem Beſtehen
das Schickſal der erſteren theilte; ſie war 1651 von Borelli, Redi u. A.
gegründet worden, hörte aber ſchon 1667 wieder zu arbeiten auf. In
dieſe Zeit fällt nun aber auch die Gründung der drei großen, noch jetzt
beſtehenden Akademien, welche trotz aller Wandlungen und Umgeſtal-
tungen, welche ſowohl die Wiſſenſchaft als die Heimathsländer der
Akademien ſelbſt erfahren haben, ihre Thätigkeit höchſtens vorüber-

13) ſ. oben S. 260.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0419" n="408"/><fw place="top" type="header">Periode der Sy&#x017F;tematik.</fw><lb/>
dem wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Leben und Treiben überhaupt gaben. Es wurde<lb/>
bereits früher an die Gründung der wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Akademien erin-<lb/>
nert<note place="foot" n="13)">&#x017F;. oben S. 260.</note>. Reichen einige auch weiter zurück, &#x017F;o bilden doch die den Na-<lb/>
turwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften &#x017F;pecieller gewidmeten Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften jedenfalls für die<lb/>
Ge&#x017F;chichte des vorliegenden Zeitraumes ein nicht unwichtiges Moment.<lb/>
Man hat den Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen ihnen und den Univer&#x017F;itäten be&#x017F;on-<lb/>
ders darin &#x017F;uchen zu können gemeint, daß man die directe Förderung<lb/>
der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft durch Arbeiten der Mitglieder für die Aufgabe der er-<lb/>
&#x017F;teren, den Unterricht, die Mittheilung der gewonnenen Kenntni&#x017F;&#x017F;e an<lb/>
die Jugend für das We&#x017F;en der letzteren erklärte. Die&#x017F;e Be&#x017F;timmung<lb/>
der Ver&#x017F;chiedenheit legt aber moderne Verhältni&#x017F;&#x017F;e alten Einrichtungen<lb/>
unter. Der Fort&#x017F;chritt der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften vollzog &#x017F;ich in den Zeiten,<lb/>
von denen hier die Rede i&#x017F;t, noch aus&#x017F;chließlicher als es heute der Fall<lb/>
i&#x017F;t, an den Univer&#x017F;itäten und der Gründung jener gelehrten Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaften lag vielmehr ein prakti&#x017F;ches Bedürfniß zu Grunde. Dies war<lb/>
wohl nicht bei allen das gleiche; in einzelnen Fällen mag vielleicht der<lb/>
Wun&#x017F;ch, dem Gelehrten&#x017F;tande eine noch &#x017F;chärfer als &#x017F;on&#x017F;t hervortretende<lb/>
be&#x017F;ondere Stellung zu geben, mitgewirkt haben. Haupt&#x017F;ächlich waren<lb/>
es aber die erwähnten Motive, welche zu Vereinigungen führten: Er-<lb/>
leichterung des Verkehrs und der Veröffentlichungswei&#x017F;e einer&#x017F;eits und<lb/>
auf der andern Seite eine durch Kenntnißnahme des in bekannten Krei-<lb/>
&#x017F;en Getriebenen ermöglichte Theilung der Arbeit. Zu den früher er-<lb/>
wähnten italieni&#x017F;chen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften, von denen auch die <hi rendition="#aq">Academia dei<lb/>
Lyncei</hi> bald nach dem Tode ihres Gründers des Für&#x017F;ten <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119294214">Ce&#x017F;i</persName> wieder<lb/>
eingieng, kam noch die vorzüglich für Experimentalunter&#x017F;uchungen be-<lb/>
&#x017F;timmte <hi rendition="#aq">Academia del Cimento,</hi> welche jedoch nach kurzem Be&#x017F;tehen<lb/>
das Schick&#x017F;al der er&#x017F;teren theilte; &#x017F;ie war 1651 von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118659359">Borelli</persName>, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118939416">Redi</persName> u. A.<lb/>
gegründet worden, hörte aber &#x017F;chon 1667 wieder zu arbeiten auf. In<lb/>
die&#x017F;e Zeit fällt nun aber auch die Gründung der drei großen, noch jetzt<lb/>
be&#x017F;tehenden Akademien, welche trotz aller Wandlungen und Umge&#x017F;tal-<lb/>
tungen, welche &#x017F;owohl die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft als die Heimathsländer der<lb/>
Akademien &#x017F;elb&#x017F;t erfahren haben, ihre Thätigkeit höch&#x017F;tens vorüber-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[408/0419] Periode der Syſtematik. dem wiſſenſchaftlichen Leben und Treiben überhaupt gaben. Es wurde bereits früher an die Gründung der wiſſenſchaftlichen Akademien erin- nert 13). Reichen einige auch weiter zurück, ſo bilden doch die den Na- turwiſſenſchaften ſpecieller gewidmeten Geſellſchaften jedenfalls für die Geſchichte des vorliegenden Zeitraumes ein nicht unwichtiges Moment. Man hat den Unterſchied zwiſchen ihnen und den Univerſitäten beſon- ders darin ſuchen zu können gemeint, daß man die directe Förderung der Wiſſenſchaft durch Arbeiten der Mitglieder für die Aufgabe der er- ſteren, den Unterricht, die Mittheilung der gewonnenen Kenntniſſe an die Jugend für das Weſen der letzteren erklärte. Dieſe Beſtimmung der Verſchiedenheit legt aber moderne Verhältniſſe alten Einrichtungen unter. Der Fortſchritt der Wiſſenſchaften vollzog ſich in den Zeiten, von denen hier die Rede iſt, noch ausſchließlicher als es heute der Fall iſt, an den Univerſitäten und der Gründung jener gelehrten Geſell- ſchaften lag vielmehr ein praktiſches Bedürfniß zu Grunde. Dies war wohl nicht bei allen das gleiche; in einzelnen Fällen mag vielleicht der Wunſch, dem Gelehrtenſtande eine noch ſchärfer als ſonſt hervortretende beſondere Stellung zu geben, mitgewirkt haben. Hauptſächlich waren es aber die erwähnten Motive, welche zu Vereinigungen führten: Er- leichterung des Verkehrs und der Veröffentlichungsweiſe einerſeits und auf der andern Seite eine durch Kenntnißnahme des in bekannten Krei- ſen Getriebenen ermöglichte Theilung der Arbeit. Zu den früher er- wähnten italieniſchen Geſellſchaften, von denen auch die Academia dei Lyncei bald nach dem Tode ihres Gründers des Fürſten Ceſi wieder eingieng, kam noch die vorzüglich für Experimentalunterſuchungen be- ſtimmte Academia del Cimento, welche jedoch nach kurzem Beſtehen das Schickſal der erſteren theilte; ſie war 1651 von Borelli, Redi u. A. gegründet worden, hörte aber ſchon 1667 wieder zu arbeiten auf. In dieſe Zeit fällt nun aber auch die Gründung der drei großen, noch jetzt beſtehenden Akademien, welche trotz aller Wandlungen und Umgeſtal- tungen, welche ſowohl die Wiſſenſchaft als die Heimathsländer der Akademien ſelbſt erfahren haben, ihre Thätigkeit höchſtens vorüber- 13) ſ. oben S. 260.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/419
Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/419>, abgerufen am 17.08.2024.