Abu Ali el-Hosein ben Adallah el-Scheich el-Reis Ibn Sina (nach der hebraisirten Form Avicenna, 980-1037), dessen philosophische Stellung oben charakterisirt wurde, soll sämmtliche Schriften des Aristoteles in einem Werke von zwanzig Bänden com- mentirt haben. Dasselbe ist jedoch nach Osseibia unter dem Sultan Masud verloren gegangen. Dagegen ist noch ein Commentar von ihm über des Aristoteles Schriften über die Thiere erhalten, welchen Mi- chael Scotus aus dem Arabischen in's Lateinische übersetzt hat. Es ist derselbe nicht in der strengen Form eines den Text fortlaufend erläu- ternden Commentars, sondern als eine freiere Paraphrase verfaßt wor- den, bietet also dieselbe Form dar, wie die Schriften Alberts des Großen. Die Schrift ist nach der soeben angeführten Art in neunzehn Bücher eingetheilt, umfaßt also die Thiergeschichten, über die Theile und über die Zeugung. Davon sind jedoch, wenigstens in der allein erhaltenen auszugsweisen Uebersetzung des Michael Scotus, ein- zelne Bücher sehr kurze, zuweilen nur wenige Zeilen lange unvollstän- dige Auszüge, wie z. B. das elfte, dem ersten der Schrift über die Theile entsprechende. Wo übrigens von Albert dem Großen Avicenna citirt wird, ist es nicht bloß diese Paraphrase, sondern eben so oft sein Canon, in welchem sowohl Heilmittel von Thieren als giftige Thiere ihrem medicinischen Verhalten nach geschildert werden. Man könnte nach der hebraisirten Form des Namen, unter welcher Ibn Sina vom Mittelalter an meist genannt wird, vermuthen wollen, auch Mi- chael Scotus habe nach einer hebräischen Uebersetzung seine lateinische Uebertragung angefertigt, eine Meinung, welche Camus vertheidigt; doch hat schon Jourdain die Benutzung des arabischen Originals wahrscheinlich gemacht110). Jedenfalls war Ibn Sina nach hebräischen Uebersetzungen anderer Werke bereits als Avicenna bekannt, welche auf Veranlassung des Erzbischofs Raimund von Toledo von mehreren Ju- den, unter ihnen Johann von Sevilla (Avendeath) veranstaltet wurden.
110)Jourdain, Recherches sur les traductions latines d'Aristote. Nouv. ed. 1843. p. 131.
Die Zoologie der Araber.
Abu Ali el-Hoſein ben Adallah el-Scheich el-Reis Ibn Sina (nach der hebraiſirten Form Avicenna, 980-1037), deſſen philoſophiſche Stellung oben charakteriſirt wurde, ſoll ſämmtliche Schriften des Ariſtoteles in einem Werke von zwanzig Bänden com- mentirt haben. Daſſelbe iſt jedoch nach Oſſeibia unter dem Sultan Maſud verloren gegangen. Dagegen iſt noch ein Commentar von ihm über des Ariſtoteles Schriften über die Thiere erhalten, welchen Mi- chael Scotus aus dem Arabiſchen in's Lateiniſche überſetzt hat. Es iſt derſelbe nicht in der ſtrengen Form eines den Text fortlaufend erläu- ternden Commentars, ſondern als eine freiere Paraphraſe verfaßt wor- den, bietet alſo dieſelbe Form dar, wie die Schriften Alberts des Großen. Die Schrift iſt nach der ſoeben angeführten Art in neunzehn Bücher eingetheilt, umfaßt alſo die Thiergeſchichten, über die Theile und über die Zeugung. Davon ſind jedoch, wenigſtens in der allein erhaltenen auszugsweiſen Ueberſetzung des Michael Scotus, ein- zelne Bücher ſehr kurze, zuweilen nur wenige Zeilen lange unvollſtän- dige Auszüge, wie z. B. das elfte, dem erſten der Schrift über die Theile entſprechende. Wo übrigens von Albert dem Großen Avicenna citirt wird, iſt es nicht bloß dieſe Paraphraſe, ſondern eben ſo oft ſein Canon, in welchem ſowohl Heilmittel von Thieren als giftige Thiere ihrem mediciniſchen Verhalten nach geſchildert werden. Man könnte nach der hebraiſirten Form des Namen, unter welcher Ibn Sina vom Mittelalter an meiſt genannt wird, vermuthen wollen, auch Mi- chael Scotus habe nach einer hebräiſchen Ueberſetzung ſeine lateiniſche Uebertragung angefertigt, eine Meinung, welche Camus vertheidigt; doch hat ſchon Jourdain die Benutzung des arabiſchen Originals wahrſcheinlich gemacht110). Jedenfalls war Ibn Sina nach hebräiſchen Ueberſetzungen anderer Werke bereits als Avicenna bekannt, welche auf Veranlaſſung des Erzbiſchofs Raimund von Toledo von mehreren Ju- den, unter ihnen Johann von Sevilla (Avendeath) veranſtaltet wurden.
110)Jourdain, Recherches sur les traductions latines d'Aristote. Nouv. éd. 1843. p. 131.
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Die Zoologie der Araber.
Abu Ali el-Hoſein ben Adallah el-Scheich el-Reis Ibn
Sina (nach der hebraiſirten Form Avicenna, 980-1037), deſſen
philoſophiſche Stellung oben charakteriſirt wurde, ſoll ſämmtliche
Schriften des Ariſtoteles in einem Werke von zwanzig Bänden com-
mentirt haben. Daſſelbe iſt jedoch nach Oſſeibia unter dem Sultan
Maſud verloren gegangen. Dagegen iſt noch ein Commentar von ihm
über des Ariſtoteles Schriften über die Thiere erhalten, welchen Mi-
chael Scotus aus dem Arabiſchen in's Lateiniſche überſetzt hat. Es iſt
derſelbe nicht in der ſtrengen Form eines den Text fortlaufend erläu-
ternden Commentars, ſondern als eine freiere Paraphraſe verfaßt wor-
den, bietet alſo dieſelbe Form dar, wie die Schriften Alberts des
Großen. Die Schrift iſt nach der ſoeben angeführten Art in neunzehn
Bücher eingetheilt, umfaßt alſo die Thiergeſchichten, über die Theile
und über die Zeugung. Davon ſind jedoch, wenigſtens in der allein
erhaltenen auszugsweiſen Ueberſetzung des Michael Scotus, ein-
zelne Bücher ſehr kurze, zuweilen nur wenige Zeilen lange unvollſtän-
dige Auszüge, wie z. B. das elfte, dem erſten der Schrift über die
Theile entſprechende. Wo übrigens von Albert dem Großen Avicenna
citirt wird, iſt es nicht bloß dieſe Paraphraſe, ſondern eben ſo oft ſein
Canon, in welchem ſowohl Heilmittel von Thieren als giftige Thiere
ihrem mediciniſchen Verhalten nach geſchildert werden. Man könnte
nach der hebraiſirten Form des Namen, unter welcher Ibn Sina
vom Mittelalter an meiſt genannt wird, vermuthen wollen, auch Mi-
chael Scotus habe nach einer hebräiſchen Ueberſetzung ſeine lateiniſche
Uebertragung angefertigt, eine Meinung, welche Camus vertheidigt;
doch hat ſchon Jourdain die Benutzung des arabiſchen Originals
wahrſcheinlich gemacht 110). Jedenfalls war Ibn Sina nach hebräiſchen
Ueberſetzungen anderer Werke bereits als Avicenna bekannt, welche auf
Veranlaſſung des Erzbiſchofs Raimund von Toledo von mehreren Ju-
den, unter ihnen Johann von Sevilla (Avendeath) veranſtaltet wurden.
Abul Welid Muhammed ben Achmed Ibn Roſchd, hebraiſirt
110) Jourdain, Recherches sur les traductions latines d'Aristote.
Nouv. éd. 1843. p. 131.
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/184>, abgerufen am 28.11.2024.
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