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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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merkwürdig ist aber der Inhalt. Denn wenn auch die Darstellung
nicht ganz von einer gewissen Breite frei ist, so ist sie doch im Vergleich
zu mittelalterlichen Schriften präcis zu nennen und namentlich fehlt
jene weitschweifige, auf spitzfindige Verbalunterscheidungen hinauslau-
fende Polemik, welche viele frühere Schriften für die Jetztzeit so unge-
nießbar macht. Freilich ist die Gesner'sche Geschichte der Thiere durch-
aus von dem verschieden, was man heutzutage von einer solchen erwar-
ten würde; doch fällt ein Vergleich durchaus nicht vollständig zum
Nachtheil Gesner's aus. Die Mängel seiner Schriften werden nachher
erwähnt werden. Hier muß darauf aufmerksam gemacht werden, daß
Gesner die seiner Zeit gewordene Aufgabe in einer wunderbaren Weise
gelöst hat. Es galt die Continuität der wissenschaftlichen Entwickelung
wieder herzustellen und zu diesem Zwecke Alles in einen Rahmen aufzu-
nehmen, was nur überhaupt von den Thieren bekannt war. Dem ent-
sprechend zeigt schon die Anordnung des reichen Stoffes eine durchdachte
Gliederung. Diese Disposition, welche er zur Orientirung in der Ein-
leitung zum ersten Theile auseinandersetzt, gibt am besten eine Einsicht in
die vielseitige Auffassung, welche das Thierreich bei Gesner fand. Er
bringt Alles, was er von den einzelnen Thieren mitzutheilen hat, unter
acht Abschnitte, welche er mit den ersten acht Buchstaben des Alphabets,
nicht mit Zahlen bezeichnet, weil beim Ausfallen eines Abschnittes bei
einem oder dem anderen Thiere die dann eintretende Bezeichnung verschied-
ner Kapitel mit der gleichen Ziffer oder eine Unterbrechung der Zahlen-
reihe ungeschickter erscheinen würde, als das Ausfallen eines Buchsta-
bens16). Diese Buchstaben vertreten also die Stelle bestimmter, stets
gleichmäßig wiederkehrender Kapitelüberschriften. Der erste Abschnitt
enthält die Aufzählung der Namen der geschilderten Thiere in den ver-
schiedensten Sprachen, sowohl alten als neueren, so weit sie überhaupt
Gesner zugänglich waren, die arabischen nur nach den lateinischen
Uebersetzungen. Hier haben ihm vorzüglich seine zahlreichen Corre-
spondenten helfen müssen. Das zweite Kapitel ist in streng zoologischer

16) "Absurdum enim videbatur, quartum caput nominare ubi tertium
deesset nec placebat quod in una historia tertium fuisset de corporis actio-
nibus, id in alia de ingenio et moribus etc."

merkwürdig iſt aber der Inhalt. Denn wenn auch die Darſtellung
nicht ganz von einer gewiſſen Breite frei iſt, ſo iſt ſie doch im Vergleich
zu mittelalterlichen Schriften präcis zu nennen und namentlich fehlt
jene weitſchweifige, auf ſpitzfindige Verbalunterſcheidungen hinauslau-
fende Polemik, welche viele frühere Schriften für die Jetztzeit ſo unge-
nießbar macht. Freilich iſt die Gesner'ſche Geſchichte der Thiere durch-
aus von dem verſchieden, was man heutzutage von einer ſolchen erwar-
ten würde; doch fällt ein Vergleich durchaus nicht vollſtändig zum
Nachtheil Gesner's aus. Die Mängel ſeiner Schriften werden nachher
erwähnt werden. Hier muß darauf aufmerkſam gemacht werden, daß
Gesner die ſeiner Zeit gewordene Aufgabe in einer wunderbaren Weiſe
gelöſt hat. Es galt die Continuität der wiſſenſchaftlichen Entwickelung
wieder herzuſtellen und zu dieſem Zwecke Alles in einen Rahmen aufzu-
nehmen, was nur überhaupt von den Thieren bekannt war. Dem ent-
ſprechend zeigt ſchon die Anordnung des reichen Stoffes eine durchdachte
Gliederung. Dieſe Dispoſition, welche er zur Orientirung in der Ein-
leitung zum erſten Theile auseinanderſetzt, gibt am beſten eine Einſicht in
die vielſeitige Auffaſſung, welche das Thierreich bei Gesner fand. Er
bringt Alles, was er von den einzelnen Thieren mitzutheilen hat, unter
acht Abſchnitte, welche er mit den erſten acht Buchſtaben des Alphabets,
nicht mit Zahlen bezeichnet, weil beim Ausfallen eines Abſchnittes bei
einem oder dem anderen Thiere die dann eintretende Bezeichnung verſchied-
ner Kapitel mit der gleichen Ziffer oder eine Unterbrechung der Zahlen-
reihe ungeſchickter erſcheinen würde, als das Ausfallen eines Buchſta-
bens16). Dieſe Buchſtaben vertreten alſo die Stelle beſtimmter, ſtets
gleichmäßig wiederkehrender Kapitelüberſchriften. Der erſte Abſchnitt
enthält die Aufzählung der Namen der geſchilderten Thiere in den ver-
ſchiedenſten Sprachen, ſowohl alten als neueren, ſo weit ſie überhaupt
Gesner zugänglich waren, die arabiſchen nur nach den lateiniſchen
Ueberſetzungen. Hier haben ihm vorzüglich ſeine zahlreichen Corre-
ſpondenten helfen müſſen. Das zweite Kapitel iſt in ſtreng zoologiſcher

16) „Absurdum enim videbatur, quartum caput nominare ubi tertium
deesset nec placebat quod in una historia tertium fuisset de corporis actio-
nibus, id in alia de ingenio et moribus etc.“
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[279/0290] Conrad Gesner. merkwürdig iſt aber der Inhalt. Denn wenn auch die Darſtellung nicht ganz von einer gewiſſen Breite frei iſt, ſo iſt ſie doch im Vergleich zu mittelalterlichen Schriften präcis zu nennen und namentlich fehlt jene weitſchweifige, auf ſpitzfindige Verbalunterſcheidungen hinauslau- fende Polemik, welche viele frühere Schriften für die Jetztzeit ſo unge- nießbar macht. Freilich iſt die Gesner'ſche Geſchichte der Thiere durch- aus von dem verſchieden, was man heutzutage von einer ſolchen erwar- ten würde; doch fällt ein Vergleich durchaus nicht vollſtändig zum Nachtheil Gesner's aus. Die Mängel ſeiner Schriften werden nachher erwähnt werden. Hier muß darauf aufmerkſam gemacht werden, daß Gesner die ſeiner Zeit gewordene Aufgabe in einer wunderbaren Weiſe gelöſt hat. Es galt die Continuität der wiſſenſchaftlichen Entwickelung wieder herzuſtellen und zu dieſem Zwecke Alles in einen Rahmen aufzu- nehmen, was nur überhaupt von den Thieren bekannt war. Dem ent- ſprechend zeigt ſchon die Anordnung des reichen Stoffes eine durchdachte Gliederung. Dieſe Dispoſition, welche er zur Orientirung in der Ein- leitung zum erſten Theile auseinanderſetzt, gibt am beſten eine Einſicht in die vielſeitige Auffaſſung, welche das Thierreich bei Gesner fand. Er bringt Alles, was er von den einzelnen Thieren mitzutheilen hat, unter acht Abſchnitte, welche er mit den erſten acht Buchſtaben des Alphabets, nicht mit Zahlen bezeichnet, weil beim Ausfallen eines Abſchnittes bei einem oder dem anderen Thiere die dann eintretende Bezeichnung verſchied- ner Kapitel mit der gleichen Ziffer oder eine Unterbrechung der Zahlen- reihe ungeſchickter erſcheinen würde, als das Ausfallen eines Buchſta- bens 16). Dieſe Buchſtaben vertreten alſo die Stelle beſtimmter, ſtets gleichmäßig wiederkehrender Kapitelüberſchriften. Der erſte Abſchnitt enthält die Aufzählung der Namen der geſchilderten Thiere in den ver- ſchiedenſten Sprachen, ſowohl alten als neueren, ſo weit ſie überhaupt Gesner zugänglich waren, die arabiſchen nur nach den lateiniſchen Ueberſetzungen. Hier haben ihm vorzüglich ſeine zahlreichen Corre- ſpondenten helfen müſſen. Das zweite Kapitel iſt in ſtreng zoologiſcher 16) „Absurdum enim videbatur, quartum caput nominare ubi tertium deesset nec placebat quod in una historia tertium fuisset de corporis actio- nibus, id in alia de ingenio et moribus etc.“

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/290>, abgerufen am 22.11.2024.