denselben, welche das Vorherrschen der symbolischen Zoologie, die Ver- breitung der Alexandersage und der Fabeln vom trojanischen Kriege allmählich beseitigten.
Hierbei ist zunächst des Auftretens arabischer Autoren im Abend- lande zu gedenken, namentlich des Averroes. Hatte vom neunten bis zwölften Jahrhundert Alles platonisirt und Niemand aristotelisirt, so war die nüchterne, einer wissenschaftlichen Forschung zusagendere philo- sophische Weltanschauung des Averroes, welche ja weit über Aristoteles hinausgieng, ein jedenfalls wirksames Mittel, den Aristoteles selbst wieder möglich zu machen. Einzelne mehr oder minder deutliche An- klänge an aristotelische Denkweise waren zwar schon im zwölften Jahr- hundert, selbst auf Seiten des platonischen Realismus erschienen. So sagt z. B. Gilbertus Porretanus, daß die Individuen der wahre Grund der sinnlichen Welt seien, während die allgemeinen Be- griffe der Gattungen und Arten in den Individuen nur Substanz ge- winnen sollen. Aehnliche Anschauungen treten indessen in Folge des Uebergewichtes, welches die strengeren Lehrsätze des Realismus erhiel- ten, zurück. Die der Naturlehre gewidmeten Arbeiten der arabischen Aristoteliker fanden bei den moralisirenden Scholastikern Widerspruch. Doch wurde "der Sinn für Erkenntniß der Natur angeregt und mit phantastischen Aussichten geschmeichelt". Und wenn auch jetzt noch die neu auftauchenden Lehren und Meinungen immer nur an den Prüf- stein der theologischen Dogmatik und Moral gehalten wurden, so haben "die Gedanken der Averroisten dazu beigetragen, die Hoffnungen auf eine fruchtbare Naturforschung zu beleben".
Am meisten trug aber hierzu bei, daß man außer den bis dahin im Abendlande bereits verbreiteten philosophischen Schriften des Ari- stoteles nun auch dessen naturhistorische Werke kennen lernte. Die Kenntniß der griechischen Sprache war aber durchaus nicht so verbreitet,
qua animalia immutant et alterant res sibi objectas, sicut basiliscus interficit solo visu et lupus reddit raucum si prius videat hominem, et hyaena intra umbram suam canem non permittit latrare, sicut Solinus de mirabilibus mundi narrat et alii Auctores ... et equae impregnantur in aliquibus regnis per odorem equorum ut Solinus narrat.
Die Zoologie des Mittelalters.
denſelben, welche das Vorherrſchen der ſymboliſchen Zoologie, die Ver- breitung der Alexanderſage und der Fabeln vom trojaniſchen Kriege allmählich beſeitigten.
Hierbei iſt zunächſt des Auftretens arabiſcher Autoren im Abend- lande zu gedenken, namentlich des Averroës. Hatte vom neunten bis zwölften Jahrhundert Alles platoniſirt und Niemand ariſtoteliſirt, ſo war die nüchterne, einer wiſſenſchaftlichen Forſchung zuſagendere philo- ſophiſche Weltanſchauung des Averroes, welche ja weit über Ariſtoteles hinausgieng, ein jedenfalls wirkſames Mittel, den Ariſtoteles ſelbſt wieder möglich zu machen. Einzelne mehr oder minder deutliche An- klänge an ariſtoteliſche Denkweiſe waren zwar ſchon im zwölften Jahr- hundert, ſelbſt auf Seiten des platoniſchen Realismus erſchienen. So ſagt z. B. Gilbertus Porretanus, daß die Individuen der wahre Grund der ſinnlichen Welt ſeien, während die allgemeinen Be- griffe der Gattungen und Arten in den Individuen nur Subſtanz ge- winnen ſollen. Aehnliche Anſchauungen treten indeſſen in Folge des Uebergewichtes, welches die ſtrengeren Lehrſätze des Realismus erhiel- ten, zurück. Die der Naturlehre gewidmeten Arbeiten der arabiſchen Ariſtoteliker fanden bei den moraliſirenden Scholaſtikern Widerſpruch. Doch wurde „der Sinn für Erkenntniß der Natur angeregt und mit phantaſtiſchen Ausſichten geſchmeichelt“. Und wenn auch jetzt noch die neu auftauchenden Lehren und Meinungen immer nur an den Prüf- ſtein der theologiſchen Dogmatik und Moral gehalten wurden, ſo haben „die Gedanken der Averroiſten dazu beigetragen, die Hoffnungen auf eine fruchtbare Naturforſchung zu beleben“.
Am meiſten trug aber hierzu bei, daß man außer den bis dahin im Abendlande bereits verbreiteten philoſophiſchen Schriften des Ari- ſtoteles nun auch deſſen naturhiſtoriſche Werke kennen lernte. Die Kenntniß der griechiſchen Sprache war aber durchaus nicht ſo verbreitet,
qua animalia immutant et alterant res sibi objectas, sicut basiliscus interficit solo visu et lupus reddit raucum si prius videat hominem, et hyaena intra umbram suam canem non permittit latrare, sicut Solinus de mirabilibus mundi narrat et alii Auctores ... et equae impregnantur in aliquibus regnis per odorem equorum ut Solinus narrat.
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Die Zoologie des Mittelalters.
denſelben, welche das Vorherrſchen der ſymboliſchen Zoologie, die Ver-
breitung der Alexanderſage und der Fabeln vom trojaniſchen Kriege
allmählich beſeitigten.
Hierbei iſt zunächſt des Auftretens arabiſcher Autoren im Abend-
lande zu gedenken, namentlich des Averroës. Hatte vom neunten bis
zwölften Jahrhundert Alles platoniſirt und Niemand ariſtoteliſirt, ſo
war die nüchterne, einer wiſſenſchaftlichen Forſchung zuſagendere philo-
ſophiſche Weltanſchauung des Averroes, welche ja weit über Ariſtoteles
hinausgieng, ein jedenfalls wirkſames Mittel, den Ariſtoteles ſelbſt
wieder möglich zu machen. Einzelne mehr oder minder deutliche An-
klänge an ariſtoteliſche Denkweiſe waren zwar ſchon im zwölften Jahr-
hundert, ſelbſt auf Seiten des platoniſchen Realismus erſchienen. So
ſagt z. B. Gilbertus Porretanus, daß die Individuen der
wahre Grund der ſinnlichen Welt ſeien, während die allgemeinen Be-
griffe der Gattungen und Arten in den Individuen nur Subſtanz ge-
winnen ſollen. Aehnliche Anſchauungen treten indeſſen in Folge des
Uebergewichtes, welches die ſtrengeren Lehrſätze des Realismus erhiel-
ten, zurück. Die der Naturlehre gewidmeten Arbeiten der arabiſchen
Ariſtoteliker fanden bei den moraliſirenden Scholaſtikern Widerſpruch.
Doch wurde „der Sinn für Erkenntniß der Natur angeregt und mit
phantaſtiſchen Ausſichten geſchmeichelt“. Und wenn auch jetzt noch die
neu auftauchenden Lehren und Meinungen immer nur an den Prüf-
ſtein der theologiſchen Dogmatik und Moral gehalten wurden, ſo haben
„die Gedanken der Averroiſten dazu beigetragen, die Hoffnungen auf
eine fruchtbare Naturforſchung zu beleben“.
Am meiſten trug aber hierzu bei, daß man außer den bis dahin
im Abendlande bereits verbreiteten philoſophiſchen Schriften des Ari-
ſtoteles nun auch deſſen naturhiſtoriſche Werke kennen lernte. Die
Kenntniß der griechiſchen Sprache war aber durchaus nicht ſo verbreitet,
179)
179) qua animalia immutant et alterant res sibi objectas, sicut basiliscus interficit
solo visu et lupus reddit raucum si prius videat hominem, et hyaena intra
umbram suam canem non permittit latrare, sicut Solinus de mirabilibus
mundi narrat et alii Auctores ... et equae impregnantur in aliquibus regnis
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/215>, abgerufen am 27.11.2024.
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