Naturwissenschaft im modernen Sinne zu suchen. Er konnte sich als Individuum dem Einflusse seiner Zeit nicht entziehen und wirkte nur wie alle großen Individualitäten aus dem nationalen Zeitgeiste heraus auf ihn zurück. Der Werth der Aristotelischen Arbeiten soll am Ende dieses Abschnittes bezeichnet werden. Es ist zunächst zu untersuchen, wie sich die einzelnen Seiten des zoologischen Wissens während des Al- terthums entwickelt und zu einander gestellt haben.
Fast ist es überflüssig darauf hinzuweisen, wie unvollkommen die Hülfsmittel der Beobachtung bei den Alten waren. Wenn auch in spä- teren römischen Zeiten Piscinen, Aviarien und andere derartige Samm- lungen lebender Thiere angelegt und unterhalten wurden, so werden doch nur selten Vorrichtungen zur Aufbewahrung und Beobachtung be- sonderer Thierarten, besonders kleinerer erwähnt. Nur die Bienen ha- ben hier wohl eine Ausnahme gemacht. Aristoteles erwähnt Mehreres über Beobachtungen an Bienen; so gedenkt er z. B. des Bauens in ihnen dargebotene leere Stöcke u. a.29). Doch haben die Bienen ihrer ökonomischen und technischen Bedeutung wegen eine eigne Stellung. Es wurde ja auch der Honig vielfach zur Aufbewahrung von Leichen, Früchten, Purpursaft, Arzneimitteln u. dergl. benutzt30), um sie vor Fäulniß zu schützen. Länger erhielt sich das schon früh hierzu benutzte Wachs in diesem Gebrauch, durch welches Mittel z. B. die im Grabe des Numa gefundenen Bücher nach fünfhundert Jahren noch frisch er- halten gefunden worden sein sollen31). Kannten aber auch ferner die Alten im Salz eine fäulnißwidrige Substanz, so fehlten ihnen doch alle bequemen Conservirungsmethoden. Die Beobachtungen an seltneren, nicht frisch getödteten größeren, oder kleineren weichen und zerfließlichen Thieren, welche in dem südlichen Klima schneller Zersetzung unterlagen, konnten daher nur sehr oberflächliche oder zufällige sein. Mit dieser
30)Plinius, Hist. nat. XXIX, 4. Auch erwähnt er VII, 3 die Aufbewah- rung eines Hippocentaurs in Honig. Salz erwähnt er XXXI, 9 u. 10.
31)Livius, XI, 29. Plinius, hist. nat. XIII, 13. Noch im vorigen Jahr- hundert wurden die Leichen der Könige von England in mit Wachs durchtränkte Zeuge eingewickelt.
Das claſſiſche Alterthum.
Naturwiſſenſchaft im modernen Sinne zu ſuchen. Er konnte ſich als Individuum dem Einfluſſe ſeiner Zeit nicht entziehen und wirkte nur wie alle großen Individualitäten aus dem nationalen Zeitgeiſte heraus auf ihn zurück. Der Werth der Ariſtoteliſchen Arbeiten ſoll am Ende dieſes Abſchnittes bezeichnet werden. Es iſt zunächſt zu unterſuchen, wie ſich die einzelnen Seiten des zoologiſchen Wiſſens während des Al- terthums entwickelt und zu einander geſtellt haben.
Faſt iſt es überflüſſig darauf hinzuweiſen, wie unvollkommen die Hülfsmittel der Beobachtung bei den Alten waren. Wenn auch in ſpä- teren römiſchen Zeiten Piscinen, Aviarien und andere derartige Samm- lungen lebender Thiere angelegt und unterhalten wurden, ſo werden doch nur ſelten Vorrichtungen zur Aufbewahrung und Beobachtung be- ſonderer Thierarten, beſonders kleinerer erwähnt. Nur die Bienen ha- ben hier wohl eine Ausnahme gemacht. Ariſtoteles erwähnt Mehreres über Beobachtungen an Bienen; ſo gedenkt er z. B. des Bauens in ihnen dargebotene leere Stöcke u. a.29). Doch haben die Bienen ihrer ökonomiſchen und techniſchen Bedeutung wegen eine eigne Stellung. Es wurde ja auch der Honig vielfach zur Aufbewahrung von Leichen, Früchten, Purpurſaft, Arzneimitteln u. dergl. benutzt30), um ſie vor Fäulniß zu ſchützen. Länger erhielt ſich das ſchon früh hierzu benutzte Wachs in dieſem Gebrauch, durch welches Mittel z. B. die im Grabe des Numa gefundenen Bücher nach fünfhundert Jahren noch friſch er- halten gefunden worden ſein ſollen31). Kannten aber auch ferner die Alten im Salz eine fäulnißwidrige Subſtanz, ſo fehlten ihnen doch alle bequemen Conſervirungsmethoden. Die Beobachtungen an ſeltneren, nicht friſch getödteten größeren, oder kleineren weichen und zerfließlichen Thieren, welche in dem ſüdlichen Klima ſchneller Zerſetzung unterlagen, konnten daher nur ſehr oberflächliche oder zufällige ſein. Mit dieſer
30)Plinius, Hist. nat. XXIX, 4. Auch erwähnt er VII, 3 die Aufbewah- rung eines Hippocentaurs in Honig. Salz erwähnt er XXXI, 9 u. 10.
31)Livius, XI, 29. Plinius, hist. nat. XIII, 13. Noch im vorigen Jahr- hundert wurden die Leichen der Könige von England in mit Wachs durchtränkte Zeuge eingewickelt.
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Das claſſiſche Alterthum.
Naturwiſſenſchaft im modernen Sinne zu ſuchen. Er konnte ſich als
Individuum dem Einfluſſe ſeiner Zeit nicht entziehen und wirkte nur
wie alle großen Individualitäten aus dem nationalen Zeitgeiſte heraus
auf ihn zurück. Der Werth der Ariſtoteliſchen Arbeiten ſoll am Ende
dieſes Abſchnittes bezeichnet werden. Es iſt zunächſt zu unterſuchen,
wie ſich die einzelnen Seiten des zoologiſchen Wiſſens während des Al-
terthums entwickelt und zu einander geſtellt haben.
Faſt iſt es überflüſſig darauf hinzuweiſen, wie unvollkommen die
Hülfsmittel der Beobachtung bei den Alten waren. Wenn auch in ſpä-
teren römiſchen Zeiten Piscinen, Aviarien und andere derartige Samm-
lungen lebender Thiere angelegt und unterhalten wurden, ſo werden
doch nur ſelten Vorrichtungen zur Aufbewahrung und Beobachtung be-
ſonderer Thierarten, beſonders kleinerer erwähnt. Nur die Bienen ha-
ben hier wohl eine Ausnahme gemacht. Ariſtoteles erwähnt Mehreres
über Beobachtungen an Bienen; ſo gedenkt er z. B. des Bauens in
ihnen dargebotene leere Stöcke u. a. 29). Doch haben die Bienen ihrer
ökonomiſchen und techniſchen Bedeutung wegen eine eigne Stellung. Es
wurde ja auch der Honig vielfach zur Aufbewahrung von Leichen,
Früchten, Purpurſaft, Arzneimitteln u. dergl. benutzt 30), um ſie vor
Fäulniß zu ſchützen. Länger erhielt ſich das ſchon früh hierzu benutzte
Wachs in dieſem Gebrauch, durch welches Mittel z. B. die im Grabe
des Numa gefundenen Bücher nach fünfhundert Jahren noch friſch er-
halten gefunden worden ſein ſollen 31). Kannten aber auch ferner die
Alten im Salz eine fäulnißwidrige Subſtanz, ſo fehlten ihnen doch alle
bequemen Conſervirungsmethoden. Die Beobachtungen an ſeltneren,
nicht friſch getödteten größeren, oder kleineren weichen und zerfließlichen
Thieren, welche in dem ſüdlichen Klima ſchneller Zerſetzung unterlagen,
konnten daher nur ſehr oberflächliche oder zufällige ſein. Mit dieſer
29) Histor. Anim. IX, 40. 166 (Aubert und Wimmer)
30) Plinius, Hist. nat. XXIX, 4. Auch erwähnt er VII, 3 die Aufbewah-
rung eines Hippocentaurs in Honig. Salz erwähnt er XXXI, 9 u. 10.
31) Livius, XI, 29. Plinius, hist. nat. XIII, 13. Noch im vorigen Jahr-
hundert wurden die Leichen der Könige von England in mit Wachs durchtränkte
Zeuge eingewickelt.
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/40>, abgerufen am 21.11.2024.
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