Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Die Zoologie des Mittelalters. einen kurzen Ueberblick über die Thiere zu erlangen, auf deren nähereBekanntschaft der allgemein philosophisch gebildete Schriftsteller ebenso wie der gebildete Laie seine zoologischen Anschauungen gründete. Auch für das Mittelalter ist noch das Fehlen des Begriffs einer Unter den Hausthieren nahm im Mittelalter das Pferd die her- 118) So sagt Adelardus Anglicus (Adelard de Bath) in seiner Schrift de eodem et diverso (verfaßt zwischen 1105 und 1116), daß die Philosophen die der sinnlichen Betrachtung sich darbietenden Dinge, insofern sie verschiedne Namen haben und der Zahl nach verschieden sind, Individuen nennen, wie Socrates, Plato u. a. Betrachten sie aber dieselben Dinge nicht nach der Verschiedenheit, son- dern insofern sie unter demselben Namen begriffen werden, so nennen sie dieselben Species. s. Haureau, De la philosophie scolastique. Paris, 1850. T. I. p. 253. Dieselbe Stelle französisch bei Jourdain, Recherches etc. 2. ed. p. 267. 119) Der Beschäler hieß emissarius oder burdo (Specim. breviarii rerum
Die Zoologie des Mittelalters. einen kurzen Ueberblick über die Thiere zu erlangen, auf deren nähereBekanntſchaft der allgemein philoſophiſch gebildete Schriftſteller ebenſo wie der gebildete Laie ſeine zoologiſchen Anſchauungen gründete. Auch für das Mittelalter iſt noch das Fehlen des Begriffs einer Unter den Hausthieren nahm im Mittelalter das Pferd die her- 118) So ſagt Adelardus Anglicus (Adélard de Bath) in ſeiner Schrift de eodem et diverso (verfaßt zwiſchen 1105 und 1116), daß die Philoſophen die der ſinnlichen Betrachtung ſich darbietenden Dinge, inſofern ſie verſchiedne Namen haben und der Zahl nach verſchieden ſind, Individuen nennen, wie Socrates, Plato u. a. Betrachten ſie aber dieſelben Dinge nicht nach der Verſchiedenheit, ſon- dern inſofern ſie unter demſelben Namen begriffen werden, ſo nennen ſie dieſelben Species. ſ. Hauréau, De la philosophie scolastique. Paris, 1850. T. I. p. 253. Dieſelbe Stelle franzöſiſch bei Jourdain, Recherches etc. 2. éd. p. 267. 119) Der Beſchäler hieß emissarius oder burdo (Specim. breviarii rerum
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Die Zoologie des Mittelalters.
einen kurzen Ueberblick über die Thiere zu erlangen, auf deren nähere
Bekanntſchaft der allgemein philoſophiſch gebildete Schriftſteller ebenſo
wie der gebildete Laie ſeine zoologiſchen Anſchauungen gründete.
Auch für das Mittelalter iſt noch das Fehlen des Begriffs einer
naturhiſtoriſchen Art bezeichnend. Das Befangenſein im logiſchen For-
malismus ließ den Beobachter, auf welchen doch die Gleichheit und we-
ſentliche Uebereinſtimmung ſo mancher Thiergeſtalten einen Eindruck
machen mußte, nicht aus dem Bereich rein formaler und verbaler Di-
ſtinctionen und Definitionen heraustreten und zu der Frage nach dem
natürlichen Grunde einer ſolchen Uebereinſtimmung kommen. Abälard
ſagt zwar ſchon: nihil omnino est praeter individuum. Was aber
darüber hinausgieng, wird nur logiſch formal entwickelt, wofür ſich
zahlreiche Belege anführen ließen 118). Mit dieſem Fehlen des Artbe-
griffs hängt auch der Mangel einer wiſſenſchaftlichen Nomenclatur zu-
ſammen. Die Thiere werden noch ganz nach antiker Art mit einem der
gewöhnlichen Umgangsſprache entnommenen Namen bezeichnet. Die
Wiedererkennung der Thiere war daher nur nach dem Grade ihrer
Verbreitung und des davon abhängigen Bekanntſeins in weiteren Kreiſen
möglich, da ja mit einem wiſſenſchaftlichen Namen auch eine wiſſen-
ſchaftliche Beſchreibung oder Charakteriſirung fehlte. Folge hiervon
war das häufige Schwanken der Bezeichnungen für ein und daſſelbe
Thier nach Verſchiedenheit der Fundorte und iſt noch heute die Schwie-
rigkeit der Nachbeſtimmung.
Unter den Hausthieren nahm im Mittelalter das Pferd die her-
vorragende Stelle ein; ſeine Zucht war ſehr verbreitet 119) und galt für
118) So ſagt Adelardus Anglicus (Adélard de Bath) in ſeiner Schrift
de eodem et diverso (verfaßt zwiſchen 1105 und 1116), daß die Philoſophen die
der ſinnlichen Betrachtung ſich darbietenden Dinge, inſofern ſie verſchiedne Namen
haben und der Zahl nach verſchieden ſind, Individuen nennen, wie Socrates,
Plato u. a. Betrachten ſie aber dieſelben Dinge nicht nach der Verſchiedenheit, ſon-
dern inſofern ſie unter demſelben Namen begriffen werden, ſo nennen
ſie dieſelben Species. ſ. Hauréau, De la philosophie scolastique. Paris,
1850. T. I. p. 253. Dieſelbe Stelle franzöſiſch bei Jourdain, Recherches etc.
2. éd. p. 267.
119) Der Beſchäler hieß emissarius oder burdo (Specim. breviarii rerum
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