Zeitgenossen nicht unterließen, ihre Leser mit jenen bekannt zu machen, zuweilen selbst nach sehr dürftigen Nachrichten. Dagegen ist ihm noch als Verdienst anzurechnen, daß er in Bezug auf die fabelhaften Thiere mehr Kritik zeigt als Frühere und zum Theil selbst manche Spätere. Denn wenn er auch die Mantichora, die Greifen, den Phoenix erwähnt, so unterläßt er doch nicht, durch Zusätze, wie "wenn dem Aelian zu glauben ist","man erzählt" u. dergl. darauf hinzuweisen, daß der Sache doch wohl nicht recht zu trauen ist.
Stellt sich das Werk Wotton's eine streng esoterische Arbeit im Anschluß an Aristoteles und mit Berücksichtigung der zu keiner Zeit erwachten objectiveren Richtung dar und war es hierdurch entweder auf die engeren Kreise der gelehrten Welt beschränkt oder wenigstens der allgemeineren Theilnahme mehr oder weniger entrückt, so erwuchsen die andern Gesammtdarstellung recht eigentlich dem naturgeschichtlichen Zeitbewußtsein, wie es sich in den unabhängigen und aufgeklärten Kö- pfen des sechzehnten Jahrhunderts zu entwickeln begann. Das hier kein leichter Kampf mit alten Vorurtheilen und verbreitetem und vielfach geglaubtem Unsinn zu bestehen war, ergibt ein Blick auf die mehr po- puläre litteratur und die Art, wie man in derselben das Thierreich be- handelte. Es war nämlich nicht bloß durch den sich mit außerordent- lichem Eifer verbreitenden Humanismus die Aufmerksamkeit zunächst von der Natur ab und auf die bewunderten und wieder zu Vorbildern genommenen Alten gelenkt worden, es machte sich auch , trotz der refor- matorischen Bestrebungen auf allen Gebieten, überall ein dogmatisiren- der, nur zu sehr an den kaum bekämpften Scholasticismus anknüpfender Geist geltend. Dem allgemeinen Geschmack huldigend bemächtigte sich die Druckerei der Werke des dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderts und trug hierdurch zur Verbreitung von Ideen bei, welche die auflebende Wissenschaft eben zu bekämpfen anfieng. Das Buch der Natur von Conrad von Megenberg wurde, wie erwähnt, vor 1500 allein sechsmal und noch ein paarmal im 16. Jahrhundert gedruckt (1536 und 1540). Bartholomäus Anglicus, dessen Compilatin jedenfalls die werthloseste der im dreizehnten Jahrhundert enstandenen ist, erschien vor 1500 allein vierzehn oder fünfzehnmal, im sechzehnten Jahrhundert noch
Periode der eneyklopädiſchen Darſtellungen.
Zeitgenoſſen nicht unterließen, ihre Leſer mit jenen bekannt zu machen, zuweilen ſelbſt nach ſehr dürftigen Nachrichten. Dagegen iſt ihm noch als Verdienſt anzurechnen, daß er in Bezug auf die fabelhaften Thiere mehr Kritik zeigt als Frühere und zum Theil ſelbſt manche Spätere. Denn wenn er auch die Mantichora, die Greifen, den Phoenix erwähnt, ſo unterläßt er doch nicht, durch Zuſätze, wie „wenn dem Aelian zu glauben iſt“,„man erzählt“ u. dergl. darauf hinzuweiſen, daß der Sache doch wohl nicht recht zu trauen iſt.
Stellt ſich das Werk Wotton's eine ſtreng eſoteriſche Arbeit im Anſchluß an Ariſtoteles und mit Berückſichtigung der zu keiner Zeit erwachten objectiveren Richtung dar und war es hierdurch entweder auf die engeren Kreiſe der gelehrten Welt beſchränkt oder wenigſtens der allgemeineren Theilnahme mehr oder weniger entrückt, ſo erwuchſen die andern Geſammtdarſtellung recht eigentlich dem naturgeſchichtlichen Zeitbewußtſein, wie es ſich in den unabhängigen und aufgeklärten Kö- pfen des ſechzehnten Jahrhunderts zu entwickeln begann. Das hier kein leichter Kampf mit alten Vorurtheilen und verbreitetem und vielfach geglaubtem Unſinn zu beſtehen war, ergibt ein Blick auf die mehr po- puläre litteratur und die Art, wie man in derſelben das Thierreich be- handelte. Es war nämlich nicht bloß durch den ſich mit außerordent- lichem Eifer verbreitenden Humanismus die Aufmerkſamkeit zunächſt von der Natur ab und auf die bewunderten und wieder zu Vorbildern genommenen Alten gelenkt worden, es machte ſich auch , trotz der refor- matoriſchen Beſtrebungen auf allen Gebieten, überall ein dogmatiſiren- der, nur zu ſehr an den kaum bekämpften Scholaſticismus anknüpfender Geiſt geltend. Dem allgemeinen Geſchmack huldigend bemächtigte ſich die Druckerei der Werke des dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderts und trug hierdurch zur Verbreitung von Ideen bei, welche die auflebende Wiſſenſchaft eben zu bekämpfen anfieng. Das Buch der Natur von Conrad von Megenberg wurde, wie erwähnt, vor 1500 allein ſechsmal und noch ein paarmal im 16. Jahrhundert gedruckt (1536 und 1540). Bartholomäus Anglicus, deſſen Compilatin jedenfalls die werthloſeſte der im dreizehnten Jahrhundert enſtandenen iſt, erſchien vor 1500 allein vierzehn oder fünfzehnmal, im ſechzehnten Jahrhundert noch
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0279"n="268"/><fwplace="top"type="header">Periode der eneyklopädiſchen Darſtellungen.</fw><lb/>
Zeitgenoſſen nicht unterließen, ihre Leſer mit jenen bekannt zu machen,<lb/>
zuweilen ſelbſt nach ſehr dürftigen Nachrichten. Dagegen iſt ihm noch<lb/>
als Verdienſt anzurechnen, daß er in Bezug auf die fabelhaften Thiere<lb/>
mehr Kritik zeigt als Frühere und zum Theil ſelbſt manche Spätere.<lb/>
Denn wenn er auch die Mantichora, die Greifen, den Phoenix erwähnt,<lb/>ſo unterläßt er doch nicht, durch Zuſätze, wie „wenn dem <persNameref="http://d-nb.info/gnd/119160285">Aelian</persName> zu glauben<lb/>
iſt“,„man erzählt“ u. dergl. darauf hinzuweiſen, daß der<lb/>
Sache<lb/>
doch wohl nicht recht zu trauen iſt.</p><lb/><p>Stellt ſich das Werk <persNameref="http://d-nb.info/gnd/141000627">Wotton</persName>'s eine ſtreng eſoteriſche Arbeit<lb/>
im Anſchluß an <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ariſtoteles</persName> und mit Berückſichtigung der zu keiner Zeit<lb/>
erwachten objectiveren Richtung dar und war es hierdurch entweder auf<lb/>
die engeren Kreiſe der gelehrten Welt beſchränkt oder wenigſtens der<lb/>
allgemeineren Theilnahme mehr oder weniger entrückt, ſo erwuchſen die<lb/>
andern Geſammtdarſtellung recht eigentlich dem naturgeſchichtlichen<lb/>
Zeitbewußtſein, wie es ſich in den unabhängigen und aufgeklärten Kö-<lb/>
pfen des ſechzehnten Jahrhunderts zu entwickeln begann. Das hier kein<lb/>
leichter Kampf mit alten Vorurtheilen und verbreitetem und vielfach<lb/>
geglaubtem Unſinn zu beſtehen war, ergibt ein Blick auf die mehr po-<lb/>
puläre litteratur und die Art, wie man in derſelben das Thierreich be-<lb/>
handelte. Es war nämlich nicht bloß durch den ſich mit außerordent-<lb/>
lichem Eifer verbreitenden Humanismus die Aufmerkſamkeit zunächſt<lb/>
von der Natur ab und auf die bewunderten und wieder zu Vorbildern<lb/>
genommenen Alten gelenkt worden, es machte ſich auch , trotz der refor-<lb/>
matoriſchen Beſtrebungen auf allen Gebieten, überall ein dogmatiſiren-<lb/>
der, nur zu ſehr an den kaum bekämpften Scholaſticismus anknüpfender<lb/>
Geiſt geltend. Dem allgemeinen Geſchmack huldigend bemächtigte ſich<lb/>
die Druckerei der Werke des dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderts<lb/>
und trug hierdurch zur Verbreitung von Ideen bei, welche die auflebende<lb/>
Wiſſenſchaft eben zu bekämpfen anfieng. Das Buch der Natur von<lb/><persNameref="http://d-nb.info/gnd/118565117">Conrad</persName> von Megenberg wurde, wie erwähnt, vor 1500 allein ſechsmal<lb/>
und noch ein paarmal im 16. Jahrhundert gedruckt (1536 und 1540).<lb/><persNameref="http://d-nb.info/gnd/119098709">Bartholomäus Anglicus</persName>, deſſen Compilatin jedenfalls die werthloſeſte<lb/>
der im dreizehnten Jahrhundert enſtandenen iſt, erſchien vor 1500<lb/>
allein vierzehn oder fünfzehnmal, im ſechzehnten Jahrhundert noch<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[268/0279]
Periode der eneyklopädiſchen Darſtellungen.
Zeitgenoſſen nicht unterließen, ihre Leſer mit jenen bekannt zu machen,
zuweilen ſelbſt nach ſehr dürftigen Nachrichten. Dagegen iſt ihm noch
als Verdienſt anzurechnen, daß er in Bezug auf die fabelhaften Thiere
mehr Kritik zeigt als Frühere und zum Theil ſelbſt manche Spätere.
Denn wenn er auch die Mantichora, die Greifen, den Phoenix erwähnt,
ſo unterläßt er doch nicht, durch Zuſätze, wie „wenn dem Aelian zu glauben
iſt“,„man erzählt“ u. dergl. darauf hinzuweiſen, daß der
Sache
doch wohl nicht recht zu trauen iſt.
Stellt ſich das Werk Wotton's eine ſtreng eſoteriſche Arbeit
im Anſchluß an Ariſtoteles und mit Berückſichtigung der zu keiner Zeit
erwachten objectiveren Richtung dar und war es hierdurch entweder auf
die engeren Kreiſe der gelehrten Welt beſchränkt oder wenigſtens der
allgemeineren Theilnahme mehr oder weniger entrückt, ſo erwuchſen die
andern Geſammtdarſtellung recht eigentlich dem naturgeſchichtlichen
Zeitbewußtſein, wie es ſich in den unabhängigen und aufgeklärten Kö-
pfen des ſechzehnten Jahrhunderts zu entwickeln begann. Das hier kein
leichter Kampf mit alten Vorurtheilen und verbreitetem und vielfach
geglaubtem Unſinn zu beſtehen war, ergibt ein Blick auf die mehr po-
puläre litteratur und die Art, wie man in derſelben das Thierreich be-
handelte. Es war nämlich nicht bloß durch den ſich mit außerordent-
lichem Eifer verbreitenden Humanismus die Aufmerkſamkeit zunächſt
von der Natur ab und auf die bewunderten und wieder zu Vorbildern
genommenen Alten gelenkt worden, es machte ſich auch , trotz der refor-
matoriſchen Beſtrebungen auf allen Gebieten, überall ein dogmatiſiren-
der, nur zu ſehr an den kaum bekämpften Scholaſticismus anknüpfender
Geiſt geltend. Dem allgemeinen Geſchmack huldigend bemächtigte ſich
die Druckerei der Werke des dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderts
und trug hierdurch zur Verbreitung von Ideen bei, welche die auflebende
Wiſſenſchaft eben zu bekämpfen anfieng. Das Buch der Natur von
Conrad von Megenberg wurde, wie erwähnt, vor 1500 allein ſechsmal
und noch ein paarmal im 16. Jahrhundert gedruckt (1536 und 1540).
Bartholomäus Anglicus, deſſen Compilatin jedenfalls die werthloſeſte
der im dreizehnten Jahrhundert enſtandenen iſt, erſchien vor 1500
allein vierzehn oder fünfzehnmal, im ſechzehnten Jahrhundert noch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/279>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.