Das Thierreich nimmt in der den Menschen umgebenden Natur eine so hervorragende Stelle ein, daß die Geschichte der Kenntniß des- selben, die Entwickelung einer Wissenschaft von den Thieren ohne ein Eingehen auf die Stellung, welche der allgemeine Culturzustand dem Menschen den Thieren gegenüber anweist, nicht zu geben ist. Die Möglichkeit des Auftretens bestimmter wissenschaftlicher Fragen hängt hiervon und damit von dem Culturzustande selbst ab. Die Geschichte der Zoologie ist nur aus einer allgemeinen Geschichte der Cultur zu ver- stehn. Dies wird um so deutlicher, je weiter man sich rückwärts nach Zeiten hin bewegt, welchen mit den Untersuchungs- und Beobachtungs- mitteln auch die speciellen leitenden Gesichtspunkte fehlten. Es mußte daher in der vorliegenden Darstellung eingehende Rücksicht auf die Cul- turgeschichte genommen und zu zeigen versucht werden, wie dieselbe all- mählich jene specielleren Ideen entstehn ließ. Es war dies eine, zwar fruchtbare, aber durch kaum irgend eine nennenswerthe Vorarbeit er- leichterte Untersuchung.
Es könnte trotzdem vielleicht befremden, daß von dem für die Ge- schichte der Zoologie in neuerer Zeit bestimmten Raume ein reichliches Drittel dem Alterthum und Mittelalter gewidmet ist. Und doch bedarf dies wohl kaum der Rechtfertigung. Denn abgesehen davon, daß das Wiederaufleben der Wissenschaft nicht mit dem Eintritte der sogenannten
Vorwort.
Das Thierreich nimmt in der den Menſchen umgebenden Natur eine ſo hervorragende Stelle ein, daß die Geſchichte der Kenntniß des- ſelben, die Entwickelung einer Wiſſenſchaft von den Thieren ohne ein Eingehen auf die Stellung, welche der allgemeine Culturzuſtand dem Menſchen den Thieren gegenüber anweiſt, nicht zu geben iſt. Die Möglichkeit des Auftretens beſtimmter wiſſenſchaftlicher Fragen hängt hiervon und damit von dem Culturzuſtande ſelbſt ab. Die Geſchichte der Zoologie iſt nur aus einer allgemeinen Geſchichte der Cultur zu ver- ſtehn. Dies wird um ſo deutlicher, je weiter man ſich rückwärts nach Zeiten hin bewegt, welchen mit den Unterſuchungs- und Beobachtungs- mitteln auch die ſpeciellen leitenden Geſichtspunkte fehlten. Es mußte daher in der vorliegenden Darſtellung eingehende Rückſicht auf die Cul- turgeſchichte genommen und zu zeigen verſucht werden, wie dieſelbe all- mählich jene ſpecielleren Ideen entſtehn ließ. Es war dies eine, zwar fruchtbare, aber durch kaum irgend eine nennenswerthe Vorarbeit er- leichterte Unterſuchung.
Es könnte trotzdem vielleicht befremden, daß von dem für die Ge- ſchichte der Zoologie in neuerer Zeit beſtimmten Raume ein reichliches Drittel dem Alterthum und Mittelalter gewidmet iſt. Und doch bedarf dies wohl kaum der Rechtfertigung. Denn abgeſehen davon, daß das Wiederaufleben der Wiſſenſchaft nicht mit dem Eintritte der ſogenannten
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Vorwort.
Das Thierreich nimmt in der den Menſchen umgebenden Natur
eine ſo hervorragende Stelle ein, daß die Geſchichte der Kenntniß des-
ſelben, die Entwickelung einer Wiſſenſchaft von den Thieren ohne ein
Eingehen auf die Stellung, welche der allgemeine Culturzuſtand dem
Menſchen den Thieren gegenüber anweiſt, nicht zu geben iſt. Die
Möglichkeit des Auftretens beſtimmter wiſſenſchaftlicher Fragen hängt
hiervon und damit von dem Culturzuſtande ſelbſt ab. Die Geſchichte
der Zoologie iſt nur aus einer allgemeinen Geſchichte der Cultur zu ver-
ſtehn. Dies wird um ſo deutlicher, je weiter man ſich rückwärts nach
Zeiten hin bewegt, welchen mit den Unterſuchungs- und Beobachtungs-
mitteln auch die ſpeciellen leitenden Geſichtspunkte fehlten. Es mußte
daher in der vorliegenden Darſtellung eingehende Rückſicht auf die Cul-
turgeſchichte genommen und zu zeigen verſucht werden, wie dieſelbe all-
mählich jene ſpecielleren Ideen entſtehn ließ. Es war dies eine, zwar
fruchtbare, aber durch kaum irgend eine nennenswerthe Vorarbeit er-
leichterte Unterſuchung.
Es könnte trotzdem vielleicht befremden, daß von dem für die Ge-
ſchichte der Zoologie in neuerer Zeit beſtimmten Raume ein reichliches
Drittel dem Alterthum und Mittelalter gewidmet iſt. Und doch bedarf
dies wohl kaum der Rechtfertigung. Denn abgeſehen davon, daß das
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. [V]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/4>, abgerufen am 24.11.2024.
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