Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Ausgang des Mittelalters. kommen Stellen vor wie: "in der Schrift des Physiologen erinnere ichmich das Folgende gelesen zu haben", was auf eine größere Verarbei- tung des Materials hinweist. Das Alphabet enthält übrigens nicht bloß Thiernamen; im 18. Buche kommen mitten zwischen den Thieren die Artikel vor: cornu, femina, fetans, fetus, woraus auf ein gewisses Bestreben geschlossen werden kann, einzelne Begriffe schärfer zu defini- ren. Hieraus aber, wie es E. Meyer thut, das Streben nach Bildung einer naturwissenschaftlichen Terminologie abzuleiten, erscheint denn doch wohl zu gewagt, da aus den einzelnen Schilderungen des Verfas- sers zur Genüge hervorgeht, daß er weder das Bedürfniß einer solchen hatte, noch den Werth einer schärferen Sprache, wenn sie sich ihm dar- geboten hätte, anerkannt haben würde. So wenig als bei Vincenz von Beauvais ist hier von Kritik etwas zu finden. Wenn er z. B. zurück- weist, daß das Wiesel sich mit dem Ohre begatte und durch den Mund gebäre, so sagt er dieses Urtheil Andern nach, in derselben Weise, wie er Fabel- und Wundergeschichten Andern nacherzählt. Es ist daher nicht möglich, ihm etwa einen besondern Standpunkt in der geschicht- lichen Entwickelung anatomischer und physiologischer sowie allgemein zoologischer Ansichten zuzuschreiben. Das Fleisch dient nur dazu, den leeren Raum um die eigentlich wirksamen Nerven (Sehnen) auszufül- len und die thierische Wärme zusammenzuhalten. Vom Herzen geht die Erwärmung aus, die Respiration dient nur dazu, das Blut und den Spiritus abzukühlen. Diese und ähnliche aristotelische Ansichten bilden seine physiologischen Grundbegriffe. Kann daher die Schrift auch nicht fördernd nach irgend einer Seite gewirkt haben, so verdankte sie doch ihrem mäßigen Umfang eine ziemliche Verbreitung. Die letzte Ausgabe erschien 1619239). Ausgang des Mittelalters. Dem regen Aufschwung eines Interesses an der belebten Natur 239) vergl. E. Meyer, Geschichte der Botanik. Bd. 4. S. 87.
Ausgang des Mittelalters. kommen Stellen vor wie: „in der Schrift des Phyſiologen erinnere ichmich das Folgende geleſen zu haben“, was auf eine größere Verarbei- tung des Materials hinweiſt. Das Alphabet enthält übrigens nicht bloß Thiernamen; im 18. Buche kommen mitten zwiſchen den Thieren die Artikel vor: cornu, femina, fetans, fetus, woraus auf ein gewiſſes Beſtreben geſchloſſen werden kann, einzelne Begriffe ſchärfer zu defini- ren. Hieraus aber, wie es E. Meyer thut, das Streben nach Bildung einer naturwiſſenſchaftlichen Terminologie abzuleiten, erſcheint denn doch wohl zu gewagt, da aus den einzelnen Schilderungen des Verfaſ- ſers zur Genüge hervorgeht, daß er weder das Bedürfniß einer ſolchen hatte, noch den Werth einer ſchärferen Sprache, wenn ſie ſich ihm dar- geboten hätte, anerkannt haben würde. So wenig als bei Vincenz von Beauvais iſt hier von Kritik etwas zu finden. Wenn er z. B. zurück- weiſt, daß das Wieſel ſich mit dem Ohre begatte und durch den Mund gebäre, ſo ſagt er dieſes Urtheil Andern nach, in derſelben Weiſe, wie er Fabel- und Wundergeſchichten Andern nacherzählt. Es iſt daher nicht möglich, ihm etwa einen beſondern Standpunkt in der geſchicht- lichen Entwickelung anatomiſcher und phyſiologiſcher ſowie allgemein zoologiſcher Anſichten zuzuſchreiben. Das Fleiſch dient nur dazu, den leeren Raum um die eigentlich wirkſamen Nerven (Sehnen) auszufül- len und die thieriſche Wärme zuſammenzuhalten. Vom Herzen geht die Erwärmung aus, die Reſpiration dient nur dazu, das Blut und den Spiritus abzukühlen. Dieſe und ähnliche ariſtoteliſche Anſichten bilden ſeine phyſiologiſchen Grundbegriffe. Kann daher die Schrift auch nicht fördernd nach irgend einer Seite gewirkt haben, ſo verdankte ſie doch ihrem mäßigen Umfang eine ziemliche Verbreitung. Die letzte Ausgabe erſchien 1619239). Ausgang des Mittelalters. Dem regen Aufſchwung eines Intereſſes an der belebten Natur 239) vergl. E. Meyer, Geſchichte der Botanik. Bd. 4. S. 87.
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Ausgang des Mittelalters.
kommen Stellen vor wie: „in der Schrift des Phyſiologen erinnere ich
mich das Folgende geleſen zu haben“, was auf eine größere Verarbei-
tung des Materials hinweiſt. Das Alphabet enthält übrigens nicht
bloß Thiernamen; im 18. Buche kommen mitten zwiſchen den Thieren
die Artikel vor: cornu, femina, fetans, fetus, woraus auf ein gewiſſes
Beſtreben geſchloſſen werden kann, einzelne Begriffe ſchärfer zu defini-
ren. Hieraus aber, wie es E. Meyer thut, das Streben nach Bildung
einer naturwiſſenſchaftlichen Terminologie abzuleiten, erſcheint denn
doch wohl zu gewagt, da aus den einzelnen Schilderungen des Verfaſ-
ſers zur Genüge hervorgeht, daß er weder das Bedürfniß einer ſolchen
hatte, noch den Werth einer ſchärferen Sprache, wenn ſie ſich ihm dar-
geboten hätte, anerkannt haben würde. So wenig als bei Vincenz von
Beauvais iſt hier von Kritik etwas zu finden. Wenn er z. B. zurück-
weiſt, daß das Wieſel ſich mit dem Ohre begatte und durch den Mund
gebäre, ſo ſagt er dieſes Urtheil Andern nach, in derſelben Weiſe, wie
er Fabel- und Wundergeſchichten Andern nacherzählt. Es iſt daher
nicht möglich, ihm etwa einen beſondern Standpunkt in der geſchicht-
lichen Entwickelung anatomiſcher und phyſiologiſcher ſowie allgemein
zoologiſcher Anſichten zuzuſchreiben. Das Fleiſch dient nur dazu, den
leeren Raum um die eigentlich wirkſamen Nerven (Sehnen) auszufül-
len und die thieriſche Wärme zuſammenzuhalten. Vom Herzen geht die
Erwärmung aus, die Reſpiration dient nur dazu, das Blut und den
Spiritus abzukühlen. Dieſe und ähnliche ariſtoteliſche Anſichten bilden
ſeine phyſiologiſchen Grundbegriffe. Kann daher die Schrift auch nicht
fördernd nach irgend einer Seite gewirkt haben, ſo verdankte ſie doch
ihrem mäßigen Umfang eine ziemliche Verbreitung. Die letzte Ausgabe
erſchien 1619 239).
Ausgang des Mittelalters.
Dem regen Aufſchwung eines Intereſſes an der belebten Natur
folgte eine Zeit geiſtiger Stille. Was vorhanden war, gieng zwar nicht
wieder verloren; es wurde ſogar, wie ſich gleich zeigen wird, in ver-
239) vergl. E. Meyer, Geſchichte der Botanik. Bd. 4. S. 87.
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