z. B. agnus, ovis, vitulus, hos, taurus). In Bezug auf das, was man etwa seine Systematik nennen könnte, sind seine Ansichten noch weniger sicher und consequent als Albert's. Während letzterer sich doch sicher die zugänglichen Thiere, wenn auch nicht immer mit viel Glück und Geschick, angesehen hat, ist dies bei Vincenz sehr zu bezweifeln. Er folgt also nur dem Sprachgebrauch und zwar auch dessen Schwankun- gen, wenn er, wie erwähnt, Schlangen, kriechende Thiere und Wür- mer einmal nebeneinanderstellt und dann die Reptilien, also wieder die kriechenden Thiere (zum Unterschiede von den Natatilien u. a.) in drei Gattungen theilt: Schlangen, Eidechsen (mit Einschluß der Frösche) und Würmer. Die Begriffe Gattung und Art, welche letztere er der ersten unterordnet, haben bei ihm nur eine formale Bedeutung. Seine physiologischen Anschauungen entsprechen vollständig den zu seiner Zeit allgemein verbreiteten; das Fleisch ist das Instrument des Gefühls; die vom Herzen entspringenden Sehnen ("Nerven") sind die eigentlich bewegenden Theile u. s. w.
Bekanntlich ist das Speculum majus des Vincenz bereits im fünfzehnten Jahrhundert wiederholt gedruckt worden; dann allerdings nicht wieder seit 1624. Lag der Werth der ungeheuren Arbeit für die damalige Zeit in der Vollständigkeit, mit welcher die Ansichten aller möglichen Schriftsteller über Thiere und Thierleben wiedergegeben wa- ren, und welche fast eine Bibliothek entbehrlich machen konnte, so hatte das Werk für den Fortschritt der Wissenschaft selbst so gut wie keine Bedeutung. Es half höchstens dazu, der Verbreitung der aristotelischen Richtung auch in der Zoologie Vorschub zu leisten, wenn schon sein co- lossaler Umfang einer wirksamen Vervielfältigung natürlich ein nur selten zu überwindendes Hinderniß wurde. Nicht unwerth der Erwäh- nung ist es, daß hier wie bei Albert die späteren Ausgaben die incor- recteren sind.
Weitere Zeichen einer litterarischen Thätigkeit.
Sind auch die eben ausführlicher besprochenen Werke theils ihres Inhalts theils ihrer Form wegen als Zeichen einer wiedererwachenden wissenschaftlichen Erfassung der Thiere anzusehen und dadurch für die
Die Zoologie des Mittelalters.
z. B. agnus, ovis, vitulus, hos, taurus). In Bezug auf das, was man etwa ſeine Syſtematik nennen könnte, ſind ſeine Anſichten noch weniger ſicher und conſequent als Albert's. Während letzterer ſich doch ſicher die zugänglichen Thiere, wenn auch nicht immer mit viel Glück und Geſchick, angeſehen hat, iſt dies bei Vincenz ſehr zu bezweifeln. Er folgt alſo nur dem Sprachgebrauch und zwar auch deſſen Schwankun- gen, wenn er, wie erwähnt, Schlangen, kriechende Thiere und Wür- mer einmal nebeneinanderſtellt und dann die Reptilien, alſo wieder die kriechenden Thiere (zum Unterſchiede von den Natatilien u. a.) in drei Gattungen theilt: Schlangen, Eidechſen (mit Einſchluß der Fröſche) und Würmer. Die Begriffe Gattung und Art, welche letztere er der erſten unterordnet, haben bei ihm nur eine formale Bedeutung. Seine phyſiologiſchen Anſchauungen entſprechen vollſtändig den zu ſeiner Zeit allgemein verbreiteten; das Fleiſch iſt das Inſtrument des Gefühls; die vom Herzen entſpringenden Sehnen („Nerven“) ſind die eigentlich bewegenden Theile u. ſ. w.
Bekanntlich iſt das Speculum majus des Vincenz bereits im fünfzehnten Jahrhundert wiederholt gedruckt worden; dann allerdings nicht wieder ſeit 1624. Lag der Werth der ungeheuren Arbeit für die damalige Zeit in der Vollſtändigkeit, mit welcher die Anſichten aller möglichen Schriftſteller über Thiere und Thierleben wiedergegeben wa- ren, und welche faſt eine Bibliothek entbehrlich machen konnte, ſo hatte das Werk für den Fortſchritt der Wiſſenſchaft ſelbſt ſo gut wie keine Bedeutung. Es half höchſtens dazu, der Verbreitung der ariſtoteliſchen Richtung auch in der Zoologie Vorſchub zu leiſten, wenn ſchon ſein co- loſſaler Umfang einer wirkſamen Vervielfältigung natürlich ein nur ſelten zu überwindendes Hinderniß wurde. Nicht unwerth der Erwäh- nung iſt es, daß hier wie bei Albert die ſpäteren Ausgaben die incor- recteren ſind.
Weitere Zeichen einer litterariſchen Thätigkeit.
Sind auch die eben ausführlicher beſprochenen Werke theils ihres Inhalts theils ihrer Form wegen als Zeichen einer wiedererwachenden wiſſenſchaftlichen Erfaſſung der Thiere anzuſehen und dadurch für die
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Die Zoologie des Mittelalters.
z. B. agnus, ovis, vitulus, hos, taurus). In Bezug auf das, was
man etwa ſeine Syſtematik nennen könnte, ſind ſeine Anſichten noch
weniger ſicher und conſequent als Albert's. Während letzterer ſich doch
ſicher die zugänglichen Thiere, wenn auch nicht immer mit viel Glück
und Geſchick, angeſehen hat, iſt dies bei Vincenz ſehr zu bezweifeln. Er
folgt alſo nur dem Sprachgebrauch und zwar auch deſſen Schwankun-
gen, wenn er, wie erwähnt, Schlangen, kriechende Thiere und Wür-
mer einmal nebeneinanderſtellt und dann die Reptilien, alſo wieder die
kriechenden Thiere (zum Unterſchiede von den Natatilien u. a.) in drei
Gattungen theilt: Schlangen, Eidechſen (mit Einſchluß der Fröſche)
und Würmer. Die Begriffe Gattung und Art, welche letztere er der
erſten unterordnet, haben bei ihm nur eine formale Bedeutung. Seine
phyſiologiſchen Anſchauungen entſprechen vollſtändig den zu ſeiner Zeit
allgemein verbreiteten; das Fleiſch iſt das Inſtrument des Gefühls;
die vom Herzen entſpringenden Sehnen („Nerven“) ſind die eigentlich
bewegenden Theile u. ſ. w.
Bekanntlich iſt das Speculum majus des Vincenz bereits im
fünfzehnten Jahrhundert wiederholt gedruckt worden; dann allerdings
nicht wieder ſeit 1624. Lag der Werth der ungeheuren Arbeit für die
damalige Zeit in der Vollſtändigkeit, mit welcher die Anſichten aller
möglichen Schriftſteller über Thiere und Thierleben wiedergegeben wa-
ren, und welche faſt eine Bibliothek entbehrlich machen konnte, ſo hatte
das Werk für den Fortſchritt der Wiſſenſchaft ſelbſt ſo gut wie keine
Bedeutung. Es half höchſtens dazu, der Verbreitung der ariſtoteliſchen
Richtung auch in der Zoologie Vorſchub zu leiſten, wenn ſchon ſein co-
loſſaler Umfang einer wirkſamen Vervielfältigung natürlich ein nur
ſelten zu überwindendes Hinderniß wurde. Nicht unwerth der Erwäh-
nung iſt es, daß hier wie bei Albert die ſpäteren Ausgaben die incor-
recteren ſind.
Weitere Zeichen einer litterariſchen Thätigkeit.
Sind auch die eben ausführlicher beſprochenen Werke theils ihres
Inhalts theils ihrer Form wegen als Zeichen einer wiedererwachenden
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/253>, abgerufen am 24.07.2024.
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