Auge richtig zu benutzen verstand, beweisen seine Mittheilungen über den Bau und die Entwickelungsgeschichte der Frösche, sowie über deren Urogenitalorgane; den Zusammenhang der letzteren in ihren ausfüh- renden Theilen, welchen Swammerdam bereits erkannt hatte, haben erst Arbeiten der neuesten Zeit wieder bestätigt. -- Hatten Malpighi und Leeuwenhoek vorzüglich dazu beigetragen, den Gedanken an eine gleichartige Zusammensetzung der verschiedenst gestalteten Thierkörper allmählich vorzubereiten, so war es besonders Swammerdam, welcher die Gleichartigkeit der Zeugungsweise bei Thieren aller Classen zur Geltung zu bringen suchte. Vorzüglich trugen seine Nachweise über die nur befruchtende Rolle des Samens dazu bei, die Ansichten über die Bedeutung der beiderseitigen Zeugungsprodukte zu klären.
Es harrte aber nicht bloß der Streit über das Wesen der Zeu- gung und Befruchtung der endgültigen Entscheidung, welche erst mit Spallanzani's Fundamentalversuchen gegeben wurde, es waren auch noch, trotz der weiter ausgedehnten Untersuchungen über die Geschlechts- verhältnisse der Thiere, manche Fälle von merkwürdigem Erscheinen einzelner Thierformen übrig, welche man nur als durch Urzeugung er- klärbar ansehen zu können meinte11). Die Annahme eines Entstehens von Thieren, selbst ziemlich zusammengesetzt organisirten, aus faulenden Stoffen, Schleim u. s. w. war damals der Deckmantel für die Un- kenntniß in Bezug auf Anatomie und Entwickelungsgeschichte der be- treffenden Formen. Ein Angriff gegen diese Lehre, ja selbst nur we- nige thatsächliche Belege für das Unhaltbare derselben, waren daher für die Fortschritte der Naturgeschichte der Thiere von großer Bedeu- tung. Aber nicht bloß wegen der Beseitigung eines entschiedenen Irr- thums, auch wegen des damit gegebenen Beweises von der Gefahr eines ohne Gewähr übernommenen Autoritätsglaubens waren die Untersu- chungen Francesco Redi's aus Arezzo äußerst bedeutungsvoll. Besonders waren es die "Versuche betreffs der Erzeugung der Insec-
11) Die selbständige Erzeugung lebender Wesen ohne elterliche Formen erör- terte noch in der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts ausführlich Fortu- nius Licetus, De spontaneo viventium ortu. Vicentiae, 1618.40
Auge richtig zu benutzen verſtand, beweiſen ſeine Mittheilungen über den Bau und die Entwickelungsgeſchichte der Fröſche, ſowie über deren Urogenitalorgane; den Zuſammenhang der letzteren in ihren ausfüh- renden Theilen, welchen Swammerdam bereits erkannt hatte, haben erſt Arbeiten der neueſten Zeit wieder beſtätigt. — Hatten Malpighi und Leeuwenhoek vorzüglich dazu beigetragen, den Gedanken an eine gleichartige Zuſammenſetzung der verſchiedenſt geſtalteten Thierkörper allmählich vorzubereiten, ſo war es beſonders Swammerdam, welcher die Gleichartigkeit der Zeugungsweiſe bei Thieren aller Claſſen zur Geltung zu bringen ſuchte. Vorzüglich trugen ſeine Nachweiſe über die nur befruchtende Rolle des Samens dazu bei, die Anſichten über die Bedeutung der beiderſeitigen Zeugungsprodukte zu klären.
Es harrte aber nicht bloß der Streit über das Weſen der Zeu- gung und Befruchtung der endgültigen Entſcheidung, welche erſt mit Spallanzani's Fundamentalverſuchen gegeben wurde, es waren auch noch, trotz der weiter ausgedehnten Unterſuchungen über die Geſchlechts- verhältniſſe der Thiere, manche Fälle von merkwürdigem Erſcheinen einzelner Thierformen übrig, welche man nur als durch Urzeugung er- klärbar anſehen zu können meinte11). Die Annahme eines Entſtehens von Thieren, ſelbſt ziemlich zuſammengeſetzt organiſirten, aus faulenden Stoffen, Schleim u. ſ. w. war damals der Deckmantel für die Un- kenntniß in Bezug auf Anatomie und Entwickelungsgeſchichte der be- treffenden Formen. Ein Angriff gegen dieſe Lehre, ja ſelbſt nur we- nige thatſächliche Belege für das Unhaltbare derſelben, waren daher für die Fortſchritte der Naturgeſchichte der Thiere von großer Bedeu- tung. Aber nicht bloß wegen der Beſeitigung eines entſchiedenen Irr- thums, auch wegen des damit gegebenen Beweiſes von der Gefahr eines ohne Gewähr übernommenen Autoritätsglaubens waren die Unterſu- chungen Francesco Redi's aus Arezzo äußerſt bedeutungsvoll. Beſonders waren es die „Verſuche betreffs der Erzeugung der Inſec-
11) Die ſelbſtändige Erzeugung lebender Weſen ohne elterliche Formen erör- terte noch in der erſten Hälfte des ſiebzehnten Jahrhunderts ausführlich Fortu- nius Licetus, De spontaneo viventium ortu. Vicentiae, 1618.40
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Francesco Redi.
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Urogenitalorgane; den Zuſammenhang der letzteren in ihren ausfüh-
renden Theilen, welchen Swammerdam bereits erkannt hatte, haben
erſt Arbeiten der neueſten Zeit wieder beſtätigt. — Hatten Malpighi
und Leeuwenhoek vorzüglich dazu beigetragen, den Gedanken an eine
gleichartige Zuſammenſetzung der verſchiedenſt geſtalteten Thierkörper
allmählich vorzubereiten, ſo war es beſonders Swammerdam, welcher
die Gleichartigkeit der Zeugungsweiſe bei Thieren aller Claſſen zur
Geltung zu bringen ſuchte. Vorzüglich trugen ſeine Nachweiſe über die
nur befruchtende Rolle des Samens dazu bei, die Anſichten über die
Bedeutung der beiderſeitigen Zeugungsprodukte zu klären.
Es harrte aber nicht bloß der Streit über das Weſen der Zeu-
gung und Befruchtung der endgültigen Entſcheidung, welche erſt mit
Spallanzani's Fundamentalverſuchen gegeben wurde, es waren auch
noch, trotz der weiter ausgedehnten Unterſuchungen über die Geſchlechts-
verhältniſſe der Thiere, manche Fälle von merkwürdigem Erſcheinen
einzelner Thierformen übrig, welche man nur als durch Urzeugung er-
klärbar anſehen zu können meinte 11). Die Annahme eines Entſtehens
von Thieren, ſelbſt ziemlich zuſammengeſetzt organiſirten, aus faulenden
Stoffen, Schleim u. ſ. w. war damals der Deckmantel für die Un-
kenntniß in Bezug auf Anatomie und Entwickelungsgeſchichte der be-
treffenden Formen. Ein Angriff gegen dieſe Lehre, ja ſelbſt nur we-
nige thatſächliche Belege für das Unhaltbare derſelben, waren daher
für die Fortſchritte der Naturgeſchichte der Thiere von großer Bedeu-
tung. Aber nicht bloß wegen der Beſeitigung eines entſchiedenen Irr-
thums, auch wegen des damit gegebenen Beweiſes von der Gefahr eines
ohne Gewähr übernommenen Autoritätsglaubens waren die Unterſu-
chungen Francesco Redi's aus Arezzo äußerſt bedeutungsvoll.
Beſonders waren es die „Verſuche betreffs der Erzeugung der
Inſec-
11) Die ſelbſtändige Erzeugung lebender Weſen ohne elterliche Formen erör-
terte noch in der erſten Hälfte des ſiebzehnten Jahrhunderts ausführlich Fortu-
nius Licetus, De spontaneo viventium ortu. Vicentiae, 1618.40
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/414>, abgerufen am 25.07.2024.
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