Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Periode der encyklopädischen Darstellungen. bekannten Gestalten aus früherer Zeit. Und wie sehr der Elucida-rius dem Geiste des Volkes als Nahrungsmittel zu dienen bestimmt war, beweist seine große Verbreitung durch den Druck. Er erschien zu- erst 1479, dann noch mehreremale vor 1500 und später oft, anfangs noch mit der Jahreszahl, dann mit dem Vermerk "Gedruckt in diesem Jahr". Selbst jetzt soll er noch in wenig veränderter Gestalt "dem ge- meinen Mann auf Jahrmärkten an Ecken und Brücken" feil sein7). Dies bezieht sich nur auf den aus dem älteren lateinischen Original übersetzten deutschen Elucidarius. Er wurde aber außerdem, wie einst der nun überwundene Physiologus, in fast alle andern europäischen Sprachen übersetzt: so ins Italienische, Französische, Englische, Böh- mische, Plattdeutsche, Holländische, Isländische, Schwedische und Dä- nische8). Waren dies Hindernisse, welche die aufkeimende wissenschaftliche 7) s. W. Wackernagel, die altdeutschen Handschriften der Basler Universi- tätsbibliothek. Basel, 1836. S. 19. vergl. ferner Hoffmann, Fundgruben. 2. Thl. S. 103. Anm. 6. 8) Der gewöhnlich dem Anselm von Canterbury zugeschriebene Lucidarius soll
nach C. J. Brandt den Honorius Augustodunensis zum Verfasser haben. s. Lu- cidarius, en Folkebog fra Middelalderen udgivet af det nordiske Literatur-Sam- fund ved C. J. Brandt. Kjodenhaven, 1849. S. V. Honorius lebte aber im 12. Jahrhundert. Die Annahme ist daher nicht haltbar, sobald er mehr als bloßer Ord- ner sein soll. Denn Mone (Anzeiger, III. 1834. Sp. 311) hat auf ein ganz ähnliches Gespräch aus dem 10. Jahrhundert aufmerksam gemacht. Bei Brandt findet sich auch die Angabe der Uebersetzungslitteratur. Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen. bekannten Geſtalten aus früherer Zeit. Und wie ſehr der Elucida-rius dem Geiſte des Volkes als Nahrungsmittel zu dienen beſtimmt war, beweiſt ſeine große Verbreitung durch den Druck. Er erſchien zu- erſt 1479, dann noch mehreremale vor 1500 und ſpäter oft, anfangs noch mit der Jahreszahl, dann mit dem Vermerk „Gedruckt in dieſem Jahr“. Selbſt jetzt ſoll er noch in wenig veränderter Geſtalt „dem ge- meinen Mann auf Jahrmärkten an Ecken und Brücken“ feil ſein7). Dies bezieht ſich nur auf den aus dem älteren lateiniſchen Original überſetzten deutſchen Elucidarius. Er wurde aber außerdem, wie einſt der nun überwundene Phyſiologus, in faſt alle andern europäiſchen Sprachen überſetzt: ſo ins Italieniſche, Franzöſiſche, Engliſche, Böh- miſche, Plattdeutſche, Holländiſche, Isländiſche, Schwediſche und Dä- niſche8). Waren dies Hinderniſſe, welche die aufkeimende wiſſenſchaftliche 7) ſ. W. Wackernagel, die altdeutſchen Handſchriften der Baſler Univerſi- tätsbibliothek. Baſel, 1836. S. 19. vergl. ferner Hoffmann, Fundgruben. 2. Thl. S. 103. Anm. 6. 8) Der gewöhnlich dem Anſelm von Canterbury zugeſchriebene Lucidarius ſoll
nach C. J. Brandt den Honorius Auguſtodunenſis zum Verfaſſer haben. ſ. Lu- cidarius, en Folkebog fra Middelalderen udgivet af det nordiske Literatur-Sam- fund ved C. J. Brandt. Kjodenhaven, 1849. S. V. Honorius lebte aber im 12. Jahrhundert. Die Annahme iſt daher nicht haltbar, ſobald er mehr als bloßer Ord- ner ſein ſoll. Denn Mone (Anzeiger, III. 1834. Sp. 311) hat auf ein ganz ähnliches Geſpräch aus dem 10. Jahrhundert aufmerkſam gemacht. Bei Brandt findet ſich auch die Angabe der Ueberſetzungslitteratur. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0281" n="270"/><fw place="top" type="header">Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen.</fw><lb/> bekannten Geſtalten aus früherer Zeit. Und wie ſehr der Elucida-<lb/> rius dem Geiſte des Volkes als Nahrungsmittel zu dienen beſtimmt<lb/> war, beweiſt ſeine große Verbreitung durch den Druck. Er erſchien zu-<lb/> erſt 1479, dann noch mehreremale vor 1500 und ſpäter oft, anfangs<lb/> noch mit der Jahreszahl, dann mit dem Vermerk „Gedruckt in dieſem<lb/> Jahr“. Selbſt jetzt ſoll er noch in wenig veränderter Geſtalt „dem ge-<lb/> meinen Mann auf Jahrmärkten an Ecken und Brücken“ feil ſein<note place="foot" n="7)">ſ. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118805851">W. <hi rendition="#g">Wackernagel</hi></persName>, die altdeutſchen Handſchriften der Baſler Univerſi-<lb/> tätsbibliothek. Baſel, 1836. S. 19. vergl. ferner <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118552589">Hoffmann</persName></hi>, Fundgruben.<lb/> 2. Thl. S. 103. Anm. 6.</note>.<lb/> Dies bezieht ſich nur auf den aus dem älteren lateiniſchen Original<lb/> überſetzten deutſchen Elucidarius. Er wurde aber außerdem, wie einſt<lb/> der nun überwundene Phyſiologus, in faſt alle andern europäiſchen<lb/> Sprachen überſetzt: ſo ins Italieniſche, Franzöſiſche, Engliſche, Böh-<lb/> miſche, Plattdeutſche, Holländiſche, Isländiſche, Schwediſche und Dä-<lb/> niſche<note place="foot" n="8)">Der gewöhnlich dem <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118503278">Anſelm</persName> von Canterbury zugeſchriebene Lucidarius ſoll<lb/> nach <persName ref="http://d-nb.info/gnd/101443706">C. J. <hi rendition="#g">Brandt</hi></persName> den <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119066548">Honorius</persName> Auguſtodunenſis zum Verfaſſer haben. ſ. <hi rendition="#g">Lu-<lb/> cidarius</hi>, en Folkebog fra Middelalderen udgivet af det nordiske Literatur-Sam-<lb/> fund ved <persName ref="http://d-nb.info/gnd/101443706">C. J. <hi rendition="#g">Brandt</hi></persName>. Kjodenhaven, 1849. S. <hi rendition="#aq">V.</hi> <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119066548">Honorius</persName> lebte aber im 12.<lb/> Jahrhundert. Die Annahme iſt daher nicht haltbar, ſobald er mehr als bloßer Ord-<lb/> ner ſein ſoll. Denn <hi rendition="#g">Mone</hi> (Anzeiger, <hi rendition="#aq">III.</hi> 1834. Sp. 311) hat auf ein ganz<lb/> ähnliches Geſpräch aus dem 10. Jahrhundert aufmerkſam gemacht. Bei <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/101443706">Brandt</persName></hi><lb/> findet ſich auch die Angabe der Ueberſetzungslitteratur.</note>.</p><lb/> <p>Waren dies Hinderniſſe, welche die aufkeimende wiſſenſchaftliche<lb/> Betrachtung der Natur zu überwinden hatte, ſo liegt es auf der andern<lb/> Seite nahe, in gewiſſen Erſcheinungen jener Zeit fördernde Umſtände<lb/> für den Aufſchwung der Zoologie zu erblicken. Außer den oben erwähn-<lb/> ten, in der That günſtigen Verhältniſſen treten noch zwei andere von<lb/> zweifelhafterem Werthe entgegen. Zunächſt ſollen hier zwei Worte<lb/> über die Thiergärten und Menagerien geſagt werden, wie ſolche wohl<lb/> einzeln auch in Mitteleuropa vorkamen, aber doch ſeit dem Ausgang<lb/> des fünfzehnten Jahrhunderts beſonders „zum ſtandesgemäßen Luxus“<lb/> der italieniſchen kleinen Fürſtenhöfe gehörten. Es erſcheinen hier unter<lb/> den fremden Thieren wieder Giraffe, Rhinoceros, Elefant, Zebra,<lb/> dann Löwen, welche häufig außer von den Fürſten auch von Städten<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [270/0281]
Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen.
bekannten Geſtalten aus früherer Zeit. Und wie ſehr der Elucida-
rius dem Geiſte des Volkes als Nahrungsmittel zu dienen beſtimmt
war, beweiſt ſeine große Verbreitung durch den Druck. Er erſchien zu-
erſt 1479, dann noch mehreremale vor 1500 und ſpäter oft, anfangs
noch mit der Jahreszahl, dann mit dem Vermerk „Gedruckt in dieſem
Jahr“. Selbſt jetzt ſoll er noch in wenig veränderter Geſtalt „dem ge-
meinen Mann auf Jahrmärkten an Ecken und Brücken“ feil ſein 7).
Dies bezieht ſich nur auf den aus dem älteren lateiniſchen Original
überſetzten deutſchen Elucidarius. Er wurde aber außerdem, wie einſt
der nun überwundene Phyſiologus, in faſt alle andern europäiſchen
Sprachen überſetzt: ſo ins Italieniſche, Franzöſiſche, Engliſche, Böh-
miſche, Plattdeutſche, Holländiſche, Isländiſche, Schwediſche und Dä-
niſche 8).
Waren dies Hinderniſſe, welche die aufkeimende wiſſenſchaftliche
Betrachtung der Natur zu überwinden hatte, ſo liegt es auf der andern
Seite nahe, in gewiſſen Erſcheinungen jener Zeit fördernde Umſtände
für den Aufſchwung der Zoologie zu erblicken. Außer den oben erwähn-
ten, in der That günſtigen Verhältniſſen treten noch zwei andere von
zweifelhafterem Werthe entgegen. Zunächſt ſollen hier zwei Worte
über die Thiergärten und Menagerien geſagt werden, wie ſolche wohl
einzeln auch in Mitteleuropa vorkamen, aber doch ſeit dem Ausgang
des fünfzehnten Jahrhunderts beſonders „zum ſtandesgemäßen Luxus“
der italieniſchen kleinen Fürſtenhöfe gehörten. Es erſcheinen hier unter
den fremden Thieren wieder Giraffe, Rhinoceros, Elefant, Zebra,
dann Löwen, welche häufig außer von den Fürſten auch von Städten
7) ſ. W. Wackernagel, die altdeutſchen Handſchriften der Baſler Univerſi-
tätsbibliothek. Baſel, 1836. S. 19. vergl. ferner Hoffmann, Fundgruben.
2. Thl. S. 103. Anm. 6.
8) Der gewöhnlich dem Anſelm von Canterbury zugeſchriebene Lucidarius ſoll
nach C. J. Brandt den Honorius Auguſtodunenſis zum Verfaſſer haben. ſ. Lu-
cidarius, en Folkebog fra Middelalderen udgivet af det nordiske Literatur-Sam-
fund ved C. J. Brandt. Kjodenhaven, 1849. S. V. Honorius lebte aber im 12.
Jahrhundert. Die Annahme iſt daher nicht haltbar, ſobald er mehr als bloßer Ord-
ner ſein ſoll. Denn Mone (Anzeiger, III. 1834. Sp. 311) hat auf ein ganz
ähnliches Geſpräch aus dem 10. Jahrhundert aufmerkſam gemacht. Bei Brandt
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