Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Die Zoologie des Mittelalters. Hunderassen erwähnt Marco Polo Windhunde, Dachse und Dog-gen173); auch erzählt er, daß im nördlichen Sibirien die Einwohner ihre Schlitten mit Hunden bespannen. Die Mekriten (sibirische Tar- taren) brauchen große hirschähnliche Thiere zum Reiten, offenbar Rennthiere. Für die geographische Verbreitung der Thiere ist die Angabe von Werth, daß Kubilai in der Nähe von Peking Jagdleopar- den in seinem Jagdparke gehabt habe; diese, also Guepards und Luchse würden zur Jagd auf große Thiere gehalten. Der Kamelo- pard soll auf Madagaskar vorkommen. Elefanten und Rhino- ceros werden erwähnt aus dem Gebiete des (nicht namentlich bezeich- neten) Jrawaddi und von Sumatra. Hier hält es Marco Polo für seine Pflicht, eine Fabel zurückzuweisen. Die Einhorne (Rhinoceros), sagt er, lassen sich nicht durch Jungfrauen fangen, wie man bei uns wähnt174). Das Moschusthier ist in Tübet so verbreitet, daß der Geruch überall bemerkbar ist; in Erginul (Liang-tscheu) findet sich der beste Moschus. Das Thier ist nicht größer als eine Ziege, ist einer Antilope ähnlich, ohne Hörner, mit vier, zwei obern und zwei untern Hauzähnen, welche drei Finger lang, schmal und weiß wie Elfenbein sind. Zur Zeit des Vollmonds bildet sich in der Nabelgegend eine Blase oder ein Schwär (apostema) voll geronnenen Blutes. Von jagdbaren Thieren erscheinen Eber, Hirsche Damhirsche, Rehe, Bären, Zobel (Rondes), Pharaonismäuse (Murmelthiere), schwarze Füchse und Hasen. Schon Marco Polo bringt Zeugnisse für die weit nach Norden reichende Verbreitung des Tigers, welcher meist unter dem Namen Löwe erscheint, der Beschreibung nach indeß nicht zu verkennen ist. Er erwähnt ihn noch aus dem Gebiete des Irawaddi und von Sumatra. In Sibirien kommen Bären mit weißem Pelze bis zu zwanzig Span- nen Länge vor. Bei der Stadt Scassem (im Usbekenlande?) finden sich Stachelschweine, welche, wenn sie gejagt werden, die in ihrer 173) "cani da caccia et da paisa, da lepori et mastini" bei Ramusio, fol. 27. v. Obige Uebersetzung nach Bürck, S. 313. 174) vergl. das früher bei Erwähnung des Einhorns im Physiologus Gesagte.
Interessant ist auch die verschiedene Schilderung des Moschusthieres bei den einzel- nen Schriftstellern des Mittelalters zu vergleichen. Die Zoologie des Mittelalters. Hunderaſſen erwähnt Marco Polo Windhunde, Dachſe und Dog-gen173); auch erzählt er, daß im nördlichen Sibirien die Einwohner ihre Schlitten mit Hunden beſpannen. Die Mekriten (ſibiriſche Tar- taren) brauchen große hirſchähnliche Thiere zum Reiten, offenbar Rennthiere. Für die geographiſche Verbreitung der Thiere iſt die Angabe von Werth, daß Kubilai in der Nähe von Peking Jagdleopar- den in ſeinem Jagdparke gehabt habe; dieſe, alſo Guepards und Luchſe würden zur Jagd auf große Thiere gehalten. Der Kamelo- pard ſoll auf Madagaskar vorkommen. Elefanten und Rhino- ceros werden erwähnt aus dem Gebiete des (nicht namentlich bezeich- neten) Jrawaddi und von Sumatra. Hier hält es Marco Polo für ſeine Pflicht, eine Fabel zurückzuweiſen. Die Einhorne (Rhinoceros), ſagt er, laſſen ſich nicht durch Jungfrauen fangen, wie man bei uns wähnt174). Das Moſchusthier iſt in Tübet ſo verbreitet, daß der Geruch überall bemerkbar iſt; in Erginul (Liang-tſchéu) findet ſich der beſte Moſchus. Das Thier iſt nicht größer als eine Ziege, iſt einer Antilope ähnlich, ohne Hörner, mit vier, zwei obern und zwei untern Hauzähnen, welche drei Finger lang, ſchmal und weiß wie Elfenbein ſind. Zur Zeit des Vollmonds bildet ſich in der Nabelgegend eine Blaſe oder ein Schwär (apostema) voll geronnenen Blutes. Von jagdbaren Thieren erſcheinen Eber, Hirſche Damhirſche, Rehe, Bären, Zobel (Rondes), Pharaonismäuſe (Murmelthiere), ſchwarze Füchſe und Haſen. Schon Marco Polo bringt Zeugniſſe für die weit nach Norden reichende Verbreitung des Tigers, welcher meiſt unter dem Namen Löwe erſcheint, der Beſchreibung nach indeß nicht zu verkennen iſt. Er erwähnt ihn noch aus dem Gebiete des Irawaddi und von Sumatra. In Sibirien kommen Bären mit weißem Pelze bis zu zwanzig Span- nen Länge vor. Bei der Stadt Scaſſem (im Usbekenlande?) finden ſich Stachelſchweine, welche, wenn ſie gejagt werden, die in ihrer 173) „cani da caccia et da paisa, da lepori et mastini“ bei Ramusio, fol. 27. v. Obige Ueberſetzung nach Bürck, S. 313. 174) vergl. das früher bei Erwähnung des Einhorns im Phyſiologus Geſagte.
Intereſſant iſt auch die verſchiedene Schilderung des Moſchusthieres bei den einzel- nen Schriftſtellern des Mittelalters zu vergleichen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0209" n="198"/><fw place="top" type="header">Die Zoologie des Mittelalters.</fw><lb/><hi rendition="#g">Hunderaſſen</hi> erwähnt <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118595563">Marco Polo</persName> Windhunde, Dachſe und Dog-<lb/> gen<note place="foot" n="173)"><hi rendition="#aq">„cani da caccia et da paisa, da lepori et mastini“</hi> bei <hi rendition="#aq"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/128993456">Ramusio</persName>, fol.<lb/> 27. v.</hi> Obige Ueberſetzung nach <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/117083313">Bürck</persName></hi>, S. 313.</note>; auch erzählt er, daß im nördlichen Sibirien die Einwohner<lb/> ihre Schlitten mit Hunden beſpannen. Die Mekriten (ſibiriſche Tar-<lb/> taren) brauchen große hirſchähnliche Thiere zum Reiten, offenbar<lb/><hi rendition="#g">Rennthiere</hi>. Für die geographiſche Verbreitung der Thiere iſt die<lb/> Angabe von Werth, daß Kubilai in der Nähe von Peking Jagdleopar-<lb/> den in ſeinem Jagdparke gehabt habe; dieſe, alſo <hi rendition="#g">Guepards</hi> und<lb/> Luchſe würden zur Jagd auf große Thiere gehalten. Der <hi rendition="#g">Kamelo-<lb/> pard</hi> ſoll auf Madagaskar vorkommen. <hi rendition="#g">Elefanten</hi> und <hi rendition="#g">Rhino-<lb/> ceros</hi> werden erwähnt aus dem Gebiete des (nicht namentlich bezeich-<lb/> neten) Jrawaddi und von Sumatra. Hier hält es <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118595563">Marco Polo</persName> für<lb/> ſeine Pflicht, eine Fabel zurückzuweiſen. Die Einhorne (Rhinoceros),<lb/> ſagt er, laſſen ſich nicht durch Jungfrauen fangen, wie man bei uns<lb/> wähnt<note place="foot" n="174)">vergl. das früher bei Erwähnung des Einhorns im Phyſiologus Geſagte.<lb/> Intereſſant iſt auch die verſchiedene Schilderung des Moſchusthieres bei den einzel-<lb/> nen Schriftſtellern des Mittelalters zu vergleichen.</note>. Das <hi rendition="#g">Moſchusthier</hi> iſt in Tübet ſo verbreitet, daß der<lb/> Geruch überall bemerkbar iſt; in Erginul (Liang-tſchéu) findet ſich der<lb/> beſte Moſchus. Das Thier iſt nicht größer als eine Ziege, iſt einer<lb/> Antilope ähnlich, ohne Hörner, mit vier, zwei obern und zwei untern<lb/> Hauzähnen, welche drei Finger lang, ſchmal und weiß wie Elfenbein<lb/> ſind. Zur Zeit des Vollmonds bildet ſich in der Nabelgegend eine<lb/> Blaſe oder ein Schwär (<hi rendition="#aq">apostema</hi>) voll geronnenen Blutes. Von<lb/> jagdbaren Thieren erſcheinen Eber, Hirſche Damhirſche, Rehe, Bären,<lb/> Zobel (Rondes), Pharaonismäuſe (Murmelthiere), ſchwarze Füchſe und<lb/> Haſen. Schon <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118595563">Marco Polo</persName> bringt Zeugniſſe für die weit nach Norden<lb/> reichende Verbreitung des <hi rendition="#g">Tigers</hi>, welcher meiſt unter dem Namen<lb/> Löwe erſcheint, der Beſchreibung nach indeß nicht zu verkennen iſt. Er<lb/> erwähnt ihn noch aus dem Gebiete des Irawaddi und von Sumatra.<lb/> In Sibirien kommen Bären mit weißem Pelze bis zu zwanzig Span-<lb/> nen Länge vor. Bei der Stadt Scaſſem (im Usbekenlande?) finden<lb/> ſich <hi rendition="#g">Stachelſchweine</hi>, welche, wenn ſie gejagt werden, die in ihrer<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [198/0209]
Die Zoologie des Mittelalters.
Hunderaſſen erwähnt Marco Polo Windhunde, Dachſe und Dog-
gen 173); auch erzählt er, daß im nördlichen Sibirien die Einwohner
ihre Schlitten mit Hunden beſpannen. Die Mekriten (ſibiriſche Tar-
taren) brauchen große hirſchähnliche Thiere zum Reiten, offenbar
Rennthiere. Für die geographiſche Verbreitung der Thiere iſt die
Angabe von Werth, daß Kubilai in der Nähe von Peking Jagdleopar-
den in ſeinem Jagdparke gehabt habe; dieſe, alſo Guepards und
Luchſe würden zur Jagd auf große Thiere gehalten. Der Kamelo-
pard ſoll auf Madagaskar vorkommen. Elefanten und Rhino-
ceros werden erwähnt aus dem Gebiete des (nicht namentlich bezeich-
neten) Jrawaddi und von Sumatra. Hier hält es Marco Polo für
ſeine Pflicht, eine Fabel zurückzuweiſen. Die Einhorne (Rhinoceros),
ſagt er, laſſen ſich nicht durch Jungfrauen fangen, wie man bei uns
wähnt 174). Das Moſchusthier iſt in Tübet ſo verbreitet, daß der
Geruch überall bemerkbar iſt; in Erginul (Liang-tſchéu) findet ſich der
beſte Moſchus. Das Thier iſt nicht größer als eine Ziege, iſt einer
Antilope ähnlich, ohne Hörner, mit vier, zwei obern und zwei untern
Hauzähnen, welche drei Finger lang, ſchmal und weiß wie Elfenbein
ſind. Zur Zeit des Vollmonds bildet ſich in der Nabelgegend eine
Blaſe oder ein Schwär (apostema) voll geronnenen Blutes. Von
jagdbaren Thieren erſcheinen Eber, Hirſche Damhirſche, Rehe, Bären,
Zobel (Rondes), Pharaonismäuſe (Murmelthiere), ſchwarze Füchſe und
Haſen. Schon Marco Polo bringt Zeugniſſe für die weit nach Norden
reichende Verbreitung des Tigers, welcher meiſt unter dem Namen
Löwe erſcheint, der Beſchreibung nach indeß nicht zu verkennen iſt. Er
erwähnt ihn noch aus dem Gebiete des Irawaddi und von Sumatra.
In Sibirien kommen Bären mit weißem Pelze bis zu zwanzig Span-
nen Länge vor. Bei der Stadt Scaſſem (im Usbekenlande?) finden
ſich Stachelſchweine, welche, wenn ſie gejagt werden, die in ihrer
173) „cani da caccia et da paisa, da lepori et mastini“ bei Ramusio, fol.
27. v. Obige Ueberſetzung nach Bürck, S. 313.
174) vergl. das früher bei Erwähnung des Einhorns im Phyſiologus Geſagte.
Intereſſant iſt auch die verſchiedene Schilderung des Moſchusthieres bei den einzel-
nen Schriftſtellern des Mittelalters zu vergleichen.
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