Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

Bild:
<< vorherige Seite

Ausgang des Mittelalters.
beruft. Merkwürdig und für die Geschichte der betreffenden Schrift
von Wichtigkeit ist es, daß Conrad bei der Amphisbaena den Meister
Jorach citirt, während sich wie erwähnt bei Thomas überhaupt kein
Citat dieses unbekannten Verfassers findet.

In Bezug auf Einzelheiten viel freier, sich aber enger an die von
Thomas gegebenen Thierformen anschließend ist die Uebersetzung Ja-
kob
van Maerlandt
's. Derselbe ist älter als Conrad von Megen-
berg. Er wurde um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts in Damme
(unweit Brügge in der heutigen Provinz West-Flandern) geboren und
starb 1300 als Secretair dieser Stadt. Auf diese wenigen dürftigen
Nachrichten beschränkt sich Alles, was man von dem Leben dieses Man-
nes weiß.

Auf seine Bedeutung für die Entwickelung der altniederländischen
(richtiger vlämischen) Litteratur kann hier nur hingewiesen werden.
Seine Bearbeitung des Thomas von Cantimpre ist metrisch und ge-
reimt. Leider ist bis jetzt nur die erste Hälfte von "Der Naturen Bloeme"
veröffentlicht worden242), welche nur die ersten der von den Thieren
handelnden Bücher umfaßt. Auch Jakob von Maerlandt hat das zweite
Buch des Thomas, welches von der Seele handelt, weggelassen und
das erste, wesentlich gekürzt und vorzüglich die Lebensalter des Men-
schen schildernd, mit dem dritten des Originals vereinigt. Sein zweites
Buch von den vierfüßigen Thieren entspricht daher dem vierten des
Originals, das dritte dem fünften, das vierte dem sechsten. Mehr ist
bis jetzt nicht erschienen. Eine Vergleichung der geschilderten Thierarten
ergibt, daß unter den vierfüßigen Thieren bei Jakob nur der Uranosco-
pus fehlt, welcher sich nicht einmal in allen Handschriften des Thomas
findet (so fehlt er in dem Gothaer Codex). Er steht, wo er vorkommt
(z. B. Rhebiger'sche Hdschr.), zwischen Uria und Fuchs. Von Vögeln

242) Der Naturen Bloeme von Jakob van Maerlandt. Mit Inleiding,
Varianten van Hss., Aentcekeningen en Glossarium uitgegeben door J. H. Bor-
mans
. 1. Deel. Brüssel, 1857 (Akad d. Wissensch.). Außer den im zweiten Bande
zu erwartenden Glossar fehlt auch noch die Einleitung. Ueber das Verhältniß des
Jakob van Maerlandt zu Thomas von Cantimpre s. den schon früher citirten Auf-
http://d-nb.info/gnd/117523216 satz von Bormans im: Bullet. Acad. Bruxell. T. XIX. P. I. 1852. p. 132.

Ausgang des Mittelalters.
beruft. Merkwürdig und für die Geſchichte der betreffenden Schrift
von Wichtigkeit iſt es, daß Conrad bei der Amphisbaena den Meiſter
Jorach citirt, während ſich wie erwähnt bei Thomas überhaupt kein
Citat dieſes unbekannten Verfaſſers findet.

In Bezug auf Einzelheiten viel freier, ſich aber enger an die von
Thomas gegebenen Thierformen anſchließend iſt die Ueberſetzung Ja-
kob
van Maerlandt
's. Derſelbe iſt älter als Conrad von Megen-
berg. Er wurde um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts in Damme
(unweit Brügge in der heutigen Provinz Weſt-Flandern) geboren und
ſtarb 1300 als Secretair dieſer Stadt. Auf dieſe wenigen dürftigen
Nachrichten beſchränkt ſich Alles, was man von dem Leben dieſes Man-
nes weiß.

Auf ſeine Bedeutung für die Entwickelung der altniederländiſchen
(richtiger vlämiſchen) Litteratur kann hier nur hingewieſen werden.
Seine Bearbeitung des Thomas von Cantimpré iſt metriſch und ge-
reimt. Leider iſt bis jetzt nur die erſte Hälfte von „Der Naturen Bloeme“
veröffentlicht worden242), welche nur die erſten der von den Thieren
handelnden Bücher umfaßt. Auch Jakob von Maerlandt hat das zweite
Buch des Thomas, welches von der Seele handelt, weggelaſſen und
das erſte, weſentlich gekürzt und vorzüglich die Lebensalter des Men-
ſchen ſchildernd, mit dem dritten des Originals vereinigt. Sein zweites
Buch von den vierfüßigen Thieren entſpricht daher dem vierten des
Originals, das dritte dem fünften, das vierte dem ſechſten. Mehr iſt
bis jetzt nicht erſchienen. Eine Vergleichung der geſchilderten Thierarten
ergibt, daß unter den vierfüßigen Thieren bei Jakob nur der Uranoſco-
pus fehlt, welcher ſich nicht einmal in allen Handſchriften des Thomas
findet (ſo fehlt er in dem Gothaer Codex). Er ſteht, wo er vorkommt
(z. B. Rhebiger'ſche Hdſchr.), zwiſchen Uria und Fuchs. Von Vögeln

242) Der Naturen Bloeme von Jakob van Maerlandt. Mit Inleiding,
Varianten van Hſſ., Aentcekeningen en Gloſſarium uitgegeben door J. H. Bor-
mans
. 1. Deel. Brüſſel, 1857 (Akad d. Wiſſenſch.). Außer den im zweiten Bande
zu erwartenden Gloſſar fehlt auch noch die Einleitung. Ueber das Verhältniß des
Jakob van Maerlandt zu Thomas von Cantimpré ſ. den ſchon früher citirten Auf-
http://d-nb.info/gnd/117523216 ſatz von Bormans im: Bullet. Acad. Bruxell. T. XIX. P. I. 1852. p. 132.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0262" n="251"/><fw place="top" type="header">Ausgang des Mittelalters.</fw><lb/>
beruft. Merkwürdig und für die Ge&#x017F;chichte der betreffenden Schrift<lb/>
von Wichtigkeit i&#x017F;t es, daß <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118565117">Conrad</persName> bei der Amphisbaena den Mei&#x017F;ter<lb/><persName ref="nognd">Jorach</persName> citirt, während &#x017F;ich wie erwähnt bei <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118802003">Thomas</persName> überhaupt kein<lb/>
Citat die&#x017F;es unbekannten Verfa&#x017F;&#x017F;ers findet.</p><lb/>
          <p>In Bezug auf Einzelheiten viel freier, &#x017F;ich aber enger an die von<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118802003">Thomas</persName> gegebenen Thierformen an&#x017F;chließend i&#x017F;t die Ueber&#x017F;etzung <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118556274">Ja-<lb/>
kob</persName> van Maerlandt</hi>'s. Der&#x017F;elbe i&#x017F;t älter als <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118565117">Conrad</persName> von Megen-<lb/>
berg. Er wurde um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts in Damme<lb/>
(unweit Brügge in der heutigen Provinz We&#x017F;t-Flandern) geboren und<lb/>
&#x017F;tarb 1300 als Secretair die&#x017F;er Stadt. Auf die&#x017F;e wenigen dürftigen<lb/>
Nachrichten be&#x017F;chränkt &#x017F;ich Alles, was man von dem Leben die&#x017F;es Man-<lb/>
nes weiß.</p><lb/>
          <p>Auf &#x017F;eine Bedeutung für die Entwickelung der altniederländi&#x017F;chen<lb/>
(richtiger vlämi&#x017F;chen) Litteratur kann hier nur hingewie&#x017F;en werden.<lb/>
Seine Bearbeitung des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118802003">Thomas</persName> von Cantimpré i&#x017F;t metri&#x017F;ch und ge-<lb/>
reimt. Leider i&#x017F;t bis jetzt nur die er&#x017F;te Hälfte von &#x201E;Der Naturen Bloeme&#x201C;<lb/>
veröffentlicht worden<note place="foot" n="242)">Der Naturen Bloeme von <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118556274">Jakob</persName> van Maerlandt</hi>. Mit Inleiding,<lb/>
Varianten van H&#x017F;&#x017F;., Aentcekeningen en Glo&#x017F;&#x017F;arium uitgegeben door <persName ref="http://d-nb.info/gnd/171984986">J. H. <hi rendition="#g">Bor-<lb/>
mans</hi></persName>. 1. Deel. Brü&#x017F;&#x017F;el, 1857 (Akad d. Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;ch.). Außer den im zweiten Bande<lb/>
zu erwartenden Glo&#x017F;&#x017F;ar fehlt auch noch die Einleitung. Ueber das Verhältniß des<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118556274">Jakob</persName> van Maerlandt zu <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118802003">Thomas</persName> von Cantimpré &#x017F;. den &#x017F;chon früher citirten Auf-<lb/>
http://d-nb.info/gnd/117523216 &#x017F;atz von <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/171984986">Bormans</persName></hi> im: <hi rendition="#aq">Bullet. Acad. Bruxell. T. XIX. P. I. 1852. p. 132.</hi></note>, welche nur die er&#x017F;ten der von den Thieren<lb/>
handelnden Bücher umfaßt. Auch <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118556274">Jakob</persName> von Maerlandt hat das zweite<lb/>
Buch des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118802003">Thomas</persName>, welches von der Seele handelt, weggela&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
das er&#x017F;te, we&#x017F;entlich gekürzt und vorzüglich die Lebensalter des Men-<lb/>
&#x017F;chen &#x017F;childernd, mit dem dritten des Originals vereinigt. Sein zweites<lb/>
Buch von den vierfüßigen Thieren ent&#x017F;pricht daher dem vierten des<lb/>
Originals, das dritte dem fünften, das vierte dem &#x017F;ech&#x017F;ten. Mehr i&#x017F;t<lb/>
bis jetzt nicht er&#x017F;chienen. Eine Vergleichung der ge&#x017F;childerten Thierarten<lb/>
ergibt, daß unter den vierfüßigen Thieren bei <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118556274">Jakob</persName> nur der Urano&#x017F;co-<lb/>
pus fehlt, welcher &#x017F;ich nicht einmal in allen Hand&#x017F;chriften des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118802003">Thomas</persName><lb/>
findet (&#x017F;o fehlt er in dem Gothaer Codex). Er &#x017F;teht, wo er vorkommt<lb/>
(z. B. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/130066311">Rhebiger</persName>'&#x017F;che Hd&#x017F;chr.), zwi&#x017F;chen Uria und Fuchs. Von Vögeln<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[251/0262] Ausgang des Mittelalters. beruft. Merkwürdig und für die Geſchichte der betreffenden Schrift von Wichtigkeit iſt es, daß Conrad bei der Amphisbaena den Meiſter Jorach citirt, während ſich wie erwähnt bei Thomas überhaupt kein Citat dieſes unbekannten Verfaſſers findet. In Bezug auf Einzelheiten viel freier, ſich aber enger an die von Thomas gegebenen Thierformen anſchließend iſt die Ueberſetzung Ja- kob van Maerlandt's. Derſelbe iſt älter als Conrad von Megen- berg. Er wurde um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts in Damme (unweit Brügge in der heutigen Provinz Weſt-Flandern) geboren und ſtarb 1300 als Secretair dieſer Stadt. Auf dieſe wenigen dürftigen Nachrichten beſchränkt ſich Alles, was man von dem Leben dieſes Man- nes weiß. Auf ſeine Bedeutung für die Entwickelung der altniederländiſchen (richtiger vlämiſchen) Litteratur kann hier nur hingewieſen werden. Seine Bearbeitung des Thomas von Cantimpré iſt metriſch und ge- reimt. Leider iſt bis jetzt nur die erſte Hälfte von „Der Naturen Bloeme“ veröffentlicht worden 242), welche nur die erſten der von den Thieren handelnden Bücher umfaßt. Auch Jakob von Maerlandt hat das zweite Buch des Thomas, welches von der Seele handelt, weggelaſſen und das erſte, weſentlich gekürzt und vorzüglich die Lebensalter des Men- ſchen ſchildernd, mit dem dritten des Originals vereinigt. Sein zweites Buch von den vierfüßigen Thieren entſpricht daher dem vierten des Originals, das dritte dem fünften, das vierte dem ſechſten. Mehr iſt bis jetzt nicht erſchienen. Eine Vergleichung der geſchilderten Thierarten ergibt, daß unter den vierfüßigen Thieren bei Jakob nur der Uranoſco- pus fehlt, welcher ſich nicht einmal in allen Handſchriften des Thomas findet (ſo fehlt er in dem Gothaer Codex). Er ſteht, wo er vorkommt (z. B. Rhebiger'ſche Hdſchr.), zwiſchen Uria und Fuchs. Von Vögeln 242) Der Naturen Bloeme von Jakob van Maerlandt. Mit Inleiding, Varianten van Hſſ., Aentcekeningen en Gloſſarium uitgegeben door J. H. Bor- mans. 1. Deel. Brüſſel, 1857 (Akad d. Wiſſenſch.). Außer den im zweiten Bande zu erwartenden Gloſſar fehlt auch noch die Einleitung. Ueber das Verhältniß des Jakob van Maerlandt zu Thomas von Cantimpré ſ. den ſchon früher citirten Auf- http://d-nb.info/gnd/117523216 ſatz von Bormans im: Bullet. Acad. Bruxell. T. XIX. P. I. 1852. p. 132.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/262
Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/262>, abgerufen am 25.11.2024.